Kiel. Habeck behandele Schleswig-Holstein schlechter als „jeder bayerische Verkehrsminister“. Wie das Land dagegen vorgehen will.

Der schleswig-holsteinische Landtag hat einen neuen Buhmann ausgemacht. Zumindest große Teile des Parlaments sehen das so. Dieser Buhmann war hier jahrelang Minister und zuvor Abgeordneter. Und er heißt: Robert Habeck.

Massive Kritik am grünen Bundeswirtschaftsminister gab es in der Landtagssitzung am Mittwoch von CDU, SPD, FDP und vom SSW. Also von allen Fraktionen außer den Grünen. Habeck handelt aus Sicht von FDP-Fraktionschef Christopher Vogt „gegen den erklärten Willen seines eigenen Bundeslandes“. Vogt nennt das einen „einmaligen Vorgang“.

Schleswig-Holstein: A-23-Ausbau – Kritik an Robert Habeck von allen Seiten

Habeck behandele die Interessen seines eigenen Landes – der Grüne kommt aus Flensburg – schlechter, als „es jeder bayerische Verkehrsminister jemals getan hat“, kritisierte auch CDU-Fraktionschef Tobias Koch. Und immerhin regiert Kochs Partei im Norden gemeinsam mit Habecks Grünen – obwohl es in Schleswig-Holstein auch für ein CDU-FDP-Bündnis gereicht hätte. Woran sich der Streit entzündet hatte? Am Ausbau einer Straße.

Die ganz große Mehrheit im schleswig-holsteinischen Landesparlament hat Habeck als den Schuldigen für den stockenden Ausbau der A 23 ausgemacht. Die Autobahn soll nach dem Willen des Landtags zwischen Eidelstedt und Tornesch sechsspurig verbreitert werden. Nur hat der Politiker aus Flensburg verhindert, dass die Bundesregierung den Ausbau als „Maßnahme des vordringlichen Bedarfs zur Engpassbeseitigung“ anerkennt. Damit wird das Projekt denn vom Bund auch nachrangig behandelt.

Grüne sehen Schuld bei Bundesverkehrsminister Volker Wissing

Lediglich die Grünen haben einen anderen Verantwortlichen ausgemacht: „Der Autor dieses Dramas ist Bundesverkehrsminister Volker Wissing“, sagte Fraktionschef Lasse Petersdotter. Und der kommt von der FDP. „Nach einer quatschig langen Sitzung des Koalitionsausschusses auf Bundesebene hatte man sich darauf geeinigt, dass 144 Autobahnprojekte zur Engpassbeseitigung beschleunigt umgesetzt werden sollen. Das sind immer nur kleine Teilabschnitte, die ohnehin kommen sollten, nur jetzt eben schneller. Aus Schleswig-Holstein befand sich kein Projekt in dieser Liste. Auch nicht die A 23“, sagte Petersdotter.

Wissing hatte in der Tat auf einer Liste von 144 vorrangig auszubauenden Straßen die Westküstenautobahn ganz offensichtlich vergessen – und das nachträglich auch nicht mehr geheilt, indem er die Liste um ein Projekt auf 145 erweiterte. In den dann folgenden mündlichen Verhandlungen weigerte sich wiederum Habeck, die A 23 noch zu priorisieren.

Autobahnausbau: Auch die A 20 genießt keine Priorität

Zuvor hatten die Ampel-Partner von SPD, Grünen und FDP auch schon den Bau der A 20 von Bad Segeberg zur Westküste und dann weiter in einem Elbtunnel nach Niedersachsen zu forcieren verweigert. Die Folge: Kein einziges der 144 Projekte, die beschleunigt angegangen werden sollen, liegt in Norddeutschland.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, der am Mittwoch statt an der Landtagssitzung in Kiel am Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt teilnahm, hatte deshalb zuvor von einem „unwürdigen Schauspiel um die A 23“ gesprochen. Durch den Umgang mit dem Thema verspiele die Ampelkoalition jegliches Vertrauen in eine verlässliche Regierungsarbeit, so CDU-Politiker Günther.

Kritik der CDU: „Schlimmer als das Verhalten von Kindern im Sandkasten“

„Ausgerechnet Habeck handelt gegen die Interessen Schleswig-Holsteins“, kritisierte FDP-Fraktionschef Vogt am Mittwoch. Damit blamiere er zugleich die Landesregierung und stelle seinen Freund Daniel Günther bloß.

Den Querelen von Grünen und FDP in der Bundesregierung sind die beiden Autobahnprojekte im Norden zum Opfer gefallen. CDU-Fraktionschef Tobias Koch nennt das „politische Willkür“. Er beschreibt den Regierungszoff als „unwürdiges politisches Schauspiel und schlimmer als das Verhalten von Kindern im Sandkasten“.

Bundeskanzler Olaf Scholz ist „sprach- und führungslos“

Einmal in Fahrt, rechnete Koch nicht nur mit dem Bundeswirtschaftsminister seines Koalitionspartners ab, sondern auch mit FDP und SPD. Koch sprach von einem „höchst ärgerlichen Fehler“ der FDP in der Bundesregierung. Und von einer SPD samt „sprach- und führungslosem Bundeskanzler“, die sich wegducke. „Die Politik der Ampel ist grottenschlecht“, sagte der CDU-Politiker.

Neben CDU und FDP macht auch die SPD im Landtag die Grünen für das Scheitern beim Ausbau der Autobahn verantwortlich. „Robert Habeck ist unzuverlässig“, sagte SPD-Verkehrsexperte Thomas Hölck. „Die Grünen stellen sich gegen die Pendler“, die jeden Tag bei Hamburg im Stau stünden. „Sie machen Verkehrspolitik gegen das Auto.“

Aus Sicht des SSW ist Habeck für Norddeutschland „schlimmer, als es der CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer war“, sagte die Abgeordnete Sibylla Nitsch. Und der hatte immerhin die Pkw-Maut vergurkt und den Straßenausbau vor allem in seinem Heimatland Bayern priorisiert.

Einig waren sich alle Parteien – wenn auch die Grünen nur aus Koalitionsdisziplin und entgegen ihrer politischen Überzeugung: Der Ausbau der A 23 müsse jetzt halt nachträglich als von überragendem öffentlichen Interesse eingestuft werden.

Schleswig-Holstein: So wichtig ist der Ausbau der A 23

„Hier fahren jeden Tag 80.000 Autos und 8000 Lkw. Die Staugefahr ist extrem“, sagte Verkehrsminister Claus Madsen. Durch einen Ausbau zwischen dem Hamburger Stadtrand und Tornesch sinke die Unfallgefahr, der Verkehrsfluss verbessere sich, und der Lärmschutz werde im Zuge der Arbeiten auch ausgebaut, sagte der parteilose Minister.

Er habe Bundesverkehrsminister Wissing angeschrieben, weil die A 42 in Nordrhein-Westfalen nachträglich noch in die Liste aufgenommen worden sei, so Madsen. Dabei sei klar: „Die A 23 gehört zu den Autobahnen in Deutschland mit der häufigsten Staugefahr. Auf manchen Abschnitten der A 23 steht man rechnerisch mehr als 300 Stunden im Jahr im Stau.“ Auch über den Bundesrat versucht Schleswig-Holstein noch, den beschleunigten Ausbau der A 23 gegen den Widerstand von Robert Habeck durchzusetzen.