Flensburg . Vor 70 Jahren wurde die letzte Reichsregierung unter Admiral Dönitz verhaftet. Schleswig-Holsteins Kultusministerin kritisiert braune Nachkriegszeit im Norden.

Schleswig-Holsteins Kulturministerin Anke Spoorendonk (SSW) hält die Auseinandersetzung mit der Nazi-Diktatur für eine dauerhafte Aufgabe. „Die Erinnerung an den beispiellosen Zivilisationsbruch des nationalsozialistischen Völkermords und seine Opfer hilft uns, die Gefahren für unsere moderne und humanistisch geprägte Gesellschaft wachzuhalten“, erklärte die Ministerin am Sonnabend anlässlich einer Gedenkveranstaltung im Polizeirevier Norderhofenden. Dort war auf den Tag genau vor 70 Jahren die letzte Reichsregierung unter Admiral Karl Dönitz von britischem Militär verhaftet worden – zwei Wochen nach der Kapitulation am 8. Mai 1945.

„Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit bleiben Herausforderungen einer offenen, demokratischen Gesellschaft“, mahnte Spoorendonk. Die kritische Erinnerung an die Nazizeit sei heute Teil der demokratischen Identität Deutschlands. „Der 23. Mai 1945 markierte das Ende des finstersten Abschnittes deutscher Geschichte. Einer Zeit, die um unserer Selbstvergewisserung nie in Vergessenheit geraten darf.“

Kritisch ging Spoorendonk auf die Zeit des Kriegsendes und die Jahre danach im Norden ein. Zur letzten Reichsregierung um Dönitz habe es damals viele Drahtzieher des NS-Regimes gezogen. Auf der sogenannten Rattenlinie Nord hätten viele Nazis ihren Verfolgern entkommen wollen – etwa der Reichsführer SS Heinrich Himmler oder der Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz, Rudolf Höß. „Es ist eine Tatsache, dass Schleswig-Holstein nach dem Ende des NS-Terrors 1945 eine zweite braune Phase erlebt hatte“, sagte die Ministerin. Diese bis in die 1960er Jahre währende Zeit habe sich auf die politische Entwicklung des Landes und die geistigen Strömungen in unserer Gesellschaft ausgewirkt.

Den 23. Mai 1945 in Flensburg bezeichnete Spoorendonk als denkwürdigen Tag: „Einer losgelöst von jeglicher Wirklichkeit tagenden Restregierung Dönitz wurde mit ihrer Verhaftung ein Ende gesetzt. Die Präsentation der Verhafteten vor der Weltpresse hier im Hof des Polizeipräsidiums markierte unabänderlich: Es ist vorbei.“

Adolf Hitler, der sich am 30. April 1945 angesichts der absehbaren Kapitulation Nazi-Deutschlands umbrachte, hatte in seinem politischen Testament Dönitz als Nachfolger bestellt. Dönitz setzte die geschäftsführende Reichsregierung in Flensburg ein.

Zu Gedenkveranstaltung waren auch Vertreter der alliierten Siegermächte und der Kommandeur der Marineschule Flensburg-Mürwik, Flottillenadmiral Carsten Stawitzki, eingeladen. Zum Auftakt zeigte die Theaterwerkstatt Pilkentafel ihre Performance „Tanz den Dönitz“ im Gefängnishof des Polizeipräsidiums. Kränze wurden am Denkmal für die Verfolgten des nationalsozialistischen Regimes, dem Hebroni-Denkmal, niedergelegt.