Kampen (Sylt). Partygäste, die „Ausländer raus“ riefen, waren kein Einzelfall. Nach Vorfall im Roten Kliff bittet Polizei Flensburg um Zeugenhinweise.
- Der Rassismus-Skandal im Pony Kampen auf Sylt war kein Einzelfall
- Nach Nazi-Parolen im Roten Kliff in Kampen sucht die Polizei Zeugen
- Schwarze Frau wurde beleidigt und körperlich attackiert
Sie sangen ausgelassen „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ und wippten dazu: Ein Video mit Partygästen im Nobelclub Pony auf Sylt erschüttert seit Donnerstag das Land. Inzwischen ist klar: Der Skandal ist offenbar kein Einzelfall. Auf der Insel soll es in Kampen zu Pfingsten zu weiteren rassistischen Vorfällen gekommen sein.
Sylt: Rassismus-Vorfall auch im Club Rotes Kliff – Polizei sucht Zeugen
So wurde im Club Rotes Kliff offenbar ebenfalls eine rassistische Parole gegrölt. Die Kriminalpolizei Flensburg sucht im Zusammenhang damit nun Zeugen und ermittelt wegen Volksverhetzung. Nach jetzigem Stand habe in der Nacht von Pfingstsonntag auf Pfingstmontag, zwischen 2 und 3 Uhr morgens, ein Mann in dem Nachtclub die Parole „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ gerufen. Mitarbeiter seien von Zeugen darauf hingewiesen worden und hätten den Mann des Lokals verwiesen. „Die Polizei erhielt erst zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis von dem Sachverhalt, sodass die Identität des Tatverdächtigen bislang nicht feststeht“, so Arne Hennig, Sprecher der Polizeidirektion Flensburg.
Nur wenig ist über den Verdächtigen bisher bekannt. Sehr vage heißt es in der Behördenmitteilung, dass der Mann „etwa 30 Jahre“ alt und zum Tatzeitpunkt „gut gekleidet“ gewesen sei. Die Polizei fragt: „Wer hat den Vorfall mitbekommen? Wer kann Hinweise zu der Identität des Tatverdächtigen geben?“ Zeugen werden gebeten, sich unter der Rufnummer 0461/484 - 0 mit der Polizei in Verbindung zu setzen.
Der Club hatte bereits im Vorfeld auf Instagram einen Rassismus-Vorfall eingeräumt. In einer offiziellen Pressemitteilung gehen die Betreiber des Clubs auf die Ereignisse ein. Darin wird erklärt, dass einer der Resident-DJs an besagtem Abend „einen 25 Jahre alten Partyklassiker“ gespielt hatte, den aus den Vorgängen im Pony Club Kampen bekannten Partyhit „L’amour toujours“ („I’ll fly with you“). „Nicht wissend, dass das Lied in Deutschland missbräuchlich zur Verbreitung diskriminierender und rassistischer Parolen verwendet wurde“, machen sie deutlich.
Als das Lied gespielt wurde, soll eine, dem Club „unbekannte, kleine Zahl an Gästen die rassistischen Parolen mitgesungen“ haben. Ein Gast soll den Club schließlich darauf aufmerksam gemacht haben. Dieser konnte jedoch nur eine Person identifizieren. Anschließend wurde der Beschuldigte laut Clubbetreiber umgehend des Etablissements verwiesen und ein „zeitlich unbegrenztes Hausverbot“ erteilt. Dies sei „erbärmlich und widerlich“, heißt es in einem auf Instagram abgegebenen Statement: „Wir distanzieren uns eindeutig und unmissverständlich von jeglicher Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.“
Sylt: Schwarze Frau soll rassistisch beleidigt und attackiert worden sein
Pfingsten soll es ebenfalls zu einem weiteren rassistischen Zwischenfall auf der Insel gekommen sein, bei dem eine schwarze Frau in der Nähe der Sturmhaube beleidigt und beim Filmen körperlich attackiert worden sein soll. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei Flensburg soll die 29-jährige Frau am Pfingstsonntag gegen 23:45 Uhr auf der Straße zunächst fremdenfeindlich beleidigt und dann auch angegriffen worden sein.
Dabei wurde sie leicht verletzt. Die Polizei ermittelt wegen Volksverhetzung, Körperverletzung und Sachbeschädigung. Der frühere linke Bundestagsabgeordnete Niema Movassat verbreitete auf der Plattform X ein Video, das den Angriff zeigen soll.
Auch in der Gosch-Kneipe in Westerland hat es am gestrigen Sonntag einen Vorfall gegeben, bei dem ein Mann fremdenfeindliche Parolen gerufen hat. Die Polizei hat ein Strafverfahren eingeleitet, und der Staatsschutz ermittelt.
„Wir sind fassungslos“: Café in Westerland positioniert sich gegen rechts
Andere Gastronomen zeigen sich aufgrund der Ereignisse entsetzt. Die Sylter Schokoladenmanufaktur Café Wien hatte zwar keine derartigen Vorkommnisse mit Gästen, zog aber in einem Beitrag, via Facebook Stellung zu dem Vorfall an der Pony Bar. Die Gastronomie auf der Nordseeinsel will „ein klares Zeichen setzen“, sagte Tania Langmaack (57), Inhaberin der beliebten Konditorei in Westerland, im Gespräch mit dem Abendblatt. „Wir sind alle entsetzt und fassungslos“, ergänzt ihre Tochter Janna Langmaack (26), auch im Namen der Belegschaft.
Die Restaurantleiterin des Café Wien habe das mutmaßliche Video, in dem die schwarze Frau angegriffen wurde, noch nicht gesehen. Auf Abendblatt-Nachfrage gilt ihre Solidarität trotzdem der Frau aus dem Video: „Ich hoffe, dass wir solche Gäste nie verlieren. Das sind nämlich die Gäste, für die wir morgens aufstehen und für die wir gerne zur Arbeit gehen.“
„Das muss ein Weckruf sein“: Restaurantleiterin auf Sylt appelliert, für bunte Zukunft zu wählen
Anders verhält es sich mit den grölenden Menschen auf den Videos aus der Pony Bar oder mit dem Übergriff auf die 29-Jährige. Sie könne nicht verstehen, wie man so mit seinen Mitmenschen umgehen könne. „Dafür wollen wir nicht stehen. Wir sind schon 56 Jahre ein kunterbunter Laden, und ohne Ausländer geht hier gar nichts“, so Janna Langmaack.
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Sie hofft, dass der deutschlandweite Aufschrei vor allem für junge Leute – wie sie auch in dem Video zu sehen sind – ein Weckruf ist: „Schließlich möchten wir doch eine bunte Zukunft, keine braune“, so die 26-Jährige. Deshalb appelliert sie an alle Erstwähler, ihren Stimmen bei der Europawahl Ausdruck zu verleihen.