Kiel. Schwarz-Grün einigt sich auf Kompromiss. Welche Auswirkungen das für Motor- und Segelboote hat und wie auch Wassersportler umplanen müssen.
Die schwarz-grüne Landesregierung stellt 12,5 Prozent der schleswig-holsteinischen Ostsee unter Naturschutz. Dazu erlässt sie strenge Regeln und Verbote. Darauf hat sich das Kabinett am Dienstag geeinigt. Gleichzeitig hat sich die Landesregierung damit von der von den Grünen vorangetriebenen Idee eines Nationalparks Ostsee verabschiedet. Der Widerstand an der Küste war zu groß.
Fischer, Landwirte, Wassersportler, Kommunen und Unternehmen, die vom Tourismus leben, hatten gegen die Pläne, große Teile der Ostsee als Nationalpark unter Schutz zu stellen, mobil gemacht. Jetzt sind es also 12,5 Prozent der Fläche.
Aus für Ostsee-Nationalpark – was jetzt in Schleswig-Holstein passiert
Dem Kompromiss, auf den sich CDU und Grüne mit dem „Aktionsplan Ostseeschutz 2030“ geeinigt haben, waren monatelange Verhandlungsrunden in unterschiedlicher Besetzung vorausgegangen. Zunächst hatte das grüne Umweltministerium – wie im Koalitionsvertrag von 2022 vereinbart – ein Konsultationsverfahren in den Küstenorten gestartet. Dabei verfolgte Umweltminister Tobias Goldschmidt ein klares Ziel: Er wollte den Nationalpark Ostsee unbedingt. Das Problem: Die Menschen wollten ihn nicht.
Die Ergebnisse aus diesem Konsultationsprozess sind dann aber in die weiteren Verhandlungen zwischen CDU und Grünen eingeflossen. Als sich zuletzt zwischen den Regierungspartnern der Kompromiss von 12,5 Prozent der Meeresfläche als Schutzgebiet abzeichnete – bei einer Fläche von weniger als zehn Prozent hätte die CDU eine Regierungskrise heraufbeschworen –, suchte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) den Dialog mit den Betroffenen: mit Touristikern, Wassersportlern, Landwirten, Fischern.
Kommentar:
„Um den Zustand der Ostsee signifikant zu verbessern“, wie Günther sagt, weist Schleswig-Holstein drei neue marine Naturschutzgebiete aus. Eines erstreckt sich von Gelting bis zur Schlei; das zweite liegt in der südlichen Hohwachter Bucht, das dritte westlich von Fehmarn. Als zweite Maßnahme verschärft das Land Regeln und Verbote in drei bereits ausgewiesenen Natura-2000-Gebieten. Insgesamt werden so 39.000 Hektar der schleswig-holsteinischen Ostsee besser geschützt, so Günther.
Fischerei in den Ostsee-Schutzzonen wird verboten
Am härtesten sind die Ostseefischer von den Schutzregeln betroffen. Sie dürfen hier: nichts mehr. Fischerei wird ganzjährig verboten. Lediglich Strandangeln bleibt erlaubt. Man habe versucht, die Nutzungsinteressen mit den Interessen der Natur in Einklang zu bringen, sagte Günther. Aber das sei beim Thema Fischen nicht möglich. „Den Fischern gehen jetzt wichtige Fanggründe verloren“, sagte der Regierungschef und kündigte Verhandlungen über Entschädigungszahlungen an. Die Landesregierung erwartet denn auch breiten Protest der Fischer gegen ihre Pläne. „Meeresschutz ohne Einschränkungen gibt es nicht“, sagte der CDU-Politiker.
Ostsee: Tempolimit für Boote in neuen Schutzgebieten
Was wurde neben dem Fangverbot beschlossen? Überall dort, wo Zugvögel im Herbst und Winter in den neuen Naturschutzgebieten rasten, müssen Motor- und auch Segelboote wegbleiben – und zwar von November bis Ende März. Dort, wo in den neuen Schutzgebieten noch Boot gefahren werden darf, gilt künftig ein Tempolimit. Auch für Ruderer, Kanu- und SUP-Fahrer sowie Surfer sind die Gebiete während der Rastzeit der Vögel tabu, während sie im Frühjahr und im Sommer uneingeschränkt genutzt werden dürfen.
Schwimmen, baden und tauchen bleibt an der Küste erlaubt. Strände, die bislang touristisch genutzt wurden, werden es auch künftig. Die Häfen bleiben ganzjährig zugänglich, für Campingplätze oder Ferienanlagen ändert sich nichts. Damit dürfte das Land vielen Kritikern Sorgen genommen haben.
Mit den strengen Regeln will die Landesregierung „erstmals echte Ruhezonen für eine europaweit einzigartige Tier- und Pflanzenwelt schaffen“. Das sagte der grüne Umweltminister. Nur: Was tun, wenn sich zumindest ein Teil der Fischer, Skipper oder Kiter nicht an die Regeln hält? Hier setzt die „Integrierte Station Ostsee“ an, die Goldschmidt plant. Von dieser noch aufzubauenden „Zweigstelle des Ministeriums“ aus soll über den Meeresschutz informiert, aber auch dessen Einhaltung kontrolliert werden.
„Geschundenes Meer“: Goldschmit sieht Mitschuld bei Bauern
Die Ostsee ist für Goldschmidt ein „geschundenes Meer“. Einen Grund hat er in den hohen Phosphor- und Stickstoffeintragungen ausgemacht. Die Folge: Der Sauerstoffgehalt sinkt, es kommt zu Algenblüten, Korallen sterben ab, Lebensgrundlage geht verloren. Eine Mitschuld sieht Goldschmidt bei den Landwirten und ihren Düngern. Zur Verringerung der Nährstoffeinträge in die Ostsee will das Land bis Ende des Jahres Zielvereinbarungen mit den Bauern schließen. „Wir wollen die Einleitungen über die Düngeverordnung hinaus signifikant reduzieren“, sagte Günther. „Freiwilligkeit allein reicht dabei nicht aus“, kündigte er belastbare Vereinbarungen an.
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Darüber hinaus will das Land gemeinsam mit dem Bund die Munitionsbergung vorantreiben. Auf dem Meeresboden verrotten in der Ostsee geschätzt 300.000 Tonnen konventionelle und 5000 Tonnen chemische Munition. Geplant ist zudem, neue Riffe zu schaffen, Seegraswiesen anzulegen und Lagunen wiederherzustellen. Und zwar ab sofort: „Ab heute wird nicht mehr verhandelt, sondern getan“, kündigte Goldschmidt an.
Nabu kritisiziert Ostsee-Konzept als „unzulänglich“
Während der Bundeswirtschafts- und ehemalige schleswig-holsteinsche Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) von einem „starken Zeichen der Landesregierung für mehr Ostseeschutz“ sprach, geht der schwarz-grüne Aktionsplan den Naturschutzverbänden nicht weit genug. Sie sprechen enttäuscht von einer verpassten Chance, das Meer wirksam zu schützen.
„Die Ostsee ist massiv überfischt und überdüngt, die vom Aussterben bedrohten Schweinswale und zahllose Meeresvögel ertrinken Jahr für Jahr in Stellnetzen. Und Zwergseeschwalben finden keinen Platz mehr zum Brüten. Für die Belange des Naturschutzes in und an der stark gebeutelten Ostsee ist das vorgestellte Konzept aus Sicht der Verbände unzulänglich“, erklären BUND und Nabu gemeinsam.
Unzufriedenheit überwiegt auch bei der Opposition. So nennt Sandra Redmann von der SPD den Aktionsplan ein „loses Paket an Ankündigungen und Zielvereinbarungen, deren Umsetzung offenbleibt“. Auch wenn die schlimmsten Befürchtungen zunächst nicht eingetreten seien – auf FDP-Chef Oliver Kumbartzky wirkt der Aktionsplan wie ein erster Schritt hin zu einem Nationalpark Ostsee. Es gelte, wachsam zu sein.