Scharbeutz. In vierter Generation im Geschäft: An welche Regel sich Vermieter Witting hält – und warum er als Kind an die Leine gelegt wurde.

Schöner kann ein Tag am Meer doch nicht beginnen: Die Sonne scheint, nun ja, es ist Ostwind und daher sehr kühl an diesem Frühlingsmorgen. Aber wer kann schon von sich behaupten, jeden Tag in der Saison gegen 6.30 Uhr erst einmal an die Ostsee zum Strand zu gehen? Thomas Witting kann das. Er besitzt Strandkörbe in Haffkrug bei Scharbeutz an der Lübecker Bucht. Er ist Strandkorbvermieter in vierter Familiengeneration.

Der Strandkorb ist das Symbol für Urlaub an Nord- und Ostsee. Wahrscheinlich löst der Anblick eines Strandkorbs bereits Entspannung aus, anders ist die Faszination dafür kaum zu erklären. Sowohl Strandbesucher als auch Thomas Witting, der mit Strandkörben aufgewachsen ist, haben eine ganz besondere Verbindung zu diesen maritimen Möbeln.

Ostsee: Saison-Strandkörbe mieten – die Wartelisten sind lang

Man könnte ja auch einfach so im Sand sitzen. Aber nein, für so viele Ostseebesucher und auch für viele Einheimische muss es eben ein Strandkorb sein. Gut so, denn sonst hätten Thomas Witting und seine vielen Kollegen an Nord- und Ostsee kein Einkommen.

Witting, der am Strandaufgang 35 in Haffkrug seine 70 bis 80 Körbe stehen hat, verdankt das letztlich seinem Uropa, genannt „de ole Schäper“ – der alte Schäfer. Denn dieser hatte nicht nur eine Schäferei, sondern stieg 1920 in das Strandkorb-Geschäft und in die Vermietung von Zimmern für Touristen ein. Er hat also gut vorgesorgt für seine Nachfahren und legte den Grundstock für das Familiengeschäft.

Kindheit an der Ostsee: Als Kind kam der Strandkorbvermieter an die lange Leine

Thomas Witting, den sie früher in Haffkrug immer den „lütten Schäper“, den kleinen Schäfer, nannten, erinnert sich noch gut an Urgroßvater Wilhelm Stehn: „Ich habe ihn oft zum Strand begleitet.“

Und weil der kleine Thomas noch sehr jung war und Urgroßvater „de ole Schäper“ arbeiten musste und nicht seinen Urenkel am Ostseestrand hüten konnte, kam Thomas in ein Geschirr und an eine lange Leine. Die Leine war fest im Erdboden befestigt. Wie man es heutzutage häufig mit Hunden macht.

„So konnte ich nicht in die Ostsee fallen“, sagt Thomas Witting und lacht. Witting ist einer, der duzt und den man zurückduzt, der sich nicht mit Förmlichkeiten aufhält. Sympathisch und nahbar. Er ist einer, der gern klönt und genauso gern mal seine Ruhe hat.

Ostsee: Strandkorb-Verleih ist wetterabhängig

Wegen seines Urgroßvaters hat Thomas Witting diese besondere Liebe zu den Strandkörben. „Ich fühle eine tiefe Verbundenheit zu unserer Familie und der Tradition“, sagt er.

In der Saison von April bis Ende September muss Witting morgens nachschauen, ob seine Strandkörbe in Ordnung sind, ob sie noch mit der offenen Seite zur Ostsee stehen, ob mehrere zusammengeschoben worden sind, weil Liebespaare sich näher sein wollten. Eine Mitarbeiterin hilft ihm dabei, der Arbeitstag geht dann je nach Wetter bis 17 oder 20 Uhr. „Strandkörbe sind ein reines Wettergeschäft“, so Witting.

Sein Tipp für Ostseeurlauber: „Nehmt euch einen Kaffee, setzt euch morgens in einen Strandkorb und schaut auf die Ostsee.“

Strandkorb in Haffkrug: Warum es schwer sein kann, einen zu ergattern

Spontan einen der Witting-Strandkörbe zu ergattern, kann an guten Tagen allerdings schwer werden. Denn: 60 Körbe sind Saisonkörbe, das bedeutet, sie sind bereits dauerhaft vergeben. Es bleiben noch 20 Strandkörbe für Spontanbesucher.

„Die Strandkörbe werden von Generation zu Generation weitergegeben“, sagt Witting. Ferienhausbesitzer und Zweitwohnungsbesitzer haben hier ihre eigenen Strandkörbe, genauso wie der Campingplatz gegenüber – der gehört Wittings Bruder. Die Warteliste für Saison-Strandkörbe ist entsprechend lang.

Ostsee: Manufaktur in Heiligenhafen fertigt die Strandmöbel

Das Design hat sich über die Jahre jedoch geändert. In diesem Jahr sind gleich zehn nagelneue Strandkörbe dazugekommen. Mit Strandkörben ist es wie mit Automarken: „Man bleibt einer Manufaktur, einem Fabrikat treu. Das ist eine Philosophie für sich“, sagt Witting, der seine Strandkörbe von einem Hersteller aus Heiligenhafen bezieht. Denn, da ist er sich sicher: „Das sind die Besten.“

Manche seiner Körbe sind beige, manche schon in modernerem Weiß, und die ganz neuen Modelle sind grau. Die Sitze sind überwiegend rot-weiß gestreift, das Erkennungszeichen von Thomas Witting, Strandaufgang 35.

Alle zehn Jahre gibt es einen Wechsel der Strandkörbe, zwischendurch fallen kleinere Reparaturen an, ein neuer Anstrich etwa. „Mein Urgroßvater konnte noch flechten und viel mehr Reparaturen durchführen als ich.“ Mit den Generationen ist diese Handwerkskunst verschwunden.

Haffkrug: Strandkorbvermieter sind in Verein organisiert

Die Strandkorbvermieter in Haffkrug mögen Konkurrenten sein, sind aber in einem Verein organisiert. Und sogar einen Landesverband der Strandkorbvermieter Schleswig-Holstein gibt es.

Vor gut 20 Jahren hat Thomas Witting gemeinsam mit Ehefrau Andrea die Vermietung der Ferienwohnungen und das Strandkorbgeschäft von seiner verstorbenen Mutter und von Vater Hugo, mittlerweile 90 Jahre alt, übernommen.

Strandkorbvermieter: „Die Leute sind umweltbewusster geworden“

Im Laufe der Jahre stellte Witting fest, dass die Strandbesucher immer sorgsamer werden. „In den 1990er- Jahren lag viel mehr Müll am Strand herum, das hat deutlich abgenommen. Die Leute, vor allem die Jugendlichen, sind umweltbewusster geworden.“

Genau wie Thomas Witting, der sich früher kommunalpolitisch für die CDU engagiert hat und nun zu den Grünen gewechselt ist. Er sagt: „Umweltschutz und nachhaltiges Verhalten muss man sich finanziell auch leisten können.“ Kann er inzwischen. „Und auch wenn ich vom Tourismus lebe, ist es hier einfach zu viel.“

Timmendorfer Strand und Reinfeld: Thomas Witting blieb in der Nähe

Das war natürlich nicht immer so. Thomas Witting hat im damaligen Hotel Atlantis (heutiges Flamingo-Hotel) in Timmendorfer Strand Hotelfachmann gelernt und eine Ausbildung zum Koch in Reinfeld gemacht. Weit weg war er nie. „Ich habe sofort Heimweh“, sagt er und lacht.

Da tickt sein Sohn Thies (21) anders. Wenn er mit seinem Tourismusstudium fertig ist, geht es mit seiner Freundin erst einmal hinaus in die Welt, nach Südafrika und Südostasien wollen sie. Viel gucken, viel lernen will Thies und auch woanders arbeiten als in Haffkrug bei den Strandkörben. Erst mal, um dann später doch in das Familiengeschäft einzusteigen.

Ostsee: Sohn Thies wird Strandkorbgeschäft in Haffkrug übernehmen

„Es ist großartig, dass Thies da reinwächst“, sagt Vater Thomas. Thies sieht die Zukunft auch im Digitalen. Denn noch kann man die Witting-Strandkörbe nicht über einen der vielen Onlineanbieter mieten. Da ist der 55-Jährige konservativ: Seine Körbe kann man über seine Website buchen – oder vor Ort.

Sohn Thies kann das Geschäft ja dann in einigen Jahren modernisieren.