Hamburg. Die Tatverdächtigen sind zwischen sechs und 14 Jahren alt – und tauchten 2022 auch in schweren Deliktsbereichen auf. Die Details.

Nach den schrecklichen Ereignissen, bei denen – wie in Freudenberg – Kinder Kinder töten, fragt man sich: Wie sieht es in Hamburg aus? Auch hier werden Kinder regelmäßig als Verdächtige nach Straftaten ermittelt. Durchschnittlich sind es acht pro Tag.

Die gute Nachricht: 2022 waren in Hamburg Kinder bei Tötungsdelikten nicht als Tatverdächtige dabei. Die schlechte Nachricht: Es wurden deutlich mehr Kinder als Tatverdächtige ermittelt als im Vorjahr – und auch mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Die Zahl stieg im Vergleich zu 2019 um mehr als 40 Prozent. 2944 Kinder im Alter von sechs bis 14 Jahren wurden in Hamburg im vergangenen Jahr von der Polizei als Tatverdächtige ermittelt. Das entspricht rund 4,5 Prozent aller Tatverdächtigen.

Polizei Hamburg: Kinder als Straftäter – 65 des Raubes beschuldigt

Jungen sind dabei deutlich überrepräsentiert – 66 Prozent der ermittelten Kinder sind männlich. Bei den Erwachsenen ist das Verhältnis noch eindeutiger: Dort sind 78 Prozent der Tatverdächtigen Männer. Auch wenn Kinder 2022 nicht im Zusammenhang mit Tötungsdelikten auftauchten: An Gewalttaten waren sie durchaus beteiligt. 547 Kinder wurden im Zusammenhang mit Gewaltkriminalität als Tatverdächtige ermittelt.

Als Räuber fielen im vergangenen Jahr 65 Kinder auf, darunter sieben Mädchen. 2019 wurden 44 Kinder des Raubes beschuldigt. Handtaschenraube, bei denen oft ältere Frauen die Opfer sind, waren in keinem Fall dabei.

Gefährliche Körperverletzung: 503 Kinder als Tatverdächtige ermittelt

Bei den gefährlichen und schweren Körperverletzungen war in fast jedem zehnten Fall ein Kind ein Tatverdächtiger. Das ist dadurch zu erklären, dass Kinder oft in einer Gruppe auf ein Opfer losgehen, was als gefährliche Körperverletzung gewertet wird. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 503 Kinder als Tatverdächtige bei gefährlichen Körperverletzungen ermittelt. Von diesen waren etwa ein Fünftel Mädchen. 2019 wurden 401 Jungen und Mädchen dieses Deliktes beschuldigt. Geht es um Waffen, ist das „Jungensache“. In elf Fällen hatten Kinder verbotene Waffen bei sich, dazu zählen auch bestimmte Messer. In allen Fällen handelte es sich um Jungen.

Polizei Hamburg: Kinder als Straftäter – Zahlen bei Sexualdelikten auffallend

„Jungensache“ sind auch Widerstandshandlungen – in einem Fall ging es um eine Gefangenenbefreiung. Auch hier waren unter den sechs ermittelten Tatverdächtigen keine Mädchen. Auffallend sind die Zahlen bei den Sexualdelikten. In Hamburg fielen 126 Kinder im Zusammenhang mit Sexualstraftaten auf. Dabei geht es vor allem um das Verbreiten von Pornografie, oft via Chat-Gruppen, die die Kinder zum Tatverdächtigen eines Verbrechens machen. 2022 verzeichnete die Polizei 82 Fälle. 2019 gab es 21 Fälle.

Mehr als ein Viertel der Kinder, die pornografische Inhalte verbreiteten, waren Mädchen. Vor Corona waren nicht einmal zehn Prozent der beschuldigten Kinder weiblich. Oft sind es pornografische Bilder anderer Minderjähriger, die Kinder verbreiten, herstellen oder besitzen.

Polizei Hamburg: In fünf Fällen waren Kinder in Drogenhandel verstrickt

Geht es um Drogen, fallen auch hier Kinder immer wieder auf. 27 Jungen und Mädchen wurden im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit Drogendelikten ermittelt. Bei einem Jungen, der zu der Gruppe der Zehn- bis Zwölfjährigen gehört, ging es um Kokain. Die meisten Kinder (18) wurden im Zusammenhang mit Cannabis als Tatverdächtige ermittelt. Acht waren Mädchen. In fünf Fällen waren Kinder in Drogenhandel oder Drogenschmuggel verstrickt – darunter auch ein Sechsjähriger.

Hohe Steigerungszahlen gab es beim Ladendiebstahl durch Kinder. 801 Jungen und Mädchen wurden dabei im vergangenen Jahr erwischt. 2019 waren es „nur“ 562. Aber auch in anderen Deliktsbereichen spielen Kinder eine Rolle. So gab es einen Brandstifter, sieben Kinder, die in Cybercrime verwickelt waren, und 23 Kinder, die einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr begangen haben. Rund 40 Prozent der Kinder, die die Polizei als Tatverdächtige ermittelt hat, haben keinen deutschen Pass. Bei den Tatverdächtigen aller Altersgruppen liegt der Anteil der Ausländer mit 47,4 Prozent höher.

Straffällige Kinder in Hamburg – „Zahlen sind alarmierend“

„Die Zahlen sind schon alarmierend“, sagt Jan Reinecke, Landesvorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter (BDK). „Es ist eine Entwicklung, die wir genau analysieren und im Auge behalten sollten.“

Strafrechtliche Konsequenzen muss keines der ermittelten Kinder fürchten. Sie sind strafunmündig. Zivilrechtlich können Kinder dagegen ab dem Alter von sieben Jahren für angerichtete Schäden haftbar gemacht werden. Die Ausnahme sind Delikte, bei denen es um Straßen- oder Bahnverkehr geht. Hier können erst Zehnjährige zivilrechtlich für durch sie entstandene Schäden herangezogen werden.