Kiel. Schleswig-Holstein gibt dieses Jahr 16,7 Milliarden Euro aus. Ist das Geld richtig investiert? Opposition und Koalition uneins.

Eigentlich gelten Haushaltsdebatten in Parlamenten als „Stunde der Opposition“, als Gelegenheit zur Generalabrechnung mit der Arbeit der Regierung. Von schwer wiegenden Versäumnissen, gravierenden Fehlern oder Missmanagement ist dann gern die Rede. Im Landtag in Kiel nutzte hingegen der Regierungschef am Mittwoch die Haushaltsdebatte zur Abrechnung mit der Opposition. Ministerpräsident Daniel Günther, der zuletzt zwar immer mal wieder in bundespolitische Debatten eingriff, sich in Landesthemen aber eher zurückhielt, wirkte kämpferisch wie zu Oppositionszeiten.

Die Politik der FDP sei „nicht glaubwürdig“, schimpfte er. Finanzpolitische Solidität sehe anders aus. Er sei „genervt“ von ständigen Vorwürfen, die CDU mache nur den Grünen zuliebe Klimapolitik. „Was bilden Sie sich eigentlich ein?“, attackierte er Oppositionsführer Thomas Losse-Müller. Der SPD-Politiker hatte in einem Interview Ministern aus Günthers Kabinett schlechte Schulnoten gegeben. Die CDU habe bei der Landtagswahl 43,4 Prozent geholt, die SPD 16. „Selbst die Grünen sind stärker als Sie. Und Sie maßen sich an, Noten zu verteilen“, schimpfte Günther. Das Positive an der SPD sei, dass sie gar nicht erst den Eindruck erwecke, über Solidität zu reden. Klimaziele, Krankenhäuser, Schulen – bei allem, was die Regierung finanziere, setze die SPD noch eine Null hintendran. Eine solche Finanzpolitik erinnere ihn an den Größenwahn von Anfang des Jahrtausends. „Wir wissen, wo wir mit der HSH Nordbank gelandet sind“, polterte Günther. Die Sanierung der ehemaligen Landesbank und deren späterer Verkauf hat die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein viele Milliarden Euro gekostet.

Ministerpräsident Günther steht für den Landeshaushalt ein

Günther lobte, mit dem Haushalt mache Schwarz-Grün das Land nachhaltiger, sicherer und digitaler. Knapp 1750 zusätzliche Stellen für Schulen, Polizei und Verwaltung würden geschaffen. Den Fokus bei den Ausgaben lege man auf die Energiewende und die Bekämpfung des Klimawandels. „Klimaziele sind nicht verhandelbar“, sagte Günther. Wer mit der CDU koalieren wolle, müsse sich klar zum Umwelt- und Naturschutz bekennen.

Das Land plant 2023 mit Einnahmen von 15,8 Milliarden Euro und Ausgaben von 16,7. Die Differenz von 947 Millionen Euro wird aus Rücklagen und über „konjunkturbedingte Kredite“ ausgeglichen. An Zinsen zahlt das Land fast eine halbe Milliarde Euro. Fast neunzig Prozent der Ausgaben sind laufende Posten, für Investitionen bleiben 10,6 Prozent oder 1,7 Milliarden Euro übrig. Deutliche Kritik an Überlegungen der grünen Finanzministerin Monika Heinold, Klimaschutzmaßnahmen über neue Kredite („Sondervermögen“) zu finanzieren, kommt vom Landesrechnungshof: Dessen Präsidentin Gaby Schäfer: „Das Letzte, was Schleswig-Holstein braucht, ist ein neuer Milliardenkredit.“ Das Land hat bereits 33 Milliarden Euro Schulden angehäuft.

SPD spricht von "Zickzackkurs"

Nicht nur Günther teilte ordentlich aus. Der attackierte SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller sprach von einem „finanzpolitischen Zickzackkurs“ von Schwarz-Grün. Er forderte angesichts der Herausforderungen des Klimawandels ein Sondervermögen, „das so groß sein muss wie das Problem“. Zehn Milliarden Euro seien nötig, um die Wirtschaft sozial gerecht zu transformieren. Das wären, zum Vergleich, rund 60 Prozent des gesamten Landeshaushalts. „Nichts zu tun käme uns aber sehr viel teurer“, sagte der SPD-Politiker. Er warf Schwarz-Grün vor, das zentrale Versprechen, erstes klimaneutrales Industrieland zu werden, beerdigt zu haben. Thomas Losse-Müller nannte die Haushaltspolitik von Monika Heinold mit Zugriff auf Rücklagen und Sondervermögen die „Methode Eichhörnchen“. „Sie verstecken die Millionen irgendwo – wie das Eichhörnchen seine Nüsse“.

FDP-Fraktionschef Christopher Vogt sprach von einem „Haushalt der verpassten Chancen“. So seien beispielsweise die Investitionen in die Krankenhäuser „völlig unzureichend“. Viele Menschen im Land seien verunsichert, auch deshalb müssten CDU und Grüne den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Zukunftsfähigkeit des Landes stärken. „Vor allem die jungen Familien leiden besonders stark unter der Inflation.“ Aber die Landesregierung lasse sie „im Regen stehen“, statt die gedeckelten Kita-Beiträge weiter abzusenken. Vogt kritisierte, dass die Investitionsquote zwar offiziell über zehn Prozent gehalten werde, aber der Bedarf zum Beispiel beim Hochschulbau, der energetischen Sanierung, bei den Krankenhäusern oder auch bei den Landesstraßen sehr viel höher sei. Bevor der Regierungschef später zu seiner Generalabrechnung mit der Opposition ansetzte, kritisierte Vogt, Günther scheine nur noch „Wohlfühltermine“ wahrzunehmen, sich aber für die Landespolitik nicht mehr zu interessieren.

Erstmals wird mit Landesmitteln ein Institut für friesische Lehrerbildung finanziert

Anders als SPD und FDP konnte der ebenfalls oppositionelle SSW dem Haushalt einiges positives abgewinnen. „Wo die Landesregierung sehr löblich reagiert hat, ist beim Thema Stellenaufwuchs bei Polizei, Justiz und Katastrophenschutz.“ Geradezu begeistert ist SSW-Fraktionschef Lars Harms, dass aus dem Landeshaushalt erstmals ein „Institut für friesische Lehrerbildung“ finanziert werde. Harms nannte das einen „minderheitenpolitischen Quantensprung“. „Die Situation des Friesischunterrichts ist seit Jahren dramatisch. Immer weniger Menschen lernen und sprechen Friesisch, weil es eben kein festes Fach ist, es keine festen Strukturen gibt und sowohl Friesischlehrer als auch moderne Lehrmaterialien fehlen. Hier wird dieses neu aufzubauende Institut nun anknüpfen“, sagte Harms.

Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter warb im Landtag dafür, Klimaschutzmaßnahmen über neue Schulden zu finanzieren. Ob das gesetzeskonform wäre, ist umstritten – und in der Koalition mit der CDU nicht zu machen, wie Tobias Koch sagte. „Liebe Monika, der Koalitionsvertrag gilt“, stellte der CDU-Fraktionschef klar. Kochs grüner Koalitionspartner wirbt trotzdem für einen anderen Umgang mit der Schuldenbremse. Lasse Petersdotter: „Wenn erst dann ein kreditfinanziertes Sondervermögen für Klimaschutz aufgelegt werden dürfe, wenn das Wasser bereits in den Städten stehe, „dann ist die Schuldenbremse zynisch“.

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Auch Finanzministerin Heinold warnte vor den drastischen Folgen, wenn es nicht gelänge, den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen würden nie gekannte Fluchtbewegungen auslösen. Deshalb sehe sie auch für Schleswig.-Holstein großen Handlungsbedarf. Laut Heinold finanziere das Land im laufenden Haushaltsjahr Klimaschutzmaßnahmen mit 850 Millionen Euro.