Timmendorfer Strand. Die Ostseegemeinde und die Hansestadt Lübeck wehren sich gegen das Aus der Bahn. Was das Land Schleswig-Holstein dazu sagt.
Die Gemeinde Timmendorfer Strand an der Ostsee und die Hansestadt Lübeck protestieren gegen das Aus der Bäderbahn zwischen Lübeck und Neustadt im Kreis Ostholstein. Die beiden Kommunen haben den Hamburger Verwaltungsrechtler Ulrich Ramsauer damit beauftragt, die von der Bahn und dem Land Schleswig-Holstein genannten Gründe für die Ablehnung zu prüfen. Nach derzeitigen Planungen soll die Bäderbahn spätestens mit der Eröffnung der neuen Schienenanbindung des Ostseetunnels stillgelegt werden.
Mit dem Wegfall der Bäderbahn verlieren die Gemeinden Timmendorfer Strand, Scharbeutz, Haffkrug und Sierksdorf ihre direkte Bahnanbindung. Ihre neuen Bahnhöfe liegen dann zum Teil mehrere Kilometer von den Orten entfernt. Die stark vom Tourismus geprägten Gemeinden befürchten dadurch einen Rückgang der Gästezahlen.
Ostsee: Ohne Bäderbahn müssten 400.000 Fahrgäste mit Bussen nach Timmendorfer Strand
Die Verbindung erfüllt eine wichtige Funktion im Schienenverkehr, so die Verfechter der Bäderbahn. Die Folgen für die Orte, wenn das Aus kommt: „Wir müssten dann rund 1,2 Millionen Gäste mit Bussen in die Gemeinden transportieren“, sagte Sven Partheil-Böhnke, Bürgermeister von Timmendorfer Strand. „Das wäre kontraproduktiv für den Klimaschutz.“
Diese wichtige Transportfunktion könne die Neubaustrecke nicht ersetzen. „Von den Haltepunkten auf der Neubaustrecke wären die Bäder nur mit Bus oder Taxi erreichbar. Das ist bei einem Fahrgastaufkommen von mehr als 400.000 Fahrgästen alleine für Timmendorfer Strand auf der vorhandenen Straßeninfrastruktur nicht zu bewältigen“, so Partheil-Böhnke.
Bäderbahn soll durch neue Bahnlinie entlang der Autobahn 1 ersetzt werden
Das geplante Aus der Bäderbahn hängt mit der Fehmarnbeltquerung zusammen: Der neue Tunnel zwischen Fehmarn und Dänemark soll den (Güter-)Verkehr zwischen Deutschland und dem Nachbarn im Norden vereinfachen. Eine neue Bahnlinie entsteht entlang der Autobahn 1.
Das Gutachten des Verwaltungsrechtlers kommt nach Angaben von Sven Partheil-Böhnke jedoch zu dem Ergebnis, dass die Planung der neuen Schienenstrecke ohne die Bäderbahn erheblich länger dauern würde als mit der Bäderbahn. Als Grund nennt die Expertise vor allem das Interesse des Eisenbahnunternehmens RDC Deutschland, die Bäderbahn zu betreiben.
DB-Konkurrent möchte die Bäderbahn weiter betreiben
RDC betreibt unter anderem auch den blauen Autozug nach Sylt. „Dieses Unternehmen hat grundsätzlich einen Anspruch auf Übernahme. Unter diesen Umständen kann eine Stilllegung der Bäderbahn nicht genehmigt werden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Gemeinde Timmendorfer Strand und der Hansestadt Lübeck.
Weiteres Ergebnis des Gutachtens: „Eine Planung der Neubaustrecke ohne die Anbindung an die bestehende Bäderbahn ist unzulässig, solange das Eisenbahn-Bundesamt die Stilllegung nicht genehmigt hat. Die Voraussetzungen einer solchen Genehmigung liegen aber nicht vor.“
Fällt die Bäderbahn weg, wird massiver Anstieg des privaten Autoverkehrs befürchtet
Zudem gingen Analysen davon aus, dass bei Stilllegung der Bäderbahn die Hälfte der Fahrgäste verloren gehen, die dann auf den privaten Pkw ausweichen und die Verkehrsprobleme zusätzlich vergrößern, und zwar nicht nur in den Bäderorten, sondern auch beim Pendeln von und nach Lübeck.
Land Schleswig-Holstein und die Bahn halten an Aus für die Bäderbahn fest
Auch der Fahrgastverband Pro Bahn rechnet mit einer längeren Verfahrensdauer, wie dessen Pressesprecher Karl-Peter Naumann sagte. Das Eisenbahnbundesamt müsse dieses Angebot zunächst prüfen, bevor es über die Streckenstilllegung entscheide. Das würde die Entscheidung über eine Stilllegung deutlich verzögern.
Das Land Schleswig-Holstein und die Deutsche Bahn wollen allerdings in Abstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium daran festhalten, dass die DB Netz die Bäderbahn nicht weiter betreiben werde, sagte ein Bahnsprecher.
Schleswig-Holstein will Bäderbahn in der Lübecker Bucht nicht weiter betreiben
Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat jedoch nochmals ihre Entscheidung bekräftigt, die sogenannte Bäderbahn in der Lübecker Bucht nach Fertigstellung der Fehmarnbelt-Schienentrasse nicht weiter zu betreiben. „Die von der Gemeinde Timmendorfer Strand und der Stadt Lübeck vorgebrachten Argumente sind uns und der Deutschen Bahn gut bekannt, ändern aber an der Entscheidungslage nichts“, sagte Verkehrsstaatssekretär Tobias von der Heide.
Dass neben dem Güterverkehr ab 2029 auch der Personenverkehr auf der neuen Schienentrasse entlang der A1 abgewickelt werden solle, sei – mit ausdrücklicher Zustimmung von Lübeck und Timmendorfer Strand – bereits 2014 in einem breit angelegten Raumordnungsverfahren entschieden worden.
Von der Heide: „Am Ende ist es unerheblich, ob und wann die Strecke stillgelegt wird. Entscheidend ist allein, dass das Land – wie 2014 beschlossen – keine Verkehre auf der Bäderbahn, sondern allein auf der neuen Schienenanbindung der festen Fehmarnbeltquerung bestellen wird.“
Bleibt die Bäderbahn erhalten, wäre eine Anpassung der Pläne für Beltquerung nötig
Er verstehe den Wunsch des Bürgermeisters von Timmendorfer Strand, möglichst beides zu haben, „aber das birgt auch nach mehrmaliger Abwägung die riesige Gefahr, dass Deutschland nicht startklar ist, wenn die Dänen 2029 mit ihrem Tunnel auf Fehmarn ankommen“.
Wie Tobias von der Heide weiter sagte, würde ein Weiterbetrieb der Bäderbahn eine zeitraubende und damit für die Fertigstellung der Beltquerung gefährliche Anpassung der Planungen erfordern. „Die mit einem Weiterbetrieb der Bäderbahn verbundenen Auswirkungen auf die planfeststellungsrechtlich relevanten Belange wie Umwelt, Lärm oder die Inanspruchnahme von Flächen müssten neu gutachterlich untersucht und bewertet werden“, so der Staatssekretär. Anschließend müssten die Planfeststellungsunterlagen überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
Von der Heide verwies außerdem auf die nötigen massiven baulichen Investitionen, die ein Erhalt der Bäderbahn nach sich ziehen würde. So müssten unter anderem die Bahnsteige am Bahnhof Timmendorfer Strand komplett erneuert werden, während der neu geplante Haltepunkt Scharbeutz an der Neubaustrecke entfallen würde.
Vor zehn Jahren gefundene Trasse umfährt Timmendorfer Strand und Scharbeutz
Auch die Investitionen in die Strecke selbst seien erheblich: So sei eine neue Südspange zwischen Scharbeutz und Haffkrug ebenso nötig wie der Erhalt der Bahnübergänge sowie eine vollständige Elektrifizierung der eingleisigen Strecke.
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„Die Forderung der Gemeinden in der Lübecker Bucht war stets, dass die Güterverkehre nicht durch die Bäderorte rollen und durch Lärm und Erschütterung deren Attraktivität gefährden“, sagt Tobias von der Heide. Deshalb sei vor zehn Jahren eine Trasse gefunden, die Timmendorfer Strand, Haffkrug und Scharbeutz umfährt.
Ostsee: Bahnhöfe in Scharbeutz und Haffkrug verschieben sich
In Ratekau entstehe zudem ein neuer Bahnhof, während sich der Bahnhof in Scharbeutz um 900 Meter und der Bahnhof in Haffkrug um 300 Meter verschiebe. Angesichts von Geschwindigkeiten von bis zu 200 Kilometern pro Stunde auf der Neubautrasse würden zudem die Orte für Gäste und als Wohnort noch attraktiver: „Im Nahverkehr wird man zwischen Burg auf Fehmarn und Lübeck nur 49 Minuten statt wie heute anderthalb Stunden brauchen und nach Oldenburg knapp 30 statt heute 60 Minuten“, so von der Heide.