Gewählt wird 2008 - aber Jüttner hat seinen Vorwahlkampf schon begonnen. Tatsächlich kennen ihn nur 57 Prozent der Niedersachsen.

Hannover. Er ist spät dran, entsprechend eilig hat er es auch: Wolfgang Jüttner tut mit 58 Jahren den Schritt aus der zweiten Reihe der niedersächsischen Landespolitik, tritt an als Kandidat der SPD für das Amt des Ministerpräsidenten in Niedersachsen. Gewählt wird erst Anfang 2008, aber aus SPD-Sicht hat mit der Nominierung vor wenigen Tagen bereits der "Vorwahlkampf" begonnen, inklusive erster Plakate und eines etwas sperrigen Slogans: "Niedersachsengerechter" soll es zugehen, falls der CDU-Mann Christian Wulff abgewählt wird.

Danach aber sieht es derzeit nicht aus: CDU und FDP, die in Hannover gemeinsam regieren, liegen in aktuellen Umfragen mit 48 Prozent vor SPD und Grünen, die gemeinsam auf 45 Prozent kommen. Deutlicher ist der Unterschied beim direkten Vergleich der beiden Frontmänner. Bei einer Direktwahl würden sich 66 Prozent für Wulff und nur 21 Prozent für Jüttner entscheiden. Nur 57 Prozent der Niedersachsen kennen Jüttner, Wulff bringt es auf 94 Prozent. So gesehen macht der frühe Start der SPD in den Vorwahlkampf Sinn. Jüttner setzt dabei auf klassische SPD-Themen: Soziales, Bildungschancen, Arbeitplätze.

Im neu formulierten Lebenslauf wird passend dazu großer Wert gelegt auf die "kleinen Verhältnisse", aus denen der sozialdemokratische Kandidat kommt. Der Vater Eisenbahner, die Mutter Kassiererin im Lebensmittelmarkt, kein eigenes Kinderzimmer. Aber Gymnasium, Abitur und einigermaßen überraschend für einen ausgewiesenen und bekennenden Linken in der SPD: drei Jahre Bundeswehr. Der Lebenslauf entschuldigt, es sei darum gegangen, die Eltern finanziell zu entlasten: "Eine notwendige, aber ohne Begeisterung absolvierte Pflichtübung." Diese Kommentierung ist typisch Jüttner, der Mann ist stark vor allem in der Defensive, beim Aufspüren von Problemen und Fallen.

Er studierte Soziologie und Germanistik, wurde Lehrer, bekam keine Stelle, machte Bildungsarbeit für Betriebsräte. In der Rückschau sind dies nun "sehr lehrreiche Blicke in die Wirklichkeit der betrieblichen Arbeitswelt". Die braucht er auch, denn seit 20 Jahren ist er Landtagsabgeordneter, von 1998 bis 2003 war er zudem Umweltminister des Landes Niedersachsen.

Mit dem hohen Alter und der langen Politikerkarriere geht die Partei offensiv um, preist Jüttner als "den erfahrensten Landespolitiker Niedersachsens".

Aber er ist nicht der Mutigste: Jüttner, Vorsitzender des mächtigen Bezirks Hannover und in der Landespartei verankert wie kein Zweiter, hätte 1998 dem Fraktionschef Sigmar Gabriel die Nachfolge von Gerhard Glogowski als Ministerpräsident streitig machen können, wagte aber die chancenreiche Kampfabstimmung nicht.

Den Analytiker Jüttner muss die vertane Chance gewurmt haben - er versucht die Fehlentscheidung nachträglich zu korrigieren. Das Plakat des Vorwahlkämpfers zeigt durchaus realistisch einen freundlichen Mann. Seine Kompetenz ist unbestritten, seine Fähigkeit zur notwendigen Polarisierung als Kontrast zum jüngeren und geübten Selbstdarsteller Wulff aber ist gering - Jüttner hat keine Veranlagung zum Volkstribun.

Da ist dem erst 38-jährigen Landeschef Garrelt Duin mehr zuzutrauen. Weshalb der wohl in letzter Minute vor dem Listenparteitag im Frühsommer kommenden Jahres ankündigen wird, dass er als Schattenwirtschaftsminister im Team Jüttner auch für den Landtag kandidiert. Geht die Wahl verloren, wird Duin die Führung der Landtagsfraktion übernehmen, Spitzenkandidat 2013 mit der Chance eines zweiten Anlaufs auch 2018. Für Jüttner dagegen gilt: jetzt oder nie.