Kiel/Hamburg. Einnahmen brechen ein, Ausgaben steigen stark. Schleswig-Holstein leidet besonders unter der Krise im Bau. Was die Maßnahme bedeutet.

Noch nicht einmal ein Jahr im Amt, verhängt die schleswig-holsteinische Landesregierung eine Haushaltssperre. Damit reagiert Schwarz-Grün auf dramatisch einbrechende Einnahmen und zugleich tarif- und inflationsbedingt stark steigende Ausgaben.

Nach Rekordeinnahmen noch im Jahr 2020 fehlen dem Land, so Finanzministerin Monika Heinold, im laufenden Jahr laut der regionalisierten Mai-Steuerschätzung 400 und im kommenden rund 600 Millionen Euro. Und die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass diese Schätzung auch tatsächlich eintrete, sagte die Politikerin der Grünen.

Schleswig-Holstein: Kabinett stimmt Haushaltssperre zu

„Die Einnahmeerwartung für den Zeitraum von 2023 bis 2027 geht um insgesamt 2,8 Milliarden Euro im Vergleich zur Oktober-Steuerschätzung 2022 zurück“, warnte Heinold. Die stellvertretende Regierungschefin hatte dem Kabinett deshalb die vorläufige Haushaltssperre vorgeschlagen, die Ministerinnen und Minister um Daniel Günther (CDU) haben der am Vormittag zugestimmt.

Das Problem auf der Ausgabenseite sind die hohen Tarifabschlüsse – dabei stehen die Verhandlungen für die Beschäftigten des Bundeslandes sogar noch aus. Die Inflation treibt zudem die Kosten zum Beispiel für geplante Baumaßnahmen in die Höhe. Als Drittes sind die Zinsen für Kredite stark gestiegen und schlagen voll auf den Haushalt durch. Und Schleswig-Holstein, sei „über alle Maßen verschuldet. Mit fast 11.000 Euro pro Kopf liegt die Verschuldung doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt.“

Schleswig-Holsteins Grüne gegen weitere Steuerentlastungen auf Bundesebene

Auf der Einnahmeseite wirken sich Bundesgesetze für das Land negativ aus. Heinold spricht von einem „hohen Preis“, den man für die großen Steuerentlastungspakete des Bundes zahle. „Das wird sich natürlich auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landes auswirken“, so die Grüne.

Infolge des „Inflationsausgleichsgesetzes“ gingen bundesweit die Einnahmen um rund 18 Milliarden Euro zurück. Der Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter erteilte deshalb weiteren Steuersenkungen auf Bundesebene eine Absage: „Es muss klar sein, dass dieser Kurs nicht fortgesetzt werden darf, weitere Steuersenkungen verkraften die öffentlichen Haushalte nicht.“

Schleswig-Holstein leidet besonders unter der Krise im Baugewerbe

Dadurch, dass die Hypothekendarlehen so teuer geworden und die Baukosten deutlich gestiegen sind, wird weniger gebaut. Wenn die Bautätigkeit zusammenbricht, werden weniger Immobilien verkauft. Die Folge: Die für die Bundesländer so wichtigen Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer sinken deutlich – in Schleswig-Holstein allein im laufenden Jahr um rund 200 Millionen Euro.

Das schlägt im nördlichsten Bundesland besonders stark durch, weil hier die Grunderwerbssteuer mit 6,5 Prozent im Ländervergleich extrem hoch ist. Die Steuerschätzer rechnen zudem mit deutlichen Rückgängen bei der Erbschaftssteuer.

Das Kabinett will deshalb möglichst zeitnah klären, wie es die Lücken schließen will: also welche geplanten Ausgaben gestrichen oder welche Einnahmen wie erhöht werden sollen. Ausgenommen von der Haushaltssperre sind Personalausgaben: Heinold hält an den geplanten Neueinstellungen unter anderem bei Verfassungsschutz, Polizei, Justiz und in der allgemeinen Verwaltung fest. Ebenfalls ausgenommen sind geplante Investitionen.

Was die Haushaltssperre in Schleswig-Holstein bedeutet

Unter die Haushaltssperre fallen aber unter anderem alle Zahlungsverpflichtungen, für die es keine rechtliche Bindung oder Zugaben gibt. Davon betroffen sind Zuschüsse an Institutionen, Verbände und Vereine. Verboten sind erst einmal auch Neuanmietungen, die Beauftragung von Gutachtern oder Sachverständigen, Dienstreisen und sogar der Kauf von Büromaterialien. Wer in der Verwaltung, sagen wir einmal, einen neuen Kopierer braucht, muss sich im Finanzministerium eine Ausnahmegenehmigung einholen und sagen, wo er stattdessen sparen will.

Laut Heinold zeichnet sich nicht nur für das Land, sondern auch für die Kommunen im Vergleich zur Steuerschätzung vom letzten Oktober ein Rückgang der Einnahmen ab: Das Finanzministerium rechnet für 2023 mit rund zwei Millionen Euro, für 2024 mit rund 125 Millionen Euro und 2025 mit rund 122 Millionen Euro weniger Geld für die Städte und Gemeinden.

Haushaltssperre – SPD spricht von Wählertäuschung

„Innerhalb von fünf Monaten verkündet die Finanzministerin erst einen unerwarteten Haushaltsüberschuss von einer Milliarde und heute eine Haushaltssperre. Die bekannten Fakten rechtfertigen diesen drastischen Schritt nicht.“ So kritisieren Oppositionsführer Thomas Losse-Müller (SPD) und die finanzpolitische Sprecherin seiner Fraktion, Beate Raudies, die Haushaltssperre. Sie sprechen von einer Überreaktion. „Was verschweigt uns Finanzministerin Heinold? Durch den Zeitpunkt zwei Tage nach der Kommunalwahl müssen sich die Wählerinnen und Wähler getäuscht fühlen“, kritisieren die SPD-Politiker und fordern eine Sondersitzung des Finanzausschusses.

Für die CDU-Fraktion kündigte Christopher Plambeck an, an Schuldenbremse und notwendigen Investitionen festhalten zu wollen. „Wir müssen daher bereits in diesem Jahr den Gürtel enger schnallen und uns zügig auf erste Einsparungen bereits im laufenden Haushalt verständigen“, so Plambeck.

Schleswig-Holstein verhängte letztmals 2009 eine Haushaltssperre

Für Annabell Krämer von der FDP zeigt die Steuerschätzung: „Es wird für die Finanzministerin sehr schwierig werden, die verschiedenen Wünsche von CDU und Grünen geräuschlos zusammenzubringen. Die Landesregierung muss jetzt endlich ihre langfristigen Prioritäten festlegen“, so Krämer.

Wie dramatisch die Situation ist, zeigt auch, dass ein schleswig-holsteinisches Kabinett 2009 zum vorerst letzten Mal eine Haushaltssperre erlassen hatte – also unmittelbar in der Folge der letzten weltweiten Finanzkrise.

Monika Heinold, die seit 2012 Ressortchefin in Schleswig-Holstein ist, kommentierte die Lage so: „Die Dimension von 2024, wenn uns 400 Millionen Euro im Haushalt fehlen, ist mir noch nicht begegnet als Finanzministerin.“ Und so gilt die Haushaltssperre so lange, bis „ich sie wieder aufhebe“, sagte Heinold.