Olaf Lies soll am Sonnabend beim Parteitag im Stadeum in Stade zum neuen Vorsitzenden der niedersächsischen SPD gewählt werden.

Stade. Er ist einer der Shootingstars auf dem politischen Parkett und der große Hoffnungsträger für die niedersächsische SPD. Sein Name: Olaf Lies. Der 1967 in Wilhelmshaven geborene SPD-Landtagsabgeordnete soll, so der Konsens, am Sonnabend in Stade beim Parteitag der Genossen zum neuen SPD-Landesvorsitzenden und damit aller Voraussicht nach zum Herausforderer von Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) gekürt werden.

Auf zehn Regionalkonferenzen kristallisierte sich Lies immer mehr als Hoffnungsträger der zuletzt politisch angeschlagenen Partei heraus. Er ist Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und des Unterausschusses Häfen und Schifffahrt im niedersächsischen Landtag. Außerdem ist er Sprecher für Häfen und Schifffahrt in der SPD-Landtagsfraktion. Die Wahl zum Landeschef würde den vorläufigen Höhepunkt in der steilen Karriere des zweifachen Familienvaters markieren.

Seine Konkurrenten um den Landesvorsitz, Stefan Schostok und die ehemalige niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn, mussten ihre politischen Ambitionen auf den SPD-Landesvorsitz nach den Regionalkonferenzen bald auf Eis legen: Einstimmig nominierte der Landesvorstand Olaf Lies auf seiner Sitzung vom 24. April auf der Grundlage des Votums der Parteibasis bei den zehn Regionalkonferenzen für das Amt des SPD-Landesvorsitzenden. Mit dem erst 2002 in die SPD eingetretenen Lies, der ein Diplom als Ingenieur der Elektrotechnik besitzt, will die Partei den politischen Richtungswechsel in Niedersachsen in die Wege leiten.

Die Landtagsabgeordnete Petra Tiemann schätzt ihren Parteigenossen und zukünftigen Chef. "Olaf Lies kann offensiv auf die Menschen zugehen und sie für sich gewinnen, das hat er des Öfteren bewiesen", sagt die in Kutenholz wohnende SPD-Politikerin. Auch das nötige strategische Denken und ein gewisser Esprit seien bei dem Nordlicht zugegen. "Ich bin mir sicher, dass die Partei mit Lies an der Spitze mehr Profil gewinnen wird, mehr Dynamik, mehr Innovation und auch mehr Kraft an den Tag legen wird", so Tiemann.

Dass die Sozialdemokraten eine Veränderung brauchen, darüber war sich nicht nur die SPD-Landtagsfraktion, sondern vor allem die niedersächsische Parteibasis einig. Die Wahlniederlagen der vergangenen Jahre auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene hatten gezeigt, das ein deutlicher politischer und personeller Richtungswechsel herbeigeführt werden muss, um die SPD wieder grundlegend zu stärken und sich für Wahlen besser positionieren zu können. Mit Olaf Lies, so die Überzeugung vieler Genossen, werde Ministerpräsident Christian Wulff in Hannover deutlich mehr Gegenwind als zuletzt spüren.

Organisatorisch läuft bei dem Landesparteitag im Stadeum bisher alles nach Plan. 200 SPD-Mitglieder werden als Delegierte zu dem Parteitag in der Hansestadt erwartet. Für das Teams des Stadeums ist es beinahe eine Veranstaltung wie jede andere: Das Veranstaltungshaus, in dem auch schon Bundeskanzlerin Angela Merkel gastierte, ist prominenzerprobt. Besondere Sicherheitsmaßnahmen wie Schutzzonen und zusätzliche Polizeipräsenz seien, so das Stadeum und die Landes-SPD, nicht geplant, trotz der namhaften Liste an SPD-Politikern, die sich zu dem ordentlichen Parteitag angekündigt haben. Nur für einzelne Politiker werden vermutlich Bodyguards vor Ort sein. Ansonsten üben sich alle in einem normalen Prozedere, der Parteitag werde wie jede andere Tagung auch verlaufen.

Der prominenteste Gast in Stade wird zweifelsohne der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel sein. Gabriel, ehemals niedersächsischer Ministerpräsident und Bundesumweltminister, braucht für seine Neuausrichtung der Bundespolitik weiter Rückendeckung von der Basis und will deshalb als Hauptredner seine Genossen in Stade auf den politischen Richtungswechsel einstimmen.

Auch von Lies, der nach eigener Aussage die Parteibasis und auch andere interessierte Bürger künftig stärker in die politischen Debatten und Prozesse einbinden will, wird eine kämpferische Rede erwartet: Sie soll den Grundtenor für die nächste Wahl liefern. Neben Lies und Gabriel werden zudem auch bekannte SPD-Gesichter wie Hubertus Heil, Garrelt Duin, Wolfgang Jüttner und Petra Tiemann zu dem Parteitag erwartet.

"Es wird keine Überraschungen in Stade geben, das Programm wird wohl relativ Zügig abgearbeitet", sagt Heino Baumgarten vom SPD-Bezirk Nord-Niedersachsen. Er und seine Bezirksgenossen erwarten - trotz des eindeutigen Votums für Lies im Vorfeld des Parteitags - dennoch eine Aufbruchstimmung im Stader Konferenzzentrum Stadeum. "Ein deutliches Wiedererstarken ist zu spüren", sagt auch Tiemann.

Die Themenfelder Landespolitik, Kommunal- und Organisationspolitik werden bei den Genossen während der Tagung am Sonnabend im Mittelpunkt des Interesses stehen. Vor allem in der Landespolitik will die SPD ihr Profil deutlich schärfen. Diese Aufgabe wird aber aller Voraussicht nach ein langwieriger Prozess werden. Auch die Frage, ob sich die Parteibasis, so wie gedacht, stärker in die Arbeit einbinden lässt und damit die Landespolitik bürgernäher wird, bleibt abzuwarten.

"Die Basis kann natürlich nur mitgenommen werden, wenn sie es selber auch will", sagt Tiemann. Daher könne auch keine Prognose darüber abgegeben werden, ob das angekündigte Konzept letztlich funktionieren werde. Es sei aber zumindest, so Tiemann, ein ambitionierter Plan, der, wenn er funktioniert, der Partei nur gut tun könne.

Stades Bürgermeister Andreas Rieckhof soll am Sonnabend übrigens, so Baumgarten, für weitere zwei Jahre in das Amt eines Beisitzers in den niedersächsischen SPD-Landesvorstand gewählt werden. Damit wird das Personalkarussell in der SPD nicht abgeschlossen sein: Es gilt als offenes Geheimnis, dass nach der Wahl zum Landesvorsitz von den Genossen auch ein neuer Fraktionsvorsitzender für den Landtag in Hannover gewählt wird.