Arnis. Im Oktober wurde die kleinste Stadt Deutschlands überschwemmt, jetzt geht es um den Wiederaufbau. Doch wer trägt die Kosten?

Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt hat der Stadt Arnis Unterstützung beim Wiederaufbau nach der Sturmflut zugesichert. „Das Land Schleswig-Holstein steht zu seiner Zusage, bei der Verbesserung des Hochwasserschutzes für Arnis aktiv mitzuwirken“, sagte er am Mittwochmorgen bei einem Besuch an der Schlei.

Der Minister machte sich kurz vor Weihnachten noch einmal ein Bild über die Lage in der kleinsten Stadt Deutschlands, die massiv von der Sturmflut im Oktober betroffen war. Mit dabei waren auch die Direktorin des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN), Birgit Matelski, der Vorsitzende des zuständigen Wasser- und Bodenverbands, Peter Dreyer, der Bürgermeister von Arnis, Jens Matthiesen, und betroffene Bürger.

Ostsee nach Sturmflut: Umweltminister sichert Arnis finanzielle Hilfe zu

Der Minister bekräftigte vor Ort, dass das Land die betroffenen Regionen nicht im Stich lassen werde. 90 Prozent der Kosten für den Wiederaufbau der Deiche wolle Schleswig-Holstein übernehmen.

„Die Kosten für die Wiederherstellung des Deiches werden zu 90 Prozent durch den Fluthilfefonds getragen. Der LKN wird den Wasser- und Bodenverband und die Gemeinde zudem nach Kräften bei der Planung und Genehmigung unterstützen. Schleswig-Holstein ist ein Land der kurzen Wege. Das gilt auch für den Küstenschutz“, so der Minister.

Arnis unter Wasser: Teile der kleinsten Stadt Deutschlands waren im Oktober dieses Jahres vollkommen überschwemmt worden.
Arnis unter Wasser: Teile der kleinsten Stadt Deutschlands waren im Oktober dieses Jahres vollkommen überschwemmt worden. © picture alliance/dpa | Benjamin Nolte

Er verwies dabei auf die besondere Lage der kleinen Stadt, die unterhalb des Meeresspiegels liegt, und kündigte an, dass die Landesregierung in den kommenden Wochen intensiv mit den verantwortlichen örtlichen Akteuren an Lösungen zum zukünftigen Hochwasserschutz für Arnis arbeiten werde.

„Nach dem Landeswassergesetz liegt die Zuständigkeit für den Deich in Arnis klar beim Wasser- und Bodenverband. Dennoch ist die Wiederherstellung des Deiches eine gemeinsame Aufgabe aller Akteure“, so Goldschmidt weiter.

Sturmflut: Küstenschutz ist laut Umweltminister eine Zukunftsaufgabe

Auch der Klimawandel werde Einfluss auf das Leben an der Schlei haben, so Goldschmidt. Der damit verbundene Meeresspiegelanstieg werden dazu führen, dass zukünftig mehr Sturmfluten als bisher gewohnt auf das Land zukommen werden.

„Der Ostseeküstenschutz ist daher eine Zukunftsaufgabe, die wir gemeinsam mit starken Akteuren in Land, Kommunen und gestärkten Wasser- und Bodenverbänden angehen wollen“, sagte Goldschmidt. „Die Erkenntnisse aus den Deichschauen an der Ostküste werden wir in unsere Konzepte für einen zukunftsfähigen Küstenschutz einfließen lassen. Unsere Küsten werden sich in den kommenden Jahrzehnten stark verändern, das ist schon heute klar.“

Ostsee: Stellvertretende Bürgermeisterin von Arnis bleibt skeptisch

Trotz der Zusage zeigten sich die Bürger der Kleinstadt durchaus skeptisch. „Selbst diese Ansage ist für uns durchaus schwierig“, sagte Michelle Dieckmann, stellvertretende Bürgermeisterin von Arnis. So viel Geld, um zehn Prozent der Kosten für den Wiederaufbau selbst zu tragen, habe eine kleine Kommune wie ihre Stadt schlicht nicht. Zum Hintergrund: Die Kommunen finanzieren den Wasserverband, der für den Wiederaufbau zuständig ist.

Hinzu komme, dass es für die Stadtvertreter und alle Betroffenen zu komplex sei, den Wiederaufbau allein zu organisieren. „Wir arbeiten hier alle im Ehrenamt. Hier benötigen wir professionelle Unterstützung durch das Land.“ Deshalb erhoffe man sich nun Hilfe vom LKN.

Schleswig-Holstein: Sturmflut verursacht Schaden von 250 Millionen Euro

Dennoch sei es ein erster Schritt, dass zumindest 90 Prozent der Kosten übernommen würden. „Aber diesen Beteuerungen müssen natürlich jetzt auch Taten folgen“, so Dieckmann. Bisher sei schlicht zu wenig passiert.

Die sogenannte Jahrhundertflut Mitte Oktober hatte die Infrastruktur an der Ostsee schwer beschädigt. Deiche wurden weggerissen, Strände weggespült, Hafenanlagen und Straßen zerstört, Campingplätze verwüstet, Gaststätten und Hotels ruiniert, Häuser unbewohnbar.

Die öffentliche Infrastruktur Schleswig-Holsteins zu reparieren und wieder aufzubauen kostet mindestens 250 Millionen Euro. Hinzu kommen viele weitere Millionen Euro, die Haus- und Wohnungsbesitzer zahlen müssen, um ihr Zuhause wieder bewohnbar zu machen.

Sturmflut: Bund hat Beteiligung an den Kosten ausgeschlossen

Die große Frage lautet: „Wer soll das bezahlen?“ Das Land und die Kommunen in Schleswig-Holstein stehen zu ihrer Verantwortung – aber sieht der Bund sich auch in der Pflicht?

Ursprünglich hatte Bundeskanzler Olaf Scholz den norddeutschen Regierungschefs Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) und Daniel Günther (Schleswig-Holstein) Hilfszahlungen des Bundes in Aussicht gestellt. Angedacht war, dass der Bund die eine Hälfte der Kosten übernimmt, Kommunen und Land die andere.

Zuletzt hatte aber Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in einer Fragestunde des Bundestages eine Kostenbeteiligung des Bundes ausgeschlossen. Seine Begründung: Anders als bei der Ahrflut vor zwei Jahren handele es sich beim Ostsee-Hochwasser nicht um eine Naturkatastrophe von nationaler Tragweite.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schaltete sich in Diskussion ein

Dieser Rechtsauffassung hat sich das Bundeskanzleramt am Montagnachmittag angeschlossen. Nur: Wusste auch Bundeskanzler Olaf Scholz davon, dass sein Amt sich weigert, zu helfen?

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Inzwischen hat sich auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in den Streit eingeschaltet. Auf dem grünen Politiker mit Wahlkreis in Flensburg ruhen neben Scholz selbst die Hoffnung der norddeutschen Länder, wenn es darum geht, doch noch einen „Topf“ zu finden, aus dem Geld für den Wiederaufbau an der Ostsee fließt.

Ostsee: Opfer der Sturmflut sollen günstige Darlehen bekommen

Die zugesagte Hilfe für die Menschen im Norden soll trotz des politischen Streits fließen. Demnach können Flutopfer Darlehen bis zu einer Höhe von 50.000 Euro mit einem Zinssatz von einem Prozent und einer Laufzeit von fünf Jahren beantragen. Die Tilgung beginnt erst ab Jahr zwei. Damit sind die Konditionen deutlich besser als alles, was Banken zurzeit anbieten.

Extremen Härtefällen, das hatte Ministerpräsident Daniel Günther in einer Regierungserklärung versprochen, werde das Land Teile des Darlehens als Zuschuss gewähren, das Geld muss also nicht zurückgezahlt werden. Betroffene Gastwirte, Hoteliers oder Campingplatzbesitzer, als drei Beispiele, können sich zudem ihre Steuerzahlungen erst einmal stunden lassen.