Westerland. Bjørn Dunkerbeck hält den Geschwindigkeitsweltrekord im Windsurfen, doch das reicht ihm nicht. Nun ist er zu Gast auf Sylt.
Der Begriff sollte behutsam benutzt werden. Aber Bjørn Dunkerbeck ist definitiv eine Legende im Windsurfen. 42 Weltmeistertitel sammelte der heute 53-Jährige in verschiedenen Disziplinen bis zu seinem Rückzug vom Profisport 2014. Mehr als 100 Siege gelangen ihm im Windsurf World Cup, der in diesen Tagen wieder Station auf Sylt macht. Doch trotz neuer Hüfte denkt der Däne, der auf Gran Canaria aufwuchs, noch immer in Extremen und versucht Jahr für Jahr neue Geschwindigkeits-Weltrekorde aufzustellen. 2023 erscheint außerdem ein Dokumentarfilm über sein Leben.
Herr Dunkerbeck, in der 40-minütigen Voraufführung des Dokumentarfilms „Björn Dunckerbeck – born to windsurf“ , der im Frühjahr 2023 auch in Hamburg Premiere feiern soll, war in einem Westerländer Kino zu sehen, wie Sie mit mehr als 100 km/h auf dem Surfboard über das Wasser brettern. Bei allem Respekt: Sind Sie verrückt?
Bjørn Dunkerbeck: Ja, das stimmt schon. (lacht)
Wie kommt man auf die Idee, auf einem künstlich angelegten Kanal in Namibia mit dem Surfbrett auf Weltrekordjagd zu gehen?
Dunkerbeck: Die Jagd nach dem Speed war immer ein Thema. Früher haben wir diese Wettbewerbe dem offenen Meer in Strandnähe und mit ablandigem Wind durchgeführt, auf Fuerteventura, in Südfrankreich oder vor Tarifa in Südspanien, wo ich 1992 das erste Mal die 80-km/h-Marke über 500 Meter überschreiten konnte. Dann gab es den ersten Kanal in Frankreich, und es wurde immer schneller. Als wir in Walvis Bay in Namibia testeten, wurde uns von Lüderitz weiter südlich erzählt. Der Wind dort ist sehr stabil und stark. Vor zehn Jahren haben wir dann dort den Kanal gebaut – und jedes Jahr wurde es seitdem immer noch ein bisschen schneller.
Sie haben im November 2021 die magische Grenze von 100 km/h geknackt und die neue Bestmarke gleich auf 103,68 km/h geschraubt. Wo ist denn die Grenze, auch für den Körper? Sind selbst 60 Knoten, das wären 111,12 km/h, keine Utopie?
Dunkerbeck: Also, ich hatte jetzt nicht das Gefühl, dass die 103,68 km/h schwieriger waren als die alte Bestmarke von 99 km/h davor. Das Material wird stetig besser, außerdem machen wir Jahr für Jahr wertvolle Erfahrungen, die dann in die Vorbereitung für das nächste Jahr einfließen können.
Sie haben vor dreieinhalb Jahren eine neue, künstliche Hüfte bekommen. Auch wenn Sie viel Muskelmasse haben, die das Gelenk schützt…
Dunkerbeck: ...die ist auf jeden Fall viel besser als die vergangenen Jahre davor...
…aber Sie denken gar nicht daran, dass etwas passieren könnte?
Dunkerbeck: Ich merke schon bei härteren Impacts (Schlag, Aufprall, d. Red.), dass es hier (klopft auf die Hüfte) ein bisschen härter ist. Aber was die Beweglichkeit betrifft, ist alle gut. Es ist für mich schon ein kleines medizinisches Wunder, dass ich dieses Art von Sport noch ausüben kann. Viele Sportler haben schon eine Operation hinter sich oder sogar zwei neue Hüftgelenke. Ein Wundsurfer im Alter von 30 Jahren hat schon so viele Impacts erlebt wie sonst ein Mensch in 500 Jahren.
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In dem Film sagen Sie, man bräuchte mindestens ein Körpergewicht von 100 Kilo im Kanal. Warum?
Dunkerbeck: Genau, um die 100-km/h-Schallmauer zu erreichen, ja. Du benötigst dieses hohe Eigengewicht zum Stabilisieren. Mit 85 Kilo bist du da noch ein Leichtgewicht.
Wie viel wiegt Ihr Sohn Liam, den Sie auch 2021 in Namibia dabei hatten?
Dunkerbeck: 70 Kilo. Er hat mit 17 Jahren schon die 80-km/h-Marke überschritten und ist die schnellste Zeit unter 18 Jahren gefahren.
Einmal ist er auch schwer gestürzt.
Dunkerbeck: Da hat er gemerkt: Oha, das ist doch nicht ungefährlich. Wenn du fliegst, rollst du über das Wasser wie ein Schneeball.
Angesichts des Risikos, das Sie eingehen: Was ist für Sie der Reiz an dieser Jagd nach maximaler Geschwindigkeit?
Dunkerbeck: Der Thrill ist, immer schneller surfen zu können, jedes Jahr mit den genannten Materialverbesserungen, mit dem Segel, der Finne, die Schallmauer ein bisschen höher zu puschen. Auch schon bei weniger Wind richtig schnell zu surfen. In dieser Disziplin kann ich auch noch im höheren Alter auf einem Toplevel teilnehmen. Du brauchst viel Erfahrung, die Revierkenntnisse im Kanal, du musst wissen, welches Board und welches Segel du bei bestimmten Bedingungen einsetzt.
In dieser Woche sind Sie mit Liam auf Sylt. Als sein Coach?
Dunkerbeck: Richtig. Ich bin einerseits für die Fans und auch die Medienarbeit hier. Alle sind froh, das Sylt wieder stattfinden kann, das ist schon ein sehr wichtiges Event für den Windsurf World Cup, alleine schon durch die lange Historie von 37 Jahren. Ich war selbst 1985 das erste Mal als Jugendlicher dabei. Aber natürlich kümmere mich auch um den Junior. Mal schauen. Wenn er ganz gut surft, könnte er auch unter die Top fünf reinsurfen wie zuletzt auf Gran Canaria und sogar in die Top Ten der Weltrangliste reinrutschen. In Klitmøller in Dänemark ist er in der vergangenen Woche U-20-Weltmeister geworden. Seine Form ist also gut.
Wie ist Ihr Vater-Sohn-Arbeitsverhältnis?
Dunkerbeck: Manchmal hört er auf mich, manchmal nicht (lacht). Es gehört dazu, aus den Fehlern zu lernen. Vor einigen Wochen flogen wir zu einem Event auf den Fidschi-Inseln. Ich war als Legende eingeladen und durfte teilnehmen. Zufällig landete ich im gleichen Heat wie Liam. Ich habe ihm noch Tipps gegeben, wie er die fünf, sechs Meter hohen Wellen nehmen soll. Ja, ja, Papi, hat er nur gesagt. Und was ist passiert? Mit der zweiten Welle hat es ihn erwischt, weg war sein Material. Und ich habe mich für die nächste Runde qualifiziert. So habe ich den Junior noch mal schlagen können im gleichen Wave-Event. Für mich war das natürlich schön. Für ihn eher ärgerlich.
Was passiert nach den Tagen in Sylt? Geht es wieder nach Namibia?
Dunkerbeck: Ja, die ersten drei Novemberwochen werden wir wieder dort verbringen. Das nächste, große Ziel für uns Windsurfer lautet, die 100 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit auf Länge von 500 Meter zu erzielen. 250 Meter habe ich schon geschafft. Die Vorbereitungen beginnen aber schon einen Monat früher. Der Kanal muss perfekt präpariert sein, damit er schön gerade und tief genug ist. Eine Pumpe sorgt beispielsweise für die nötige Wasserhöhe. Alles sehr aufwendig, um für perfekte Bedingungen zu sorgen. Aber um 100 km/h zu erreichen, muss eben alles perfekt sein. Die Schwierigkeit dabei ist der Start. Du musst gleich mit Vollgas loskommen, weil wir den Startbereich nicht verlängern können. Von Null auf Vollspeed in sechs, sieben Sekunden auf einem sehr, sehr schmalen Brett mit eine Breite von 40 Zentimeter, so lautet die Aufgabe für uns.
Sage ich ja. Sie sind verrückt.