Neumünster. Ganz nach Vorbild des „Anzeigenhauptmeisters“ startet Neumünster Initiative gegen Verkehrsverstöße. Doch Aktion geht nach hinten los.

Mit seiner neongelben Arbeitskluft und dem Handy griffbereit in der Brusttasche sorgt „Der Anzeigenhauptmeister“ dieser Tage bundesweit für Furore. Niclas M., so sein richtiger Name, lässt Falschparker und Verkehrssünder auffliegen. Eine „Spiegel“-Reportage ließ ihn über Nacht zur Internetbekanntheit werden – und augenscheinlich auch zum Vorbild für die Stadt Neumünster in Schleswig-Holstein.

Denn was der „Anzeigenhauptmeister“ kann, können auch andere Bürgerinnen und Bürger – einander anschwärzen und Knöllchen verteilen, wo Polizei und Ordnungsamt nicht zugegen sind. So zumindest lässt es ein Beitrag auf den Social-Media-Kanälen der Stadt vermuten, in dem zur Mithilfe animiert wird. Doch wie schon Niclas M., kommt auch diese Initiative nicht bei allen gut an. Auf Abendblatt-Anfrage hat sich jetzt die Stadt dazu geäußert.

Neumünster ruft zum Anschwärzen auf – ganz nach Vorbild von „Anzeigenhauptmeister“

„Viele Falschparkerinnen und Falschparker blockieren Zufahrten und behindern den Verkehr. Die Verkehrsüberwachung in Neumünster tut ihr Bestes, aber es ist unmöglich, jeden Parkverstoß zu erfassen“, schreibt die Stadt in ihrem Beitrag von Sonntag. Und weiter: „Als Teil unserer Gemeinschaft könnt ihr jedoch helfen! Wenn ihr einen Verstoß bemerkt, könnt ihr den Sachverhalt in einem Formular auf unserer Webseite schildern und senden, am besten mit Fotos.“

Nichts anderes macht Internetbekanntheit Niclas M., der in seiner Freizeit aus seinem Heimatort Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt mit seinem Fahrrad in Städten seiner Wahl aufschlägt, um nach Verstößen der StVO (Straßenverkehrsordnung) zu suchen. Unter dem Beitrag der Stadt Neumünster scheinen die Nutzerinnen und Nutzer allerdings hier eher einen Verstoß gegen das gesellschaftliche Miteinander zu wittern, wie die Kommentare auf Instagram und Facebook zeigen. Hier eine Auswahl:

  • „Genau so spaltet man die Gesellschaft, einfach nur schlecht.“
  • „Und dann melden wir noch: falsche Mülltrennung, verdächtige Gespräche und unerlaubte Gedanken. Vielleicht ist auch noch die Einrichtung von Blockwarten eine gute Idee. Geht‘s noch?“
  • „Warum sollte ich überhaupt anderen Leute anschmieren und ihnen einen schlechten Tag bereiten?“
  • „Bürger denunzieren oder anscheißen kenne ich auch noch aus meiner Kindheit ... aus der DDR.“
  • „Mit dieser Aktion hat sich die Stadt Neumünster ein Eigentor geschossen! Einfach nur pfui wozu hier angestiftet werden soll. Ich denke, es gibt ganz andere Probleme, die gelöst werden sollten.“

Nach Kritik an städtischem Aufruf reagiert Neumünster und rudert zurück

Die Kritik an der Stadtinitiative passend zum Anzeigenhauptmeister-Hype ist groß und bleibt nicht ungehört. Kurz darauf folgt ein Nachtrag auf den Social-Media-Kanälen von Neumünster. Darin erklärt man sich: „Die Stadt Neumünster bedauert die Irritationen, die ein missverständlicher Beitrag auf der Facebookseite vom Samstag unter dem Motto ‚Falschparker und Falschparkerinnen an uns melden‘ ausgelöst hat.“

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Und weiter: „Die Überwachung des ruhenden Verkehrs und die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist grundsätzlich Sache der Polizei oder des städtischen Ordnungsdienstes und nicht die Aufgabe der Bürgerinnen und Bürger.“ Sollte man sich allerdings selbst in der Lage befinden, dass man „unmittelbar blockiert, oder behindert wird“, oder etwa „gravierende, sicherheitsrelevante Parkverbote“ nicht eingehalten werden, gibt es eine Möglichkeit, selbst zu handeln – in Form eines Anzeigenformulars.

In aller Deutlichkeit heißt es dann noch mal: „Keineswegs möchte die Stadt dazu animieren, dass sich ihre Bürgerinnen und Bürger gegenseitig überwachen und anschwärzen.“ Wirklich besänftigt klingen die Kommentare der Nutzerinnen und Nutzer dazu allerdings nicht.

Neumünster: Social-Media-Aktion geht nach hinten los – „falsch eingeschätzt“

Dass die Aktion solche Wellen schlagen würde, damit hatte man nicht gerechnet, wie Social-Media-Manager Geoffrey Warlies auf Abendblatt-Anfrage erzählt. „Ein bisschen Aufmerksamkeit“, hatte man sich mit dem Beitrag zwar erhofft, „aber nicht in dem Maß“, so Warlies. „Natürlich haben wir gemerkt, dass das ein Thema ist, und haben es dann damit verbunden – und offensichtlich falsch eingeschätzt.“ Den zuvor im Beitrag verwendeten Hashtag „Anzeigenhauptmeister“ hatte man zwischenzeitlich entfernt. Eine Einladung an Niclas M., wie andernorts berichtet, wurde erst gar nicht in Erwägung gezogen.

Allerdings: Aktionen des Ordnungsdienstes würden immer wieder beworben, so Warlies. Das angeführte Formular sei zudem bereits seit rund zehn Jahren im Umlauf. Einen Gefallen hat die Stadt sich damit aber wohl nicht getan. Denn auf die Frage, ob jetzt mehr Menschen das Falschparker-Formular nutzen, antwortet Warlies: „Es werden Drohungen ausgesprochen“ statt ernsthafter Meldungen.