Westerland. Die Deutsche Bahn erneuert Gleise und Weichen auf der Marschbahnstrecke. Mit dem Ersatzverkehr lief nicht alles glatt.

Für Pendler und Reisende ist es der Extremfall: Seit Montagabend geht auf dem Bahnhof Westerland auf Sylt nichts mehr. Wo sonst von morgens früh bis in die Nacht reger Verkehr herrscht, ist alles wie ausgestorben. Die Bahnsteige liegen verlassen, auch in die Bahnhofshalle verirrt sich kaum jemand.

Statt Lokführern und Zugpersonal sind Bauarbeiter in orangefarbenen Schutzanzügen auf dem Bahnhofsgelände im Einsatz. Wer aufs Festland will, muss erst mal mit dem Bus nach Keitum. Erst von dort fahren die Personenzüge von der Insel Richtung Klanxbüll. Drei Tage lang steht der Bahnverkehr in Westerland komplett still.

Sylt: 40 Jahre alte Gleise am Bahnhof Westerland erneuert

Am Dienstagmorgen geht Bauüberwacher Ralf Schwarz über den Bahnsteig von Gleis 2. "Hier werden Gleise auf einem Verbindungsstück zwischen zwei Weichen erneuert", erklärt der 57-Jährige und zeigt auf einen Güterwaggon auf dem Nebengleis, auf dem alte Holzschwellen zum Abtransport gestapelt sind. Die Gleisanlage stammt aus dem Jahr 1976. "Die Holzschwellen werden ausgebaut, dafür neue Schwellen aus Beton eingesetzt und der Schotter erneuert", sagt Schwarz. Insgesamt sollen in den nächsten Tagen knapp 300 neue Schwellen auf einer Länge von 174 Metern verbaut werden.

Bauüberwacher Ralf Schwarz koordiniert die Gleichbauarbeiten am Bahnhof Westerland für die Deutsche Bahn.
Bauüberwacher Ralf Schwarz koordiniert die Gleichbauarbeiten am Bahnhof Westerland für die Deutsche Bahn. © Hanna-Lotte Mikuteit

Es gibt noch eine zweite Baustelle auf dem Bahnhofsgelände. Mit schnellen Schritten steuert der Bauüberwacher einer Reinbeker Firma, die im Auftrag der Deutschen Bahn die Arbeiten an der Marschbahnstrecke koordiniert, auf schweres Baugerät außerhalb der Bahnsteige zu. Auch hier sind Arbeiter dabei, Gleise auszutauschen und neue Weichen einzubauen. "Das sind Vorbereitungsarbeiten für das elektronische Stellwerk im Bahnhof Westerland", sagt Ralf Schwarz.

Die Umstellung des Stellwerkbetriebs soll die Abläufe auf der stark befahrenen Marschbahnstrecke schneller und weniger störanfällig machen. Die Fertigstellung ist für Ende 2023 geplant. "Um die Einschränkungen für die Kunden möglichst gering zu halten, wurden die Arbeiten zusammengelegt", sagt Ralf Schwarz. 20 Bauarbeiter sind nur im Bahnhof Westerland rund um die Uhr im Einsatz. "Wir sind im Zeitplan", sagt der Bauüberwacher.

Es ist nicht nicht erste Sperrung der Marschbahnstrecke, auf die sich Reisende in den vergangenen Monaten einstellen mussten. Im Rahmen der Modernisierung der Trasse werden nach und nach Gleise und Weichen erneuert. 140 Millionen Euro lässt sich die Deutsche Bahn die Investitionsoffensive kosten, die seit 2018 läuft und bis zum nächsten Jahr abgeschlossen werden soll. Mit weiteren 20 Millionen Euro werden Bahnübergänge, die Signaltechnik sowie Brücken modernisiert.

Bauarbeiter statt Reisende: Auf dem Bahnhof Westerland wird der Anschluss an das elektronische Stellwerk vorbereitet.
Bauarbeiter statt Reisende: Auf dem Bahnhof Westerland wird der Anschluss an das elektronische Stellwerk vorbereitet. © Hanna-Lotte Mikuteit

Zugverkehr bis Freitagmorgen eingeschränkt

Aktuell ist auf dem Festland der Abschnitt zwischen Niebüll und Klanxbüll wegen Gleisbauarbeiten gesperrt, auf Sylt sind es die Gleise zwischen Keitum und Westerland. Die Sperrung gilt bis zum Freitag um 2 Uhr. Die Bahn hat den Betrieb der Autozüge komplett eingestellt. Wer mit dem Auto auf die Insel will oder muss, kann auf die Fährverbindung vom dänischen Rømø ausweichen.

Die Personenzüge werden auf beiden Abschnitten durch Busse ersetzt. Zwischen Klanxbüll und Keitum pendelt nur ein Regionalzug pro Stunde hin und her. An beiden Bahnhöfen halten die Kommunen mit der DB während der Bauzeit zusätzliche Parkplätze für Pendler und Urlauber vor.

Reisende am Bahnhof stehen gelassen

Die Folgen bekamen am Dienstagmorgen die Pendler zu spüren, die vom letzten Festlandsbahnhof Klanxbüll auf die Insel wollten. Der Bahnsteig des kleinen Bahnhofs war übervoll, als um 6.38 Uhr der Zug einfuhr. "Wir haben alle heute Morgen gemerkt, dass um diese Uhrzeit nur ein Zug mit zehn Wagen anstatt drei Züge mit jeweils zwölf Wagen eingesetzt wird", sagt der Sprecher der Pendlerinitiative Achim Bonnichsen, der selbst jeden Tag vom Festland zu seinem Betrieb in Morsum pendelt. Die Folge: Der Andrang war so groß, dass nicht alle Passagiere mitkamen.

Riesenandrang auf dem Bahnhof in Klanxbüll am Dienstagmorgen. Nicht alle Pendler bekamen Platz in dem Zug um 6.38 Uhr.
Riesenandrang auf dem Bahnhof in Klanxbüll am Dienstagmorgen. Nicht alle Pendler bekamen Platz in dem Zug um 6.38 Uhr. © Achim Bonnichsen

Im Laufe des Vormittags normalisierte sich die Lage. Nach Angaben einer Bahnsprecherin waren bis Dienstagnachmittag keine Störungsmeldungen für den Streckenabschnitt eingegangen. Laut Bonnichsen gab es allerdings weitere ärgerliche Situationen. Unter anderem hatten nach einer zweiminütigen Verspätung der Regionalbahn aus Hamburg-Altona um 8.05 Uhr die Pendelbusse nicht gewartet und waren ohne die Fahrgäste abgefahren. Sie mussten eine Stunde auf den nächsten Schienenersatzvervehr warten.

Pendlersprecher fordert Reiselenker

"Um solche Situationen zu verhindern, sollten Reiselenker eingesetzt werden, die den Kontakt zwischen Bahn und Busbetrieb herstellen", sagt der Pendler-Experte. Klar ist: In Klanxbüll und in Keitum dürfte es in den nächsten Tage immer wieder zu Engpässen kommen. "Die meisten Probleme gibt es immer am ersten und am letzten Tag der Sperrung", sagt Bonnichsen. In diesem Fall ist das der kommende Freitag.

In Westerland ist es dagegen sehr ruhig rund um den Bahnhof. Auf dem Parkplatz stehen mehrere Pendelbusse. "Wir sind in Spitzenzeiten mit zehn Bussen im Einsatz", sagt Torsten Hillje von der Sylter Verkehrsgesellschaft, die den Schienenersatzverkehr auf der Insel fährt. Am Dienstag morgen ist der Andrang in Westerland überschaubar. Gerade ist wieder ein Bus abgefahren. "Der war mit 20 Passagieren nicht mal voll besetzt", sagt Hillje.

Sylt: Bahnhofslokal für drei Tage geschlossen

Ein Stück weiter vor dem Bahnhofsgebäude warten einige Taxen. "Die Leute haben sich darauf eingestellt, dass hier keine Züge fahren", sagt ein Taxi-Fahrer. "Es ist nicht viel los." Auch das Bahnhofslokal Entrée ist bis Freitagmorgen geschlossen. "Das lohnt sich nicht, wenn keine Züge fahren", sagt Geschäftsführer Stefan Köster. Nur der Kiosk auf dem Bahnsteig ist geöffnet.

"Für uns ist das eine Katastrophe", sagt der Gastronom. Inzwischen sei es das dritte Mal, dass die Bauarbeiten zu Verdienstausfällen in seinem Betrieb führten. "Die Pacht müssen wir trotzdem weiterzahlen", schimpft er. Wahrscheinlich ist es nicht das letzte Mal. Denn inzwischen läuft die Planung für den zweigleisigen Ausbau der Marschbahnstrecke.