Westerland. Immer mehr Insulaner verkaufen erfolgreich das Trendgetränk – auch ein Ex-Marketingchef des HSV. Drei Erfolgsgeschichten.

In den Shops entlang der Strände, den Supermärkten, den Hotelbars oder Kneipen von Sylt wird eines schnell klar: Gins von der Insel haben Hochkonjunktur. Immer mehr Produkte drängen auf den Markt. Drei Unternehmen erzählen ihr Erfolgsgeschichte, darunter ist auch einer, der früher für Uwe Seeler beim HSV gearbeitet hat.

Los geht's mit Trii Gin. Die gebürtigen Westerländer Philipp Jacobsen (35), Melf Lange (38) und Ralf Schultz (62) machten das, was Kartenbrüder und Angler eben so machen, wenn sie eine Abwechslung suchen: Sie bestellten ein Probierpaket Gin und legten am Küchentisch los. Und einige Jahre später gewannen sie bei den internationalen Gin Masters 2021 in London in einer Blindverkostung mit 35 Juroren in der Kategorie „London Dry Gin“. 96 Punkte, Platz eins – dafür gab es eine Master-Medaille von „The Spirits Business“.

Schon 2010 erwachte bei den drei Freunden die Leidenschaft für Hochprozentiges. Sie kauften sich eine kleine Destille, Wodka, Wacholderbeeren und fingen an zu brennen – und zu tüfteln. „Das war wirklich aufwendig, wir mussten ja immer zwei, drei Wochen warten, bis die jeweiligen Rezepturen probierbereit waren“, sagt Philipp Jacobsen, der hauptberuflich eine Malerfirma betreibt. Einige Jahre blieb so das Brennen eher ein Hobby.

Sylt: Trii Gin gewann auf Anhieb den ersten Preis

Eigentlich hatte Jacobsen nur das Ziel, ein paar Flaschen abfüllen, um seinen Kunden Gin zu verschenken. Doch als ihnen das Ergebnis ihrer Versuche so gut gefiel, bastelten sie an einem Business-Plan. „Wir merkten schnell, wie viel Arbeit es macht, so ein Produkt auf den Markt zu bringen“, sagt Lange. "Trii" (friesisch: drei) steht natürlich für die drei Freunde. Produziert wird die Spirituose in der nördlichsten Destille Deutschlands.. Die Bewerbung beim Wettbewerb in London, kurz nach Fertigstellung ihres Gins 2021, sei auf Empfehlung erfolgt von einem begeisterten Kunden.

Der Vertrieb gestaltete sich einfach Als großer Vorteil entpuppte sich die gute Vernetzung auf der Insel. So konnten Schultz, der in den vergangenen Jahren als Immobilienmakler arbeitete, wie auch Lange (im Beruf Haustechniker) und Jacobsen dafür sorgen, dass ihr Gin an vielen Orten der Insel zu bekommen ist, vom ländlichen Hansenhof in Morsum bis zum „Gogärtchen“.

Gin-Macher auf Sylt träumen vom Wachstum

Angesichts der positiven Resonanz ist ein schnelles Wachstum wahrscheinlich. Bei Rewe sind die drei Sylter inzwischen gelistet. Die Trii-Gin-Macher sind außerdem im Gespräch mit ausgewählten Märkten in Hamburg und Umgebung. In der Rindermarkthalle stehen die Flaschen schon im Regal. Mit einem Vorlauf von zwei, drei Monaten könnten wir auch die Stückzahlen deutlich fünfstellig pro Charge erhöhen“, sagt Schultz. Das einzige, aber zu lösende Problem sei die Beschaffung von Glas: „Das ist knapp.“

Ihr Tipp für den Verzehr (42 Prozent Alkoholgehalt, 15 Botanicals): Einfach Zitronensaft, Rohrzuckersirup und Soda dazugeben. 50 Cent pro verkaufter Flasche (500 ml für 36,99 Euro (UVP), 100 ml 16,99 Euro) mit dem friesenblauen Design gehen an ein gemeinnütziges Projekt. Pro Charge gibt eines eine Patin oder einen Paten, die oder der bestimmen darf, wohin das Geld fließt. („www.trii-gin.com“)

Ex-HSV-Marketingchef erfand die Marke „SOS – SPIRIT of SYLT

Weiter geht's mit „SOS – SPIRIT of SYLT“. Wer an der Westerländer Promenade gleich hinter dem Eingang Friedrichstraße am France Shop vorbeischlendert, dem müssen unweigerlich die großzügig im Schaufenster platzierten Gin-und Wodkaflaschen der Marke auffallen. An den Seiten hängen T-Shirts, Sweatshirts und andere Lifestyle-Produkte mit dem gleichen Logo. Das Design gestaltet hat ein früherer Marketingchef des HSV – André M. Klöpper arbeitete in den 90-ern sechs Jahre für die früheren Präsidenten Jürgen Hunke, Ronald Wulff und Uwe Seeler.

„Alles entwickelte sich aus einer Schnapsidee“, gibt Klöppers Frau Nicole lachend zu, die mit ihrem Mann vor 14 Jahren auf die Insel kam. An einem lausig-kalten Wintertag mit einem Wodka-Tasting war die Idee geboren, eine milde Spirituose zu entwickeln, die ungekühlt getrunken werden kann, ohne sich danach schütteln zu müssen. 2012 gingen sie erst mit dem Wodka an den Start. „Damals gab es den Gin-Hype noch nicht so.“ Doch als die Familie Klöpper 2013 auch einen Gin herausbrachte, überholte dieser schnell den Wodka (zweimal international ausgezeichnet) bei den Verkaufszahlen.

Klar, die Produkte zielen auch auf Touristen, die ein Sylt-Souvenir suchen. Aber mit hohem Qualitätsanspruch: „Wir haben sehr viel Herzblut reingesteckt in die Entwicklung“, sagt Nicole Klöpper, „mit unzähligen Blindverkostungen und veränderten Rezepturen.“ Ihr Gin wird beim Familienunternehmen Heinz Eggert in Bad Bevensen (Niedersachsen) produziert.

Die Rezeptur der beiden Ginsorten bleibt natürlich geheim, im Premium Gin (41 Prozent Alkoholgehalt) fänden sich aber neben Wacholder auch Rosen-Essenzen und sei gut pur zu genießen. Der mit 45 Prozent Alkoholgehalt stärkere Black Label Gin eigne sich gut für Mischgetränke, sagt Nicole Klöpper.

Klöpper verfolgt immer noch interessiert den HSV, vor allem die Vereinspolitik

Und was ist mit einer Expansion des Geschäfts? „Wir hatten einmal eine Anfrage von Galeria Kaufhof, das Festland ist angesichts unseres kleinen Unternehmens allerdings nicht unser Ziel“, sagt Nicole Klöpper. „Aber im Weinoutlet Hamburg in der Stresemannstraße gibt es unseren Gin und Wodka auch zu kaufen.“

Bleibt nur noch eine Frage offen: Verfolgt der Ex-Marketingchef noch den Weg des HSV? „Natürlich, wenn auch nicht mehr so im Detail", sagt André M. Klöpper, der nach seiner Zeit in Hamburg auch einige Jahre in Italien für Top-Clubs wie Inter Mailand, Lazio Rom, AS Rom und den AC Parma im Merchandisingbereich arbeitete. „Mich interessieren vor allem die vereinspolitischen Dinge und auch die Vorschläge von Klaus-Michael-Kühne.“ (www.spirit-of-sylt.com)

Alexander Schmidt, Sönke Becker und Christian Gehrke (vl.) mit ihren Coastberry-Gin.
Alexander Schmidt, Sönke Becker und Christian Gehrke (vl.) mit ihren Coastberry-Gin. © Alexander Laux

Sylt: Coastberry entstand aus Liebe zum Surfen

Last, but not least: Coastberry Gin. Vor 21 Jahren sind Sönke Becker (39) und Benjamin Redeleit (39) ihrer Leidenschaft gefolgt und nach Sylt gegangen. Dort haben sie ihren Zivildienst geleistet– und lernten die gebürtigen Sylter Christian Gehrke (38) und Alexander Schmidt (38) kennen. Becker gefiel es so gut auf der Insel, dass er dort blieb – Redeleit kehrte aufs Festland zurück, hat seine Agentur heute in Lüneburg. Doch die tiefe Freundschaft blieb, und das hatte Folgen.

Im Herbst 2019 fiel ihnen ein Gin-Baukasten in die Hände. 2020 kam es zur Firmengründung „Neptuns Söhne“. Seit Anfang 2022 gibt es ihren „Coastberry Gin“ (500 ml, 42 Prozent, 34,99 Euro). „Da steckt viel Freundschaft drin, und auch viel Beere“, sagt Becker, der bei „Meer Leben Surf“ Kindern und Familien hilft, schwere Lebenssituationen zu bewältigen.

Sylt: Bei diesem Gin liegt der Fokus auf den Beeren

Neun Botanicals lassen die vier Freunde verarbeiten von der nördlichsten Destille Deutschlands bei Flensburg (Becker: „Wir hatten 27 Durchläufe, zig Verkostungen“). Dabei ist Wacholder nicht prägend. „Der Fokus liegt auf den Beeren“, sagt Schmidt, der fest in der Surfszene Sylts verwurzelt ist. Ob Brombeere, Heidelbeere, Johannisbeeren – was die Küste hergibt, wird verwendet.

Die erste Abfüllung lag bei 300 Flaschen, anfangs gab es Coastberry Gin nur in den Edeka-Märkten von Gehrke in Westerland und Wennigstedt. Doch inzwischen sind sie bei der dritten Charge mit 1000 Flaschen angekommen – und das lässt Träume wachsen, auch wenn sie die Naturpapier-Etiketten derzeit noch selbst per Hand auf die Flaschen aus recyceltem Glas aufkleben.

„Wir wollen kein Gin nur für Sylt sein, sondern für jeden Ort, der Küste hat und vor allem für diejenigen, die sich einen Schluck von dort mit nach Hause nehmen wollen. Ein Stück Heimat und Küste in der Flasche“, ergänzt Schmidt. Deutschlandweit zu agieren, sei das Fernziel. Ihr Probiertipp: Himbeere, Blaubeere oder Brombeere mit Tonic und einem Spritzer Orange sevieren. Vier Prozent von jedem verkauften Gin gehen an nachhaltige und soziale Projekte. Denn umweltfreundlich, nachhaltig und regional zu sein, das haben sich die vier Freunde als Motto ausgesucht. Weitere Produkte sollen folgen. Aber auch gemeinsame Reisen. Die Freundschaft steht schließlich an erster Stelle. (www.neptuns-soehne.de)

Drei Jahre lang reift der Whisky in solchen Eichenholzfässern.
Drei Jahre lang reift der Whisky in solchen Eichenholzfässern. © Harald Bickel | Harald Bickel