Timmendorfer Strand. Die Fehmarnbeltquerung bringt das Ende der Bäderbahn in beliebte Orte. Was eine Firma aus dem Norden nun plant.

Ein Ausflug ans Meer, ein Tag am Strand, für viele Hamburger ist er zum lieb gewonnenen Ritual am Wochenende geworden. Doch bald könnte der Trip deutlich umständlicher werden. Mit dem Zug sind nach aktuellen Plänen beliebte Badeorte an der Ostsee wie Timmendorfer Strand in Zukunft wohl nicht mehr zu erreichen.

Die Änderungen stehen in Zusammenhang mit der Fehmarnbeltquerung. Der neue Tunnel zwischen Fehmarn und Dänemark soll den (Güter-)Verkehr zwischen Deutschland und dem Nachbarn im Norden vereinfachen. Eine neue Bahnlinie entsteht, und zwar entlang der Autobahn A1.

Ostsee: Deutsche Bahn will Strecke nach Timmendorfer Strand und Scharbeutz stilllegen

Im Zuge der Streckenverlegung des Skandinavienverkehrs will die Deutsche Bahn zugleich die Bäderbahn stilllegen. Die Strecke von Lübeck in Badeorte wie Timmendorf oder Scharbeutz würde dann in einigen Jahren nicht mehr bedient. Das heißt: Nach der Verlegung der Schienen an die A1 würde die Reise für Besucher der Ostseestrände zwar zunächst per Zug beginnen, doch dann müssten die Gäste in Busse umsteigen.

Die Baugrube für das Tunnelportal zum Fehmarnbelttunnel neben dem Arbeitshafen und dem Fährhafen Puttgarden.
Die Baugrube für das Tunnelportal zum Fehmarnbelttunnel neben dem Arbeitshafen und dem Fährhafen Puttgarden. © Christian Charisius/dpa | Unbekannt

Kürzlich hatte Tobias von der Heide, CDU-Staatssekretär im Kieler Verkehrsministerium, noch einmal das endgültige Aus für die Anbindung der Ostseegemeinden erklärt. Die Entscheidung von Bund, Land und Deutscher Bahn für die Stilllegung der Strecke zwischen Lübeck und Neustadt entlang der Bäderorte sei endgültig, nahm er Kritikern dieser Pläne den Wind aus den Segeln. Ein Rest Hoffnung bleibt allerdings, denn ein Investor bietet bei der Bahn um die Trasse. Würde die Infrastruktur dadurch gerettet, könnte der Anschluss der beliebten Küstenorte langfristig gesichert werden.

Bäderbahn: Überraschendes Aus der Strecke in der Lübecker Bucht

Denn die Alternative – bei einem Aus der bisherigen küstennahen Strecke – würde sehr wahrscheinlich viele Zuggäste abschrecken: „Es ist zu befürchten, dass eine Station an der Autobahn mit Umstieg auf den Bus die Anzahl der Reisenden auf der Schiene insgesamt erheblich reduzieren wird“, kritisiert Alexander Montana vom Verkehrsclub Deutschland in Hamburg (VCD Nord) die Entscheidung der Landesregierung in Kiel. Auch der VCD sei vom Ende für die Bäderbahn überrascht worden.

Touristen am Timmendorfer Strand: Viele kommen mit dem Zug zum Baden. Der nächste Bahnhof ist hier bisher gut einen Kilometer entfernt von der Ostsee.
Touristen am Timmendorfer Strand: Viele kommen mit dem Zug zum Baden. Der nächste Bahnhof ist hier bisher gut einen Kilometer entfernt von der Ostsee. © imago images/Chris Emil Janßen | imago stock

Badeorte an der Ostsee hatten Angst vor Lärm: eine Fehlentscheidung?

Das Ende für die Anbindung wird von Beobachtern auch mit einer Fehleinschätzung der Badeorte in Verbindung gebracht. Diese hätten sich vor Jahren dafür starkgemacht, dass die neue Strecke nicht direkt an den Gemeinden entlangführen soll. Aus Angst vor Lärm, denn immerhin war von täglich bis zu 100 Güterzügen auf den Gleisen die Rede, wenn Dänemark durch den neuen Tunnel angebunden wird.

Das Problem: Bei der Bahn ist ein diskriminierungsfreier Betrieb gesetzlich vorgeschrieben. Das bedeutet, dass auf einer Strecke nicht ausgeschlossen werden dürfe, dass hier sowohl Personen- als auch Güterzüge fahren.

Timmendorfer Strand: Bahnreisende wären acht Kilometer mit dem Bus unterwegs

Die Konsequenz: Um nach Timmendorfer Strand zu kommen, werden Gäste im Falle der Stilllegung ab dem Jahr 2029 bis zu einem Bahnhof in der Gemeinde Ratekau mit dem Zug fahren, aber dann die verbleibenden etwa acht Kilometer mit dem Bus oder einem Taxi zurücklegen müssen.

In Scharbeutz wird es einen Haltepunkt der Bahn an der neuen Trasse neben der A1 geben. Auch dieser ist etliche Kilometer entfernt vom Strand, allerdings näher als die Verbindung zwischen Ratekau und Timmendorf.

Strecke entlang der Ostee: Bieter verhandelt mit der Deutschen Bahn über Trasse

Durch den Investor, der sich für die Bahninfrastruktur interessiert, scheint nun aber zumindest ein baldiger Abbau der Eisenbahnanlagen entlang der Ostsee unwahrscheinlich.

Nach Abendblatt-Informationen ist die Bahn darüber mit einem deutschen Interessenten im Gespräch, der auch bisher schon in der Branche tätig ist, und zwar mit der Norddeutschen Eisenbahn Niebüll GmbH (NEG). Diese setzt sich für den Erhalt der Eisenbahnlinie entlang der Westküste der Lübecker Bucht ein, mit beidseitigem Anschluss an die Neubaustrecke Lübeck–Neustadt beziehungsweise Dänemark.

Wenn die Trasse der Bäderbahn an diesen Käufer veräußert wird, könnte der neue Eigentümer hier dann eigene oder Züge eines weiteren Anbieters einsetzen, die wie bisher Timmendorfer Strand, Scharbeutz, Haffkrug und Sierksdorf anfahren.

Schleswig-Holstein: NEG bietet für die Trasse in der Lübecker Bucht

„Als Betreiberin von Eisenbahninfrastruktur in Schleswig-Holstein hat die NEG ihr Interesse an einer Übernahme der 13 Kilometer langen eingleisigen Strecke von Ratekau über Timmendorfer Strand und Scharbeutz nach Haffkrug mit drei Bahnhöfen bekundet“, teilte die Bahnfirma mit. Es handelt sich um ein Unternehmen der RDC Deutschland Gruppe, die Erfahrung auch auf anderen Strecken im Norden hat, denn sie ist beispielsweise auch für den Autozug nach Sylt verantwortlich.

Wie andere mittelständische Betreiber von Eisenbahninfrastruktur sieht auch die RDC „bei vielen stillgelegten oder zur Stilllegung vorgesehenen Strecken das Potenzial, sie mit schlanken Strukturen langfristig wirtschaftlich betreiben und somit für Verkehrsbedarfe zukünftiger Generationen erhalten zu können“, ist die RDC für die Strecke in der Lübecker Bucht optimistisch.

Bäderbahn: Das sind die Ziele der NEG für die Strecke

Sie sieht durchaus Bedarf für eine alternative Eisenbahninfrastruktur neben der im Hinterland geplanten Neubaustrecke, in zweierlei Hinsicht: Zum einen in den „touristischen Verkehren“, aber auch in den „Nahverkehren zur Erschließung der Lübecker Vororte“, teilte die Gruppe auf Abendblatt-Anfrage mit.

Größte Herausforderung dabei bleibt, dass das Land Schleswig-Holstein nun ausgeschlossen hat, einen Verkehr auf der Strecke zu bestellen.

Das Projekt der Fehmarnbeltquerung hat unbedingten Vorrang

Der Grund für diesen Entschluss: Die Fertigstellung der neuen Infrastruktur in Sachen Fehmarnbeltquerung drängt, denn die Dänen sind auf ihrer Seite schon erheblich fortgeschritten, während das Projekt in Deutschland auch durch viel Gegenwind der Gemeinden und Anwohner in Ostholstein in Verzug zu geraten droht.

Das Land will sich daher nun ausschließlich auf die Neubaustrecke an der Autobahn konzentrieren. Hier sollen alle Kräfte gebündelt werden, um die mit Dänemark vereinbarten Ziele für die Fehmarnbelttrasse nicht zu gefährden.

Timmendorfer Strand: Anreise per Auto und Bus bereits erschwert

Unabhängig von diesem Megaprojekt hat es in Timmendorfer Strand zuletzt einige hitzige Debatten um die Anreise von Gästen gegeben. So war bei Besuchern Ärger über die neuerdings auf den Großparkplätzen erhobenen Parkgebühren aufgekommen. Viele Tagesgäste überlegen sich nun, ob sie den Ausflug ans Meer mit dem Auto noch bezahlen wollen, angesichts von 12 Euro für das Parkticket und gestiegenen Benzinpreisen.

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Auch das Verkehrsunternehmen Flixbus hat sich von seinen Fahrten nach Timmendorfer Strand verabschiedet. Angesichts der starken Konkurrenz durch das 49-Euro-Ticket lohne sich die Verbindung nicht mehr, hieß es von dem Anbieter mit Sitz in München.

Zum Thema Busanbindung positionieren sich indes auch die Grünen in Timmendorfer Strand: „Wenn das Land an der Entscheidung gegen den Erhalt der Bäderbahn festhält, würden wir gern eine verlässliche Zusage bekommen zur Kostenübernahme der zusätzlichen Buslinien, welche die Bäderbahn ersetzen sollen“, betont Susanne Dittmann, Sprecherin im Ortsverband der Partei. Große Hoffnung auf einen Erhalt der Zugstrecke scheint es also auch in der Ostseegemeinde nicht zu geben.