Scharbeutz/Flensburg. Weggerissene Strände, überflutete Lokale: Die Küsten sind gezeichnet von den Folgen des Hochwassers. Wie es dort jetzt weitergeht.
Die Ostsee hat fast alles verschlungen: Die Bar liegt umgekippt auf der Seite, überall fliegen Holzteile im Sand herum. Wo Menschen im Sommer noch ihren Sundowner im Sand auf edlen weißen Holzmöbeln genossen haben, bietet sich nach der verheerenden Sturmflut an der Ostsee in der vorvergangenen Woche ein trauriges Bild: Von der ehemals stylischen Beachlounge des Grande Beach Café in Scharbeutz ist nur noch ein Trümmerhaufen übriggeblieben.
Die beliebte Strandbar ist besonders von der Sturmflut betroffen. Ein Totalschaden in sechsstelliger Höhe ist allein hier entstanden. „Wir sind immer noch dabei, die Schäden zu beseitigen“, sagt Geschäftsführer Tung Troung. Lediglich die wertvollen Palmen, die elektrischen Geräte wie die Kaffeemaschine oder die Musikanlage konnten rechtzeitig vor der Flut an Land gebracht werden.
Die 15 Palmen, die je mehr als zwei Meter hoch sind, sind pro Pflanze mehr als 1000 Euro wert und extrem salzwasserempfindlich. „Diese neu zu beschaffen wäre schwierig geworden“, so Troung.
Ostsee nach der Sturmflut – Strandbar in Scharbeutz komplett zerstört
Doch um auch die Bar und die Loungemöbel zu retten, fehlte dem Team letztendlich die Zeit. Drei bis vier Tage lang waren bis zu sieben Mitarbeiter mit dem Wegräumen beschäftigt. Dennoch habe man nicht alles retten können. „Die Flut war heftiger als wir uns das vorstellen konnten“, so Troung. Der Wasserstand von mehr als 1,70 Metern war das eine, die 2,20 Meter hohe Welle das andere: Ihre Zerstörungskraft war immens. Statt eines goldenen Oktobers mit vielen Gästen, wie erhofft, geht es nun um die Rettung der Lounge.
Die gute Nachricht: Es wird wieder eine Beachlounge in Scharbeutz geben. „Wir werden die Bar wieder aufbauen“, so Tung Troung. Bereits bis Ostern, so der ehrgeizige Zeitplan, soll alles fertiggestellt sein. Die Planungen für die neue Strandbar laufen bereits, die Möbel werden schon neu angefertigt. Die neue Bar wird anders als die alte, aber die typischen weißen Loungemöbel bleiben. Neu dazu kommen werden Pavillons, unter denen entspannt werden kann.
Hafenküche in Flensburg konnte am Wochenende wieder öffnen
Verhältnismäßig glimpflich davongekommen ist dagegen das Restaurant Hafenküche in Flensburg. Dabei steht das Lokal direkt am Wasser. Und in dem Ort, der von der großen Sturmflut vor eineinhalb Wochen am stärksten betroffen war. 2,27 Meter hoch stieg die Ostsee hier über den mittleren Wasserstand an, ein Höchstwert in Flensburg seit mehr als hundert Jahren.
Dass die Hafenküche allerdings dennoch nicht komplett unter Wasser stand und viele Dinge durch das Wasser zerstört wurden, liegt unter anderem daran, dass bei den Planungen für die Umbauarbeiten im Jahr 2017 bereits künftige Hochwasser mit eingeplant worden sind. So wurden beispielsweise die elektrischen Geräte in der Küche erhöht eingebaut, ebenso die Leitungen. „Mitten in den Bauarbeiten hatten wir bereits das erste Hochwasser, also wussten wir, dass das Wasser irgendwann kommt, sagt Sandra Nielsen, eine der Inhaberinnen des Restaurants.
Ostsee: Die Mitarbeiter haben das Gebäude von außen mit Teichfolie abgedichtet
Aber dass das Restaurant, das für seine ambitionierte Küche weit bekannt ist, bereits am vergangenen Freitag wieder erstmals Gäste empfangen konnte, liegt vor allem an dem großen Einsatz vieler Mitarbeiter und Freunde, sagt Sandra Nielsen. „Als uns klar wurde, was da in etwa auf uns zurollt, haben wir sofort angefangen, das Gebäude so gut es geht zu sichern.“
So hätten sie gemeinsam das gesamte historische Haus von 1830 mit einer Teichfolie eingewickelt, „auf diese Weise wollten wir verhindern, dass das Wasser durch die Fenster eindringen kann“. Dazu hätte das Team Pumpen aufgestellt – und natürlich alle Möbel und Gegenstände hochgestellt. „Mit diesen Maßnahmen haben wir es bis in den Abend geschafft, das Gebäude quasi trocken zu halten“, so Sandra Nielsen.
Flensburg: Mitarbeiter entfernen Salzwasser von Geräten, Wänden und Böden
Doch dann sei der Strom abgestellt worden, „und das hat all unsere Bemühungen zunichtegemacht“. Zwei Notstromaggregate hätten das Schlimmste verhindert. „Aber wir wussten, dass wir jetzt keine realistische Chance mehr haben, das Eindringen des Wassers zu verhindern.“ Vollkommen erschöpft hätte das Team am späten Freitagabend aufgegeben.
Glücklicherweise sei bereits am Sonnabendmittag der größte Teil des Wassers wieder verschwunden gewesen, „und wir konnten mit den Aufräumarbeiten beginnen“. Dabei sei es vor allem darum gegangen, von den elektrischen Geräten und Wänden und Böden das Salzwasser zu entfernen. „Und dann alles zu trocknen“. Tagelang habe das Team gereinigt und getrocknet. „Aber erst Anfang der Woche war klar, dass die Maschinen nicht zerstört wurden. Was für ein Glück.“
Ostsee: Viele Menschen sind gegen Sturmflutschäden nicht versichert
So zeigt sich die Gastronomin dankbar über den Ausgang der Sturmflut. „Wir hatten Glück im Unglück.“ Klar sei dennoch, der Schaden belaufe sich auf einen niedrigen fünfstelligen Betrag. Wobei Langzeitschäden beispielsweise am Gebäude bisher noch nicht abzusehen seien. Und klar sei auch, „wir sind gegen all diese Schäden nicht versichert“.
Das sei auch der Grund gewesen, warum die Hafenküche bereits am vergangenen Freitag wieder geöffnet habe. Bei der aktuell sowieso schwierige Lage in der Gastronomie mit Aussicht auf die kommende Mehrwertsteuererhöhung sei für einen kleinen Betrieb wie die Hafenküche solch ein Ereignis natürlich besonders schwer zu verknusen. „Dabei ist der größte Verlust in unserem Fall schlicht der Wegfall der Einnahmen.“ Nach wie vor müsste das Restaurant getrocknet werden, „aber das hindert uns nicht daran, Gäste zu empfangen und damit wieder Einnahmen zu generieren“.
Timmendorfer Strand: Viele Dünen sind komplett weggespült worden
Auch an den Stränden sind die Schäden enorm. In Timmendorfer Strand sind die Folgen der Flut an etlichen Strandzugängen zu sehen. Hier wurde ein erheblicher Anteil der Dünen und des Sands in die Ostsee gespült. Dadurch sind dort nur noch Steine übrig, die Teil des Küstenschutzes unterhalb der Dünen sind. Der Höhenunterschied ist nun so groß, dass mehrere Eingänge zum Strand gesperrt sind, weil Abbrüche an den Buhnen drohen. Die festinstallierten Duschen wurden zum Teil fortgerissen, ihre Betonfundamente haben sich gelöst.
Vor dem Hotel Seeschlösschen ist die Promenade stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Die dort verankerten Blumenkübel wurden durch die Sturmflut Richtung Land gedrückt, der Weg am Meer entlang ist auch hier gesperrt. Grundsätzlich habe der Küstenschutz in dem Badeort aber sehr gut funktioniert, sagt ein Vertreter der Gemeinde. Es seien neben den Schäden am Strand Teile der in Bau befindlichen Seebrücke, Einrichtungen am Hafen in Niendorf und die Hütten der Strandkorbvermieter in Mitleidenschaft gezogen worden.
Das Land Schleswig-Holstein prüfe gerade mögliche Hilfsfonds für Kommunen und Privathaushalte. Dazu findet auf Landesebene am Ende der Woche eine Beratung statt, hieß es von der Gemeinde Timmendorfer Strand.
Lübecker Bucht: Überall muss der Strand wieder aufgefüllt werden
Vordringliche Aufgabe in dem Badeort in der Lübecker Bucht ist es, den weggespülten Strand wieder aufzufüllen. Denkbar sei, dass mit flachen Schiffen ein Spülverfahren durchgeführt wird, ähnlich wie bei den Arbeiten zur Elbvertiefung in Hamburg: Nahe dem Ufer haben sich unter Wasser Sandbänke gebildet. Dieser Sand könnte mithilfe der Spezialschiffe wieder an Land gebracht werden, so dass der rund acht Kilometer lange Strand in der Gemeinde wieder sein vorheriges Niveau erreicht. Dieses Vorgehen muss aber noch mit der Naturschutzbehörde abgestimmt werden.
So wird es in den betroffenen Gebieten in den kommenden Wochen und Monaten neben dem Wiederaufbau auch vor allem um das Thema Küstenschutz gehen. „Unser Küstenschutz wurde massiv beschädigt“, sagt Bettina Schäfer, Bürgermeisterin von Scharbeutz. Glücklicherweise seien keine weiteren Gebäude in ihrem Ort zerstört worden und vor allem keine Menschen zu Schaden gekommen.
Ostsee: Die Sturmflutsaison hat gerade erst begonnen
„Der Küstenschutz hat nun oberste Priorität, denn die Sturmflutsaison beginnt ja erst noch richtig“, so Schäfer. Die Küstenschutzmauer im Ort steht noch, aber die sogenannten Sacklagen sind kaputt – das sind mit Gewebe gefüllte Sandsäcke, die den Dünen vorgelagert sind. Diese Sacklagen würden nun wieder verschlossen, außerdem würden Findlinge heran gekarrt, um die Dünen neu aufzubauen. Seegras diene dabei als Unterbau zur weiteren Befestigung.
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Einem Strandspaziergang, so die Bürgermeisterin, stehe aber nichts im Weg. Sie appelliert jedoch an alle Besucher, nur die freien Strandzugänge zu benutzen und die Arbeiten nicht zu behindern. „Jetzt ist keine Zeit für Selfies an der Abbruchkante.“
Von den 48 Strandzugängen sei etwa die Hälfte frei zugänglich. „Alle sind willkommen, hier spazieren zu gehen.“ Aber, so die Bürgermeisterin: Bitte nicht auf den Dünen. „So viele Menschen laufen durch die Dünen, doch diese sind entscheidend und lebenswichtig für den Küstenschutz“, so Bettina Schäfer.
Ostsee: In Grömitz sind Strandbesucher trotz der Schäden willkommen
Auch in Grömitz sind Strandbesucher willkommen. Manfred Wohnrade Betriebsleiter des Tourismus Service Grömitz: „Wir haben in der vergangenen Woche mit unserem Bauhof, aber auch mit vielen Gästen und Einheimischen am Strand aufgeräumt. Es gibt für unsere Gäste keine Einschränkungen. Alle Betriebe haben die Sturmflut überstanden, der Strand ist begehbar. Die Promenade ist mittlerweile auch wieder „sandfrei“, so dass wir uns auf viele Tagesgäste freuen.“
Auch die Arbeiten an der „Grömitzer Eiszeit“ liefen auf Hochtouren. Die Eröffnung ist für den 17. November geplant.