Kiel. Mehr Geld für Kitas, für Straßensanierung, für Digitalisierung: CDU, Grüne und FDP legen in Kiel ihren Koalitionsvertrag vor.

Häufig unpünktlich, aber meistens gut gelaunt: Dieses Klischee über Jamaikaner galt zumindest am Mittwoch auch in Schleswig-Holstein. Im Landeshaus stellten CDU, Grüne und FDP die Grundzüge eines „Jamaika“-Koalitionsvertrags vor. Bis zuletzt wurde an Formulierungen gefeilt, weshalb sich der Beginn der Pressekonferenz um eine halbe Stunde verzögerte. „Wir haben uns etwas Jamaika-Feeling gegönnt“, scherzte der angehende Ministerpräsident Daniel Günther.

Leitartikel: "Jamaika" in Kiel ist mehr als ein Farbtupfer

Dann trug er mit zunächst wackeliger Stimme vor, welche Schwerpunkte sich die erste „Jamaika“-Koalition in Schleswig-Holstein gesetzt hat – wenn sie denn gebildet wird. Investitionen in Höhe von 512 Millionen Euro wollen die drei Parteien in den kommenden fünf Jahren tätigen. Hinzu kommen 170 Millionen Euro für die frühkindliche Bildung. Diesen Schwerpunkt hatten die Koalitionäre bereits vor rund zwei Wochen genannt.

„Reinigendes Gewitter“

Damals war noch unklar, ob die Verhandlungen überhaupt zum Erfolg führen würden. Nach einem Krach am Mittwoch vergangener Woche schien kurzzeitig ein Scheitern wahrscheinlicher zu sein als eine Fortsetzung der Gespräche. „Ich hätte noch am Freitag nicht gedacht, dass wir heute so etwas vorlegen können“, gestand Günther ein und schob hinterher: „Die Verhandlungen waren bewegt und anstrengend.“ Er klang gut gelaunt – wie jemand, der auf etwas zurückblickt, das er zum Glück heil überstanden hat.

Monika Heinold, die Verhandlungsführerin der Grünen, sprach von einem „reinigenden Gewitter“, das den Unterhändlern gut getan habe. Der Vertrag sei nun „inhaltlich ausgewogen“. „Ja, wir betreten mit dieser Koalition Neuland, aber es fühlt sich ziemlich gut an“, sagte Heinold.

Heiner Garg, der FDP-Landesvorsitzende, betonte, „Jamaika“ sei „ein wirkliches Bündnis für die Menschen in Schleswig-Holstein“ und nicht nur eine Koalition des „kleinsten gemeinsamen Nenners“.

Was dieses „wirkliche Bündnis“ wirklich will, will es den Schleswig-Holsteinern allerdings erst am kommenden Freitag detailliert erzählen. Weshalb auf der Pressekonferenz viele Fragen unbeantwortet blieben.

Digitalisierung vorantreiben

Bekannt ist seit gestern aber immerhin, dass die Koalitionäre mehr Geld in die Hochschulen investieren wollen. 100 Millionen Euro sollen für Gebäudesanierungen in diesem Bereich ausgegeben werden. Für den Schulbau werden 50 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Ebenfalls 50 Millionen Euro gehen an die Krankenhäuser. 40 Millionen Euro fließen zusätzlich in den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Je zehn Millionen werden für E-Mobilität und das Radwegenetz ausgegeben, ebenso für Häfen und für Barrierefreiheit. Hinzu kommen 120 Millionen für die Sanierung der Landesstraßen – diese Zahl ist schon seit ein paar Tagen bekannt.

Neu ist hingegen, dass Schleswig-Holstein mehr Geld in den Ausbau der digitalen Infrastruktur stecken will: 50 Millionen Euro. Für die FDP war dies ein besonders wichtiger Punkt. Bernd Buchholz, ehemals Vorstandsvorsitzender von Gruner + Jahr, hat ihn mit ausverhandelt. „Die Digitalisierung ist ein zen­trales Thema dieser Koalition“, sagte er. „Wir wollen auch das Energiewendeland Nummer eins sein. Dazu gehört auf der Seite der Wirtschaft, dass wir innovative Unternehmen und Existenzgründer ins Land holen, die in diesem Bereich forschen und arbeiten.“ Dies sei die „Vision“ von „Jamaika“.

Verschiedene Verhandlungskulturen

Buchholz ist in den vergangenen Tagen bei vielen Koalitionsverhandlungen dabei gewesen. Ein knallharter Einstieg in einen Politikbereich, den er bisher nur aus der Ferne mitbekommen hat. Sein Eindruck von den politischen Akteuren ist positiv: „Ich glaube, man kann gut zusammenarbeiten.“ Hat ihn jemand besonders beeindruckt? „Ja, Monika Heinold, das muss ich schon sagen. Wegen ihrer ruhigen und kompetenten Art.“

Der Streit, der sich an Formulierungen im Bereich Verkehr entzündet hatte, sei am Ende hilfreich gewesen. Da seien eben auch verschiedene Verhandlungskulturen aufeinandergetroffen. „Und in diese Verhandlungskulturen muss man sich erst einmal hineindenken.“

Letzte Hürde nehmen

Ob und wann die 512 Millionen Euro fließen, ist noch unklar. Das Geld soll im Wesentlichen aus Haushaltsüberschüssen kommen. Die hat es zuletzt zwar gegeben, aber dennoch sind sie eine Seltenheit. Wenn es diese Überschüsse in den kommenden Jahren nicht geben sollte, müsste an anderer Stelle im Haushalt Geld eingespart werden, um investieren zu können. Monika Heinold, alte und mutmaßlich neue Finanzministerin, sagte dazu gestern einen komplizierten und einen einfachen Satz. Der einfache lautete: „Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden, und manchmal ist es sogar besser, nur einen halben Euro auszugeben.“

Ein Satz, der zumindest gestern nicht geeignet war, die gute Laune der „Jamaikaner“ zu trüben. Am Freitag soll der komplette Koalitionsvertrag veröffentlicht werden. Am Sonnabend werden sich die meisten „Jamaikaner“ in die Kieler Woche stürzen. Sie endet am Sonntag, 25. Juni. Am Montag, 26. Juni, gilt es, die letzte Hürde zu nehmen: Das Ergebnis des Mitgliederentscheids der Grünen wird veröffentlicht. Monika Heinold sagt: „Ich empfehle die Annahme des Koalitionsvertrags.“