Kiel. Einnahmen sinken, Ausgaben steigen deutlich – die Folgen für die Landesregierung. Was der grüne Fraktionschef Lasse Petersdotter erwartet.

Er ist einer aus der Generation Zukunft der schleswig-holsteinischen Grünen. Knapp über 30, links und „gut bei Verstand“, sagt Lasse Petersdotter von sich selbst. Seit einem Jahr ist er Fraktionschef der Grünen im schleswig-holsteinischen Landtag – und bis vor ein paar Tagen war er auch finanzpolitischer Sprecher seiner Partei. Im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt springt Petersdotter jetzt seiner Finanzministerin bei.

Nach einer von Landesrechnungshof, Opposition und Verbänden massiv kritisierten und nach 14 Tagen schon wieder aufgehobenen Haushaltssperre steht Monika Heinold stark unter Druck. An diesem Freitag will der Landtag das Thema in einer Sondersitzung aufarbeiten. Während Kritiker der erfahrenen Finanzministerin schwere Fehler und eine Vertrauen zerstörende Finanzpolitik vorwerfen, nennt Petersdotter die Haushaltssperre „nachvollziehbar“ und für ein „Instrument, damit Überblick und Kontrolle nicht verloren gehen“.

Nach Haushaltssperre: „Regieren in Schleswig-Holstein wird schwieriger“

Die in allen Rechnungsportalen hinterlegte Haushaltssperre hatte zum Teil recht kuriose Folgen. So konnten beispielsweise Dienstwagen – auch die der Polizei – zunächst einmal nicht mehr betankt werden. Die Opposition wertet die Hauruckaktion als Indiz für fehlendes Vertrauen Heinolds in die Finanzdisziplin ihrer Kabinettskollegen. Petersdotter widerspricht: „Das Vertrauen ist groß, aber eine Haushaltssperre ist eben mehr als ein bloßer Appell zur Sparsamkeit. Sie ist vor vielen Jahrzehnten rechtlich und technisch so gebaut worden, dass niemand schnell seine Schäfchen ins Trockene bringen kann.“

Wer an die Grünen in Schleswig-Holstein denkt, dem kommen zunächst Monika Heinold in den Sinn, Robert Habeck oder Aminata Touré. Um mit dem Namen Lasse Petersdotter etwas anfangen zu können, muss man eintauchen in den Politikbetrieb im Norden. Wie Touré oder Umweltminister Tobias Goldschmidt hat Petersdotter mit dem Erfolg der Grünen vor einem Jahr die zweite Reihe verlassen. Der Schritt nach vorn führte die 30-jährige Touré und den 41-jährigen Goldschmidt ins Kabinett und den 33-jährigen Petersdotter an die Spitze einer jungen, unerfahrenen und selbstbewussten Fraktion.

Massive Kritik der Opposition nach Haushaltssperre

Oppositionsführer Thomas Losse-Müller (SPD) hatte nach der Verkündung der Haushaltssperre das Ende der „schwarz-grünen Wohlfühlkoalition“ vorhergesagt. Angesichts sinkender Steuereinnahmen und steigender Ausgaben durch Inflation, Tarifabschlüsse und Zinsen sei es vorbei damit, inhaltliche Differenzen zwischen den Regierungspartnern mit Geld zu kitten. Petersdotter ärgert die Wortwahl: „Wir haben dieses Land durch mehrere Krisen geführt, da war nur sehr wenig Zeit zum Wohlfühlen“, sagt er an die Adresse des SPD-Politikers. Aber die Haushaltslage sei jetzt durchaus eine andere. „Wir sind es gewohnt, dass Steuereinnahmen steigen, jetzt müssen wir den Haushalt an die veränderte Wirklichkeit anpassen.“

Und das bedeutet: Regieren in Schleswig-Holstein wird anstrengender. „In der Koalition wird es mehr Verteilungskämpfe um das Geld geben. Jetzt müssen wir immer dann, wenn wir eine neue Ausgabe tätigen möchten, eine andere Ausgabe streichen.“ Das sei eine andere Haushaltskultur als in der Vergangenheit. Das werde sehr viel mehr Diskussionen brauchen. „Dafür braucht es eine gute Kultur in der Koalition. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir Lösungen finden, von denen beide Seiten profitieren.“

Was Lasse Petersdotter an grüner Politik stört

Petersdotter ist jung, grün und links – und steht doch für einen realpolitischen Kurs. „Mein Politikverständnis ist, für Mehrheiten zu kämpfen. Aktivisten können anders auftreten. Als Parlamentarier ändert sich gar nichts, wenn nicht die Hälfte des Hauses die Hand hebt. Deswegen kämpfe ich um Mehrheiten und bin dafür auch bereit, Kompromisse einzugehen“, sagt Petersdotter.

Er fordert von seiner Partei eine „glaubwürdige Politik“ ein. Das bedeute, Kompromisse zu schließen und diese zu erklären. „Wenn die CDU in Schleswig-Holstein auf 43 Prozent kommt, macht sie auch CDU-Politik in einer Koalition. Menschen finden es nachvollziehbar, wenn man dann klar sagt: In diesem Punkt haben wir uns nicht durchgesetzt. Das ist sehr viel glaubwürdiger und ehrlicher, als Entscheidungen schönzureden.“

Was ihn – auch an grüner Politik – nerve, sei, wenn notwendige Kompromisse als Erfolg kommuniziert würden. „Man muss dem Koalitionspartner auch mal gönnen können. Und man muss nach außen auch erklären können, dass nicht alles immer geil ist und ein Riesenerfolg.“

Regieren wird schwieriger – aber gut regieren ist Pflicht!

Petersdotter fordert von der schwarz-grünen Landesregierung, trotz schwieriger Kassenlage den Menschen das Gefühl zu vermitteln, gut regiert zu werden. „Wir dürfen nicht jedes Theater mitspielen und müssen auf der anderen Seite einen klaren Kompass haben für die Ziele, die wir zugesagt haben: für Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit.

Eine Reduzierung grüner Politik auf das Thema Umwelt- und Klimaschutz hielte Petersdotter für falsch. Das seien zwar die Kernkompetenzen, aber man müsse auch für den sozialen Zusammenhalt, eine gute Wirtschaftspolitik und Wohlstand für alle kämpfen. „Ich möchte in einem Wirtschaftssystem leben, wo man sich wieder Wohlstand erarbeiten kann und ihn nicht ererben muss, sondern dass harte Arbeit auch wieder was bringt.“

Lasse Petersdotter war mal in der SPD – drei Monate lang

Das klingt nicht nur nach SPD, das war auch mal SPD: „Ich hatte immer gedacht, mit meiner Biografie in die SPD eintreten zu müssen. Meine Mutter ist Altenpflegerin, mein Vater Maler und Lackierer.“ Drei Monate war Petersdotter denn auch vor zehn Jahren Sozialdemokrat. Dann ist er wieder ausgetreten. Ihm habe das Ökologische gefehlt, die Klimaschutzfragen und der Tierschutz. Anders als bei den Grünen. „Und die anderen linken Inhalte vertraten die Grünen ähnlich. Und so bin ich 2013 gewechselt und seitdem sehr zufrieden“, sagt Petersdotter.