Fehmarn. Vor allem auf einer Insel ist die Stimmung wegen des geplanten Schutzgebiets angespannt. Wind- und Kitesurfer sind in Sorge.
Wind aus Nord oder Nordwest ist das, was sich die Wassersportler hier in Altenteil auf Fehmarn wünschen, am liebsten täglich. Wenn die Ostsee wild und wellig ist, zieht es die Männer, Frauen – egal wie alt – hinaus aufs Wasser zum Surfen, Kiten oder Wingfoilen.
Wenn es gut läuft und der Wind die Menschen mit ihrem Material übers Wasser gleiten lässt, macht das sehr glücklich – das ist pure Leidenschaft, die wohl kaum jemand mit der Zerstörung der Natur in Verbindung bringt.
Nationalpark Ostsee: Wassersportler sehen ihren Sport bedroht
Und doch sehen die Wassersportler an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste zwischen Flensburger Förde und Kellenhusen ihren Sport bedroht. Der Grund: Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) möchte die Ostsee noch mehr schützen als bislang und hat sich Potenzialflächen für einen zukünftigen Nationalpark überlegt.
Ein Nationalpark, so die große Sorge, könnte das Aus für ihren Sport im Meer bedeuten. Besonders betroffen ist Deutschlands drittgrößte Insel Fehmarn, die nahezu vollständig vom geplanten Nationalpark umschlossen wäre – ausgerechnet die Wassersportinsel überhaupt, wo auch Profi-Wassersportler Linus Erdmann lebt und sich leidenschaftlich für den Nachwuchs einsetzt.
Initiative Freie Ostsee kämpft gegen mögliches Aus für den Wassersport
Einer, der befürchtet, dass ein Nationalpark Ostsee ein Verbot seiner Sportart nach sich zieht, ist Björn Brüggemann. Um zu handeln und nicht hilflos mit ansehen zu müssen, wie über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden wird, hat der Kinder- und Jugendpsychotherapeut aus Kiel eine Petition gestartet. Mittlerweile ist daraus eine Wassersportinitiative erwachsen, die sich weiterentwickelt hat und einen Nationalpark ablehnt.
Sein Segelboot liegt in Schilksee – von dort aus startet Brüggemann am liebsten seine Segeltörns. Zusammen mit seiner Partnerin geht er an der schleswig-holsteinischen Küste gern Windsurfen, Wellenreiten und Kitesurfen. „Ein Nationalpark würde den mit Wind- und Muskelkraft betriebenen Wassersport erheblich einschränken und den schlechten Zustand der Ostsee nicht verändern“, sagt er.
Wassersportszene ist sich einig: Nationalpark Ostsee schießt am Ziel vorbei
Selten, so Brüggemann, sei sich die deutsche Wassersportszene so einig: Ein Nationalpark schießt am Ziel vorbei. „Wir Wassersportler lieben das Meer, wir fühlen die Ostsee“, sagt der Mann, der vor zehn Jahren von Nordrhein-Westfalen nach Kiel gezogen ist. „Ich bin leidenschaftlicher Surfer und Segler und nur aus diesem Grund in den Norden gezogen.“
Das Motto der Initiative Freie Ostsee Schleswig-Holstein: Nationalpark nein, Schutz der Ostsee ja. „Der schlechte Gesamtzustand der Ostsee wird durch einen Nationalpark nicht verändert“, so Brüggemann. Er plädiert für einen kreativen und von der Allgemeinheit mitgetragenen Umweltschutz auf Grundlage der bestehenden Natura-2000-Gebiete.
Nationalpark Ostsee sieht in Kernzonen nur noch Umweltbeobachtungen vor
Als „Potenzialkulisse“ für den angedachten Nationalpark weisen die Karten des Umweltministeriums 160.000 Hektar aus. Im Norden des Landes geht es von der Flensburger Förde bis zur Schleimündung; nach einer Unterbrechung betroffen wäre dann die südliche Eckernförder Bucht. Als weitaus größte zusammenhängende Potenzialfläche gilt die östliche Kieler Bucht einmal um Fehmarn herum runter bis etwa Kellenhusen.
Die sogenannten Kernzonen dürfen dann nur noch zu „Umweltbeobachtungen“ und „Naturerleben“ genutzt werden. Gebraucht würden Ruheräume für die Natur, also Meeresflächen, wo Natur auch Natur sein dürfe. Mit dem Wassersport, so die Angst der Kritiker, könnte es dann vorbei sein.
Fehmarn als Wassersportinsel von Nationalpark besonders betroffen
Besonders betroffen von den Nationalpark-Plänen ist die Wassersportinsel Fehmarn. Der Surfspot etwa in Altenteil im Nordwesten der Insel gilt als einer der Besten für Fortgeschrittene. Doch wie lange können die Wassersportler ihrer Leidenschaft noch nachgehen?
Als Johannes Viethen und Jens Köhler vor mehr als einem Jahr den Campingplatz in Altenteil auf Fehmarn übernommen haben, haben sie gleich an den Naturschutz gedacht – schließlich liegt der traditionsreiche Platz aus den 1970er-Jahren inmitten eines Naturschutzgebietes, das Duschwasser für ihre Gäste wird durch Solarenergie erwärmt, sie haben sich mit dem Verein Haff und Huk getroffen, kümmern sich um den Schutz der Dünen.
Campingplatzbetreiber in Sorge: Ein Herzstück Altenteils bricht weg
„Wenn das durchgezogen wird und ein Befahrensverbot der Ostsee durch Wassersportler kommt, haben wir ein Problem. Das wäre ein massiver Einbruch. Denn das betrifft den größten Teil unserer Campingplatzgäste“, sagt Viethen.
Es sind ältere Semester, die schon jahrelang dort campen und ihren Sport ausüben, aber auch Jüngere – eine bunte Mischung. „Dann bricht ein Herzstück Altenteils weg. Ein Verbot geht zu weit.“
Blickt man auf den Belt vom Strand in Altenteil aus, sieht man die großen Containerschiffe am Horizont. Der Belt ist eine viel befahrene Wasserstraße, der Fehmarnbelttunnel nach Dänemark wird derzeit gebaut. Überfischung, Überdüngung, Offshore-Windparks, Schifffahrt, Brückenbauwerke, Weltkriegsmunition auf dem Meeresboden: Es ist jede Menge los auf und in der Ostsee. Und ausgerechnet Wassersportler sollen an dieser Stelle der Natur großen Schaden anrichten?
Nationalpark Ostsee: Tourismus-Service Fehmarn sieht Pläne kritisch
Ja, heißt es aus dem Umweltministerium. „Viele Wassersportler und Wassersportlerinnen sind enorm naturverbunden und gehen behutsam mit der Ostsee um. Gleichwohl führen Wassersportaktivitäten, wie beispielsweise das Kitesurfing, teilweise zu Störreizen bei Vögeln, die zu einer Verdrängung der Tiere aus ihren Rast- und Brutgebieten führen“, sagt Matthias Kissing, Sprecher des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums.
Nicht nur die Wassersportler fühlen sich in der Ausübung ihres Sportes bedroht, auch der Tourismus-Service Fehmarn sieht die Pläne zur Ausweisung eines Nationalparks Ostsee trotz des laufenden Konsultationsprozesses und noch ausstehender Workshops sehr kritisch.
„Seit vielen Jahren funktionieren Tourismus und parallel die bereits vier vorhandenen Naturschutzgebiete Fehmarn sehr gut miteinander. Wir können nicht erkennen, welche Verschärfungen der naturschutzrechtlichen Vorgaben die Qualität der Ostsee verbessern“, sagt Fehmarns Tourismuschef Oliver Behncke.
Fehmarns Tourismuschef: Wassersport schädigt das Ökosystem keinesfalls
Der Tourismusexperte widerspricht dem Umweltministerium, dass Wassersport Tiere und Natur beeinträchtigt: „Der emissionsfreie Wassersport, der von vielen Tausend Kitern, Surfern und Seglern wahrgenommen wird, hat nachweislich nicht zu einer Schädigung des Ökosystems geführt.“
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Die Stimmungslage ist auf Fehmarn mehr als angespannt, nicht nur bei den Wassersportlern. „Sondern branchenübergreifend, auch im Hinblick auf mögliche wirtschaftliche Folgen auf den Tourismus, insbesondere bei Herstellern, Einzelhandel, Kite-/Surfschulen und Vereinen“, so Behncke.
Nationalpark Ostsee: Minister will keine Verbote für Wassersport aussprechen
Minister Tobias Goldschmidt (Grüne) versucht, den Wassersportlern ihre Sorgen zu nehmen: „Ich sage klipp und klar: Es gibt kein Segelverbot – auch nicht in einer stark geschützten Kernzone eines Nationalparks. Vielmehr geht es darum, sich gemeinsam auf den Weg zu machen, die Natur unserer schönen Ostsee zu verbessern.“
Schleswig-Holstein werde ein Land des Wassersports bleiben und das gelte selbstverständlich auch für Fehmarn und andere Hotspots des Wassersports.
Es gehe nicht um Verbote, sondern um kreative Lösungen für einen besseren Ostseeschutz. „Eine gute Interessenabwägung zwischen den Belangen des Wassersports und des Naturschutzes erscheint sehr gut möglich.“ Ein Nationalpark in der schleswig-holsteinischen Ostsee werde nicht dazu führen, dass Kitesurfer, Wingfoiler, Windsurfer, Supper oder Segler in andere Landkreise oder gar Bundesländer ausweichen müssen, so der Minister.