Kiel. Schleswig-Holstein schützt 12,5 Prozent des Meeres vor der Küste mit strengen Regeln. Warum das gut ist, welche Fehler gemacht wurden.
Der 24. August 2023 ist ein schöner Sommertag. Nicht zu heiß, nicht zu kühl. Die Temperatur klettert an der Ostseeküste auf rund 20 Grad, als Hunderte Surfer, Fischer, Bauern und Vermieter Daniel Günther (CDU) auf Fehmarn einen heißen Empfang bereiten. Ein Meer aus Transparenten („Daniel, verrate uns nicht“), Buhrufe ohne Unterlass, Krach von Nebelhörnern, Trillerpfeifen und Sirenen – es ist alles andere als ein Heimspiel für den Regierungschef auf der Ferieninsel. „Daniel, wir wollen deinen Nationalpark nicht“, hat ein Landwirt in meterhohen Buchstaben ins Feld gepflügt. Und: Er bekommt ihn auch nicht. Das steht jetzt fest.
Spätestens an diesem 24. August werden die vor allem von den Grünen in der Landesregierung vorangetriebenen Pläne Geschichte, große Teil der schleswig-holsteinischen Ostseeküste als Nationalpark unter Schutz zu stellen. Zu groß der Widerstand, unauflösbar die Konflikte. Nach und nach hatten sich zuvor schon die CDU-Gliederungen gegen die grünen Pläne positioniert. Damit waren sie auch von ihrem Ministerpräsidenten abgerückt, der den grünen Regierungspartner – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – erst einmal hatte machen und ein Konsultationsverfahren starten lassen. „Für den Meeresnaturschutz, den Tourismus, die regionale Wirtschaft und die Anwohnerinnen und Anwohner können sich viele Vorteile aus einem ... Meeresnationalpark Ostsee ergeben“, heißt es im Koalitionsvertrag. Nur: Die Menschen an der Küste machen da nicht mit. Und das hat Günther – anders als der Koalitionspartner, der die Pläne bis zuletzt vorantrieb – spätestens im Sommer erkannt.
Plan von Ostsee-Nationalpark gescheitert – welche Fehler gemacht wurden
Dabei hatten die Grünen von Anfang an auf verlorenem Posten gekämpft. Von Tag eins des Konsultationsverfahrens in den Küstenorten an waren die Gegner des Nationalparks da – laut, gut organisiert, getragen von einem breiten und ungewohnten Bündnis aus Bauern und Surfern, Fischern und Vermietern. Die Unterstützungskampagne von Naturschützern für den grünen Umweltminister lief hingegen erst auf Hochtouren, als es zu spät war.
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Der zweite Fehler geht auf das Konto von Umweltminister Tobias Goldschmidt. Auf Landkarten hatte der Politiker der Grünen eingezeichnet, wo überall er sich einen Nationalpark vorstellen könnte. Die schraffierten „Potenzialflächen“ (Goldschmidt) reichten von Flensburg Kilometer um Kilometer bis Kellenhusen. Statt klein anzufangen, hatte sich Goldschmidt gleich für den großen Wurf entschieden. Der nächste Fehler: Die Leute an der Küste erwarteten verbindliche Ansagen, was in einem Nationalpark noch erlaubt und was genau verboten ist. Sie warteten vergebens. Und so stiegen von Tag zu Tag die Sorgen. Und mit ihnen stieg die Zahl der Nationalpark-Gegner.
Statt Ostsee-Nationalpark – auch geplante Naturschutzgebiete sollen Entlastung bringen
Umsonst war das aufwendige Verfahren dennoch nicht. Der Kompromiss, auf den sich die Grüne und CDU geeinigt haben, wird die Ostsee besser schützen, die der Umweltminister ein „geschundenes Meer“ nennt. Nicht nur ein Nationalpark, auch die jetzt beschlossenen drei neuen Naturschutzgebiete und die strengeren Regeln in den bestehenden Natura-2000-Gebieten bringen der Tier- und Pflanzenwelt Entlastungen – und Fischern sowie Wassersportlern Einschränkungen und Verbote. Zudem werden die Bauern ihre Nährstoffeintragungen reduzieren müssen.
Jetzt ist es an Goldschmidt, den Umweltverbänden die gefühlte Niederlage als Erfolg zu verkaufen. Und es ist vor allem an Günther, den erwarteten Widerstand bei den Landwirten und vor allem den Fischern zu überwinden.