Schleswig-Holstein. Der DLRG-Landesgeschäftsführer von Schleswig-Holstein übt harsche Kritik an Touristen und spricht von unheilvollem Trend.
- Sylt sammelt Spenden für Hinterbliebene des Rettungsschwimmers
- DLRG: Einige Badegäste gefährden auch die, die ihnen helfen wollen
- Urlauber aus ganz Deutschland bekunden ihr Beileid
Nach dem tragischen Tod des Rettungsschwimmers Mike N. vor Sylt kritisieren Vertreter der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) Uneinsichtigkeit und Leichtsinn einiger Badegäste. „Es ist leider ein Trend, den wir schon seit einigen Jahren beobachten“, sagt Thies Wolfhagen, der DLRG-Landesgeschäftsführer von Schleswig-Holstein. „Zu oft wollen Badegäste Verbote nicht akzeptieren und einfach nur ihren Spaß haben. Dabei vergessen sie dann, dass sie nicht nur sich selbst gefährden, sondern auch diejenigen, die ihnen helfen wollen.“
Wolfhagen drückt es drastisch aus: „Manche Badegäste betrachten Badeverbote offenbar als lockere Empfehlung und haben ansonsten eine Vollkasko-Mentalität, so nach dem Motto: ,Irgendjemand wird mich schon retten.“
Rettungsschwimmer vor Sylt ertrunken
Wie berichtet, war der Rettungsschwimmer Mike N. am vergangenen Donnerstag vor Wenningstedt bei dem Versuch ertrunken, eine Urlauberin (61) aus Hessen vor dem Ertrinken zu retten, die trotz Badeverbots ins Wasser gegangen war. Mike N. und ein weiterer Rettungsschwimmer versuchten, die Frau, die offenbar in eine gefährliche Unterströmung geraten war, auch mit Unterstützung anderer Badegäste an Land zu ziehen.
Dabei ertrank der 47-Jährige, während die Frau zunächst lebend gerettet wurde. Nachdem sie wiederbelebt worden war, starb die Urlauberin am vergangenen Freitag im Krankenhaus. „Das ist eine Tragödie, die uns sehr belastet“, sagt Thies Wolfhagen, „wir sehen uns alle als eine große Familie.“
Badegäste auf Sylt und Co unterschätzen Gefahr
Wolfhagen kann und will das Verhalten der jetzt ertrunkenen Urlauberin nicht kommentieren, wie er sagt, seine Kritik soll eher allgemein verstanden werden. Seine persönlichen Eindrücke und die Schilderungen anderer von diversen Stränden sind alarmierend: „Es ist leider immer häufiger so, dass Strandbesucherinnen und –besucher Badeverbote ignorieren und sogar auf persönliche Ansprachen unwillig und widerspenstig reagieren.“
Während einige schlicht die Gefahr unterschätzten, fühlten sich andere nach seinem Eindruck offenbar durch ein Badeverbot in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt. Wolfhagen schildert, dass im Jahr 2014 an verschiedenen Ostseestränden die Urlauber nach tagelangen Badeverboten zuletzt nur noch mithilfe der Polizei vom Gang ins Wasser abgehalten werden konnten. „Das sind doch unglaubliche Zustände“, so der DLRG-Mann.
Sylt: Urlauber noch risikobereiter
Nach den langen coronabedingten Lockdowns seien Freiheitsdrang und Risikobereitschaft mancher Badegäste noch ausgeprägter als sonst, berichtet Wolfhagen, das werde an den Stränden immer deutlicher. Die besondere Gefahr dabei: Viele Schwimmer hatten während der Schließung von Fitnesscentern und Schwimmbädern keine Trainingsmöglichkeiten und merken nicht, dass sie sich erst wieder in ihr gewohntes Pensum einfinden müssen.
„Schwimmen hat auch immer mit Kraft zu tun“, sagt Wolfhagen, „das wird oft vergessen.“ Wolfhagen warnt eindringlich davor, das Meer zu unterschätzen. „Im Handumdrehen können veränderte Witterungsbedingungen im Zusammenwirken mit den Gezeiten ein Gewässer verändern“, so der Fachmann. Deshalb sei es trügerisch, wenn Urlauberinnen und Urlauber nach wenigen Tagen meinten, zwischen gefährlichen und ungefährlichen Badestellen unterscheiden zu können.
Hamburgs DLRG-Präsident kritisiert Leichtsinn
Auch Hamburgs DLRG-Präsident Heiko Mählmann kritisiert den Leichtsinn mancher Badegäste. „Man muss mal ganz klar sagen, dass viele nur Bade-Erfahrung mit Schwimmbädern und Binnenseen haben, wenn sie sich dann ins Meer oder zum Beispiel in einen Fluss wie die Elbe stürzen“, sagt Mählmann. Auch sein Landesverband habe mit Uneinsichtigkeit zu kämpfen, wenn es um Badeverbote geht.
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Sowohl auf Sylt als auch in den sozialen Medien ist die Trauer um Rettungsschwimmer Mike N. weiterhin groß. Freunde haben eine Spendensammlung für die Familie des 47-Jährigen gestartet.
Urlauber trauern um Rettungsschwimmer auf Sylt
N. lebte in einem Wohnmobil auf der Insel. Freunde schätzten ihn als Vorbild, als einen Mann, der seine Leidenschaft, anderen zu helfen, zum Beruf gemacht hatte. Auf Facebook drücken Urlauberfamilien aus ganz Deutschland ihr Beileid aus, einige von ihnen schildern, dass sie am Unglückstag vor Ort gewesen seien und die Rettungsversuche mitangesehen hatten.