Sylt. Martin Hoffmann und Wiebke Viereck sollen Leben retten. Doch manchmal sind sie auch “ein bisschen Ordnungsamt“.
Braungebrannt, sonnenbebrillt und in Baywatch-roter Rettungsschwimmerkleidung sitzen Martin Hoffmann und Wiebke Viereck in ihrer Hütte am FFK-Strand "Oase zur Sonne" im Süden von Westerland auf Sylt. Sie haben hier die Aufsicht – sind Lebensretter und "manchmal auch ein bisschen Ordnungsamt", wie sie berichten. Sechs Arbeitstage in der Woche von früh bis spät am Meer: etwas Besseres können sich die beiden kaum vorstellen.
Wie rund 40 weitere Rettungsschwimmer des Insel Sylt Tourismus-Service (ISTS) an 17 Standorten entlang der Sylter Westküste von Sansibar bis Nordseeklinik beobachten Hoffmann und Viereck täglich von 10 bis 17 das Geschehen am Nordseestrand. Ihr oberstes Anliegen ist es dabei, die Badesicherheit zu gewährleisten.
Auch vor Sylt hat die Nordsee ihre Tücken
"Meistens ist der Job ruhig, aber wir müssen dauerhaft aufpassen und wenn es zu einer Notsituation kommt, extrem schnell sein", erzählt der Meer-Verliebte Hoffmann. Auch seine Freizeit fristet er im kühlen Nass: beim Langstreckenschwimmen, Wasserball, Surfen, DLRG-Training in der Schwimmhalle Westerland und allmorgendlichen Ostseebad sowieso.
Am Stand sieht die Situation anders aus: "Jede Rettung, bei der wir selbst ins Wasser müssen, bringt uns in große Gefahr", sagt er. Erst im vergangenen Jahr ist ein Kollege in Wenningstedt bei einem dramatischen Rettungseinsatz ums Leben gekommen.
"Die Nordsee hat Tücken und auch nicht zu wenige", weiß der Rettungsschwimmer. Die Treckerströmung, die sich zwischen Sandbänken bilden kann oder Strömungen, die bei ungünstigem Wind zwischen Buhnen entstehen, seien typische Gefahrenquellen. Bei Ost-, also ablandigem Wind wiederum könne es aufblasbare Schwimmgeräte weit hinaus auf die See tragen, "und dabei kann das Meer vom Strand aus aussehen wie Badewanne", sagt Hoffmann.
Eine akute Notsituation hat er in dieser Saison glücklicherweise noch nicht durchstehen müssen, dafür ein paar kleinere Einsätze gehabt. Neulich habe sich etwa der Kite eines Wingsurfers in dessen Foil, einer Tragflügelkonstruktion unter dem Board, verheddert. Hoffmann sei in die Fluten gesprungen und habe dem Surfer geholfen. Einen Todesfall hat der Strandabschnitt 4.81 in diesem Jahr ebenfalls zu beklagen. Der ereignete sich aber außerhalb des Wassers, in den Dünen. Dort hat Stammgast einen Kreislaufzusammenbruch erlitten.
Hoffmann und Viereck sind Lebensretter, keine Spielverderber
Doch nicht allein Lebensrettungen beinhaltet das Aufgabenspektrum von Hoffmann und Viereck. Sie müssen etwa auch bei roter Beflaggung das Badeverbot durchsetzen oder Gassigänger bitten, statt dem FKK- einen Hundestrand aufzusuchen.
Auch das Drachensteigen ist auf Sylt nur an gekennzeichneten Flächen und zu bestimmten Uhrzeiten erlaubt. "Wenn die runterkommen, können das nämlich ganz schöne Geschosse sein", so Hoffmann. Allerdings: Ist der Strand leer, übersehen die beiden auch mal einen im Wind flatternden Drachen. "Wir sind ja keine Spielverderber. Wenn die Badesicherheit gewährleistet ist, machen wir natürlich Kompromisse."
Ähnlich verhält es sich mit dem Thema Sandburgen. Auf Sylt dürfen diese nämlich kurioserweise überhaupt nicht gebaut werden. Hoffmann und Viereck muss man nicht lange kennen, um zu wissen: Sie sind keine Menschen, die sich daran erfreuen, Kindern das Burgenbauen zu verbieten. "Eine direkte Anweisung dazu gibt es vom ISTS auch nicht", so Hoffmann. Das mag vielleicht nicht als Baugenehmigung betrachtet werden, als Duldung aber allemal.
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Hoffmann und Viereck sind ein eingespieltes Team und auch für kleine oder große Wehwehchen am Strand zu haben. Eingetretene Splitter, Sonnenstiche, verlorengegangene Kinder, Hyperventilation nach Trennung vom Freund – sie stehen den Badegästen bei allen erdenklichen Sorgen zur Seite. "Manchmal hören wir auch einfach nur zu", sagt Viereck. Zurück bekommen sie viel Wertschätzung von den Gästen, wie sie erzählen.
Rettungsschwimmer werden auf Sylt immer gesucht
Aber was macht so ein Rettungsschwimmer eigentlich außerhalb der Saison, zwischen September und Mai? Hoffmann ist in den vergangenen Wintern in seiner Heimat Berlin gewesen, wo er in der Forensik psychisch kranke Straftäter betreut, erzählt er. Gegensätzlicher könnten seine zwei Berufe wohl kaum sein. Nach der diesjährigen, seiner vierten Saison plane er aber, das Hauptstadtleben hinter sich zu lassen und im Winter die Welt zu bereisen. Seine Kollegin Wiebke Viereck ist den dritten Sommer im Stand am Strand – zumindest beruflich. Denn sie ist eine echte, gebürtige Sylterin. Schon ihr Vater arbeitete hier als Rettungsschwimmer.
Der ISTS, Arbeitgeber der beiden, suche beinahe ständig nach weiteren Rettungsschwimmern – am besten solchen, die auch die ganze Saison über vor Ort sein können. Voraussetzungen sind das silberne Rettungsschwimmer-Abzeichen, die Fähigkeit, 1000 Meter in unter 20 Minuten zu Schwimmen sowie das Bestehen einer jährlichen Brandungsprüfung. Im Gegenzug bietet der ISTS den Mitarbeitern Wohnungen auf der Insel, gratis Zugang zur Westerländer Schwimmhalle und einen der wohl schönsten Arbeitsorte der Welt.
Mehr als den Strand auf Sylt brauche es nicht, um glücklich zu sein
"Das ist wahrer Luxus, jeden Tag am Meer sein zu können. Man braucht doch eigentlich nicht viel, um glücklich zu sein", schwärmt Hoffmann. So sitzt er mit Kollegin Viereck am Strand, irgendwo zwischen Rantum und Westerland, mit sonnengebleichtem Haar und dem Fernglas immer griffbereit. Die beiden freuen sich daürber, keinen Handyempfang zu haben und trinken Tee der Sorte "italienische Zitrone" – "die Entdeckung des Sommers", wie Wiebke lachend sagt.
Wie viel Baywatch steckt also in den beiden? "Na ja, die rote Dienstkleidung haben wir schon mal gemeinsam", meint Hoffmann. "So viele Rettungen wie bei Baywatch finden im echten Leben aber natürlich nicht statt. Ich muss trotzdem sagen, ich habe einen wirklich schönen Job – und so habe ich das bei Baywatch auch immer gesehen."