Heide/Itzehoe. Körperverletzung, Raub: Opfer musste stundenlang leiden. Nun kommen Jugendliche vor Gericht. Warum die Haupttäterin straffrei bleibt.

Sie quälten und schlugen das Mädchen stundenlang. Misshandelten die Jugendliche, kippten Cola über sie aus, aschten auf sie. Das Leiden der 13 Jahre alten Schülerin aus Heide in Dithmarschen machte bundesweite Schlagzeilen, die Filme, die die jugendlichen Täterinnen ins Netz stellten, wurden zigtausendfach geklickt. Jetzt hat die zuständige Staatsanwaltschaft in Itzehoe Anklage gegen vier Mädchen erhoben. Sie sind zwischen 14 und 17 Jahre alt.

Die Anklagebehörde wirft den vier Jugendlichen gemeinschaftlichen Raub und gefährliche Körperverletzung vor. Das Landgericht hat den Prozess auch schon terminiert: Verhandelt wird am 6. Juni in nicht öffentlicher Sitzung vor dem Jugendschöffengericht in Meldorf.

Mädchen in Heide gequält – zwei Ermittlungen dauern an

Noch nicht abgeschlossen sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen zwei an der Misshandlung beteiligten Jungen. Die mutmaßliche Haupttäterin ist strafrechtlich ohnehin außen vor: Sie war zum Zeitpunkt der Tat – wie das Opfer – erst 13 Jahre alt und damit nicht strafmündig.

Am Ende des Verfahrens könnte das Jugendschöffengericht die jungen Täterinnen zu Sozialstunden verpflichten, zu einem Täter-Opfer-Ausgleich, zu sozialen Trainingskursen oder Auflagen. Theoretisch möglich wäre auch eine Jugendstrafe. Im Mittelpunkt eines Urteils steht aber auf jeden Fall der Erziehungsgedanke, sagte Oberstaatsanwalt Peter Müller-Rakow von der Staatsanwaltschaft am Dienstag.

Die Jugendlichen hatten ihr Opfer am 21. Februar nahe dem Heider Bahnhof stundenlang gequält. Für die 13-Jährige ging die Misshandlung noch Tage lang virtuell weiter, als die Sequenzen im Internet viral gingen. Zugleich brachen sich im Netz aber auch Hass und Hetze Bahn gegen die Täterinnen und deren Familien.

Tat von Heide gilt nicht als klassischer Mobbingfall

Haupttäterin und Opfer waren vor der Tat eng befreundet. Was genau die Jugendlichen Ende Februar in Heide dazu getrieben hat, ihr Opfer stundenlang zu misshandeln, auch darum wird es im Prozess vor dem Jugendgericht gehen.

Schon heute steht fest: Der Fall ist nicht der klassische Mobbingfall, bei dem eine Außenseiterin wochenlang von Mitschülern gequält wurde. Vielleicht war es eher eine spontane Tat nach einem Streit mit großer Dynamik, eine Tat unter Jugendlichen mit Förderbedarf und psychischen Störungen.

Der Fall wird nicht nur strafrechtlich aufgearbeitet, sondern auch politisch. Dabei habe sich „wieder einmal gezeigt, dass der Informationsfluss zwischen Jugendhilfe, Schule und Polizei nicht optimal verläuft“. So hatte Bildungsministerin Karin Prien im Abendblatt-Interview die mangelnde Behördenkommunikation vor und nach der Tat kritisiert. „Der Datenschutz ist hier ein Problem“, sagte die CDU-Politikerin im April. Sie forderte, die Zusammenarbeit zwischen den „einzelnen Institutionen und Akteuren“ zu verbessern.

Heide meldet aktuell jede Schulhofrauferei

Polizei, Schule und Jugendamt haben inzwischen reagiert. Erst in der vergangenen Woche hatte es ein weiteres Treffen der sensibilisierten Heider Behörden gegeben. Insider sprechen sogar von einer „Standleitung in Sachen Gewaltprävention“, die in der Kleinstadt an der Westküste eingerichtet wurde. So werde aktuell jede Schulhofrauferei gemeldet, hieß es.

Bleibt es bei der Strafunmündigkeit unter 14?

Die Ministerin und stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Karin Prien hatte im Abendblatt zudem eine wissenschaftliche Überprüfung zur Strafmündigkeit angeregt. Noch kommen alle Täter unter 14 Jahren grundsätzlich ohne Strafe davon – selbst wenn sie, wie zuletzt in Freudenberg, eine Gleichaltrige töten. Sie schließe eine Änderung bei der Strafmündigkeit nicht völlig aus, sagte Prien und forderte zu prüfen, ob eine Absenkung des Mindestalters ein wirksames Mittel sein könne.

„Pädagogische Maßnahmen und Aspekte der Resozialisierung müssen hier im Vordergrund stehen. Aber vielleicht müssen wir dazu kommen, dass zwar die grundsätzliche Strafunmündigkeit bei unter 14-Jährigen weiter gilt, wir aber in Einzelfällen, wenn die entsprechende Reife vorhanden war, auch Ausnahmen machen können“, sagte Prien. Zu dieser Frage steht die Bildungsministerin im Austausch mit der schleswig-holsteinischen Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack und mit dem CDU-Bundesvorstand.