Westerland. Die Notfallsanitäter auf Sylt haben auch viele Einsätze am Wasser. Ihre Arbeitsbedingungen werden immer schwieriger.

Wer auf Sylt Urlaub macht, will seinen Alltag zu Hause lassen und eine schöne Zeit verleben. Doch ihre gesundheitlichen Probleme bringen viele Gäste natürlich mit. Immer in Einsatzbereitschaft sind deshalb die Helfer vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), die ihre Wache in Westerland haben. 6000 Einsätze haben Sven Rudolf und Christian Poetzsch als Wachleiter sowie ihre Kollegen im Schnitt pro Jahr, davon etwa 800 mit Notarztbegleitung.

Der Einsatzbereich des Deutschen Roten Kreuzes auf Sylt ist enorm groß – er umfasst die gesamte Insel und außerdem Strände und Watt. Etwa 400 Patienten werden laut Rudolf nicht auf der Insel behandelt, sondern müssen aufs Festland verlegt werden. „Lebensbedrohlich Erkrankte versuchen wir gleich ausfliegen zu lassen, um sie in ein entsprechendes Krankenhaus mit Schwerpunktversorgung zu bringen“, sagt Rudolf.

Sylt: DRK-Retter sind im Sommer für 100.000 Urlauber zuständig

Das sei eine zusätzliche Belastung für Angehörige, die dann ihr Familienmitglied nicht begleiten können. „Ab und zu werden die Angehörigen dann etwas unfreundlich, weil sie mit der Situation überlastet sind“, so der Notfallsanitäter. Aber er und seine Kollegen hätten verinnerlicht, höflich zu bleiben, auch wenn es manchmal nicht leicht falle. „Aber wir haben durchaus Verständnis für die Situation, versuchen zu beruhigen und zu trösten“.

Zu den etwa 17.000 Syltern kommen seinen Angaben zufolge im Sommer permanent etwa 100.000 Urlauber dazu, die bei Notfällen versorgt werden müssen. Die DRK-Wache ist neben dem Festland auch für 43 Kilometer Strand auf der Sylter Westseite und außerdem für das Watt im Osten zuständig. Dafür haben sie spezielle geländegängige Fahrzeuge. Das fällt einem schnell auf, wenn man plötzlich den geländegängigen 216 PS starken Unimog O1500 mit den etwa 40 Zentimeter breiten Reifen und dem roten Kreuz an der Seite über den Strand fahren sieht.

Unimog ist so nur auf Sylt zu sehen

Der Unimog kann laut Rudolf sogar bis zu 1,20 Meter tiefes Wasser durchqueren. Bei Lebensgefahr schalten er und seine Kollegen auch Blaulicht und Sirene ein. Etwa 70 bis 80 Einsätze am Strand gibt es laut Rudolf jedes Jahr. Die meisten davon seien internistisch bedingt, Herzinfarkt, Schlaganfall oder auch der Sonnenstich beispielsweise, „im Prinzip das Einsatzgeschehen der Straße, nur eben am Strand“. Er mache das nun schon seit 27 Jahren und kriege bei diesen Einsätzen am Strand immer noch schwitzige Hände. Denn auf der Straße sind die Regeln klar, am Strand gibt es Unkalkulierbare: Kinder die plötzlich vor das Fahrzeug laufen, gefolgt von den Eltern, die Ihr Kind beschützen wollen oder tiefe Sandburgen sorgten für zusätzliche Belastung für Fahrer und Fahrzeug. „Man muss sehr umsichtig fahren, da die Urlauber nicht damit rechnen, dass plötzlich ein Lkw mit Blaulicht am Strand fährt“, sagt der erfahrene Retter. Manchmal wüssten die Strandbesucher nicht, wie sie sich verhalten sollen, ähnlich wie im Straßenverkehr, wenn ein Rettungswagen mit Blaulicht und Sirene fährt.

Diese Fahrzeuge seien in dieser Form auch nirgendwo sonst zu sehen. Das liege vor allem an den speziellen Sandverhältnissen vor Sylt. „Der Sand ist sehr weich und erfordert Übung, bis man das erste Mal eine Einsatzfahrt mit Blaulicht machen kann“, sagt Rudolf, der dienstälteste hauptamtliche Notfallsanitäter in Westerland.

Sylt: Gerettete und Rettungsschwimmer sterben bei Badeunfall

Auch Badeunfälle gebe es leider immer wieder. Vor allem junge Leute stürzten sich kopfüber in den Flutsaum, ohne zu überlegen, dass das Meer am Rand oft keine Tiefe hat. „Wir sehen junge Menschen mit Halswirbelfrakturen, Schulterluxationen und gebrochenen Füßen. Es gibt eine große Unwissenheit bei vielen, wie man sich richtig verhalten soll. Aber das Meer ist kein Baggersee, wir haben hier starke Unterströmungen und Buhnenreste. Nicht umsonst gibt es an der gesamten Westseite der Insel Rettungsschwimmerstände.“ Ungeübte Schwimmer sollten unbedingt bei den mit Rettungsschwimmern besetzten Rettungsschwimmerständen ins Meer gehen, damit man ihnen im Notfall helfen kann, appeliert Rudolf. „Das Meer ist unerbittlich. Schnell ist eine Person abgetrieben und braucht Hilfe. Letztes Jahr hat sogar ein Rettungsschwimmer bei der Personenrettung sein Leben verloren. Ein besonders tragischer Fall.“

Mit diesen Jetski fahren die ehrenamtlicher Helfer raus auf die Nordsee.
Mit diesen Jetski fahren die ehrenamtlicher Helfer raus auf die Nordsee. © Elisabeth Jessen | Elisabeth Jessen

Die ehrenamtliche Wasserwacht des DRK hat zudem zwei Jet-Ski und ein Boot, mit denen die freiwilligen, gut ausgebildeten Helfer auf dem Wasser gegebenenfalls die Rettungsschwimmer unterstützen können oder auch Menschen, die die auf dem Wasser in Not geraten sind.

Sylt: Arbeit für DRK-Retter wird immer schwieriger

Sven Rudolf hat schon viel erlebt in seinen 27 Dienstjahren beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) auf Sylt. Aber die Arbeit werde immer schwieriger, sagt der 52-Jährige, der die Wache gemeinsam mit Christian Poetzsch leitet. Sie und Ihre Kollegen müssen viele Dienste stemmen. Entlastung sei im Moment nicht in Sicht. Und statt 24,3 Stellen, die es aufgrund des Einsatzaufkommens auf der Insel sein sollten, sind es nur 19. „Ende des Jahres gehen zwei Kollegen von der Insel, weil sie die Kosten hier nicht mehr tragen wollen“, sagt Rudolf. Dadurch steige die Arbeitsbelastung der verbleibenden Kollegen weiter. „Ich habe großen Respekt vor den Mitarbeitern, die noch hier sind und immer wieder einspringen. Gerade auch in den letzten zwei Jahren aufgrund von Corona und krankheitsbedingten Ausfällen. Ohne dieses Team wäre eine Dienstplanung kaum noch möglich“, sagt Rudolf, der auf Sylt aufgewachsen ist.

Zwei weitere Kollegen müssten aus ihren Wohnungen ausziehen, weil die Vermieter Eigenbedarf angemeldet hätten. Eine schwierige Situation für die Retter und Besserung sei nicht in Sicht.