Dahme. Das außergewöhnliche Angebot an der Lübecker Bucht kommt gut an. Für den Herbst und Winter hat der Geistliche schon neue Pläne.
Seelsorge to go ist das, was Pater Ralf Winterberg dort in dem Strandkorb an der Promenade von Dahme an der Ostsee Gästen und Einheimischen anbietet. Mit dem innovativen Konzept will der Geistliche neue Wege gehen, kirchliche Angebote attraktiver machen. Überraschend tiefgründig können die Plauderstunden im Zuhör-Strandkorb sein.
Heinz Bocian redet gern – und mit Pater Ralf Winterberg hat er gewissermaßen einen Berufszuhörer gefunden. Während Bocians Ehefrau an diesem Tag lieber in der Ferienwohnung bleiben will, sucht der 80-Jährige aus Dortmund den Austausch mit dem Geistlichen.
Ostsee: Urlauber und Geistlicher plaudern im Zuhör-Strandkorb
Im schattigen Zuhör-Strandkorb reden Urlauber und Geistlicher über das Leben im Allgemeinen, vor allem aber über das des Dortmunders im Speziellen. Bocian war Regierungsangestellter bei der Kripo, er ist Papst Johannes Paul begegnet, hat das Bundesverdienstkreuz. 18 Jahre lang war er ehrenamtlicher Richter.
„Ich habe viel erlebt. Das kann ich gar nicht alles aufzählen, das wirkt dann so angeberisch“, sagt er. Und davon berichtet er Pater Ralf eine halbe Stunde lang.
Ostsee: Seelsorge im Strandkorb – mitten im Trubel und doch intim
„Zum Ende haben wir Witze gerissen“, sagt Ralf Winterberg. Das ist nicht immer so bei den intimen Gesprächen – direkt an der Promenade, wo an diesem sonnigen Tag Urlauber entlangschlendern, mit Eis oder Crèpes in den Händen. Der Zuhör-Strandkorb ist mitten im Leben, im Trubel und bietet doch einen geschützten Raum.
Häufig geht es bei den Gesprächen um Kummer und Sorgen. Erst seit Anfang Juni gibt es diese besondere Art der Seelsorge im Strandkorb, aber der Pater hat schon gute Erfahrungen damit gemacht.
Kirche am Strand: Geistlicher kommt in Cap und T-Shirt
Es kostet die Menschen allerdings doch Überwindung, sich zu Ralf Winterberg in den Zuhör-Korb zu setzen. Dabei kommt der Pater modern und jung daher – statt schwarzer Kirchenrobe trägt er kurze Hose und eine Cap. Seine Cap und das blaue T-Shirt weisen ihn als Kirchenmann aus – auf moderne und lässige Art.
„Viele gehen erst vorbei, noch einmal hin und zurück, und dann trauen sie sich zu mir“, sagt Winterberg. Er hatte schon sehr gute Gespräche. Ernste Themen, bei denen der studierte Sozialpädagoge und Theologe Impulse geben konnte und in nur einer Stunde den Betroffenen eine andere Sicht der Dinge vermitteln, sie trösten, aufbauen, ihnen helfen konnte.
Ostsee: Niedrigschwellige Gespräche mit Tiefgang
„Da war eine 60-Jährige, über die etliche Hiobsbotschaften eingetreten sind: Trennung vom Partner, Verlust der Wohnung, Tod der Eltern, Streit mit den Geschwistern. Über diese ganzen Verluste kam diese Person natürlich ins Zweifeln.“ Der Seelsorger konnte im Gespräch beraten. „Am Ende war die Frau erleichtert, wir haben eine Perspektive gesehen. Sie kann ihr Leben neu ausrichten und bei sich sein.“
Aufmunternde Worte, eine Sicht von außen und eine Deutung – all das kann der 61-Jährige auch in kurzer Zeit leisten. Spontan, ohne Anmeldung, ohne gegenseitiges Beschnuppern. Ein Lebensgespräch auf dem Weg zum oder vom Strand. So einfach und häufig so effektiv.
Seelsorge am Strand hat keinen therapeutischen Ansatz
„Ich muss nicht auf die Uhr gucken, das ist kein Setting therapeutischer Natur. Das können wir uns sparen. Ich passe mich dem Menschen an“, sagt er. Allein seine tiefe Stimme kann sicherlich schon trösten und beruhigen.
Im Urlaub ergreifen die Menschen die Gelegenheit, wenn sie sich Mut gemacht haben. „Meist unterhalten wir uns erst zehn Minuten vor dem Korb und setzen uns dann hin. Ganz wichtig: Die Dinge werden vertraulich behandelt. Ralf Winterberg: „Was im Korb besprochen wird, bleibt im Korb.“
Es ist eine Art Beichtstuhl ohne religiösen Überbau, bei dem es nicht um Sünde und Moral geht, bei dem alles geheim bleibt, ohne dass man jemandem Rechenschaft schuldet. „Diese Arbeit entspricht meinem Naturell, es mit Menschen unterschiedlicher Herkunft und Milieus zu tun zu haben“, sagt er.
Ostseegemeinde bietet Urlaubsseelsorger mit rheinischer Frohnatur
Der Urlaubsseelsorger aus Köln mit rheinischen Adern ist mit 17 Jahren in einen Orden eingetreten, hat sich um Jugendliche in Heimen gekümmert, hat in Manila mit den Straßenkindern gearbeitet und sich in Köln um die sozialen Brennpunkte gekümmert. Zuletzt war er in der ärmsten Stadt Deutschlands – in Gelsenkirchen – und hat dort soziale Jugendarbeit gemacht.
Dann war es Zeit für ihn, eine neue Chance zu ergreifen, einmal weg vom Orden allein zu leben. Denn im Orden lebt er zu fünft. Nun hat Ralf Winterberg eine Wohnung in Neustadt in Holstein – für sich ganz allein. Das ist ungewohnt. Und doch weiß er seine neue Aufgabe hier an der schleswig-holsteinischen Ostsee zu schätzen. Jetzt im Sommer ohnehin.
Urlaub an der Ostsee sei fast wie Kölner Karneval – zum Mitschwingen
Urlaub, sagt er, sei fast wie Kölner Karneval. „Man ist gut drauf, freut sich des Lebens, da kann ich gut mitschwingen.“ Die Ostsee und Norddeutschland mag er. Nur das Wetter, das ist doch gewöhnungsbedürftig. „Der Winter dauert schon lang.“
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Das Gefühl im Zuhör-Strandkorb mag urlaubsmäßig sein, Pater Ralf plant aber auch weitere Begegnungen. Für den Herbst und Winter hat er schon neue Pläne: Tiersegnungsgottesdienste, bei denen man sein Tier segnen lassen kann. „Es soll darum gehen, wir wir mit Tieren umgehen. Im Herbst und Winter ist der Strand bei Hundehaltern sehr beliebt, das brachte mich auf die Idee.“
Ostsee: Pilgerwanderungen und Gespräche beim Glas Wein
Außerdem möchte er einen Salon mit Impulsvorträgen in Neustadt oder Grömitz etablieren. „Ganz entspannt bei einem Glas Wein, das müssen gar keine kirchlichen Themen sein.“ Und bereits jetzt schon bietet er mittwochs um 8 Uhr in Dahme einstündige Wanderungen an, mit einer Einführung ins Pilgern.
Ralf Winterberg: „Das ist beliebt bei denjenigen, die bereits gepilgert sind oder bei Menschen, die vor einer neuen Lebensphase stehen und noch mehr erfahren wollen, wie es ist, auf dem Weg zu sein. Welche Ängste und Erfahrungen erlebt man auf einer Pilgerwanderung? Wie ist das, etwas allein zu machen?“
Infos über die Tourismusseelsorge Ostholstein direkt bei Pater Ralf unter Tel. 04364/385.