Bei der Explosion eines Gaskochers verletzte sich ein 22-Jähriger schwer, Motörhead brachen ihren Auftritt nach einer halben Stunde ab. Ein Todesfall überschattet weiter das Wacken Open Air.
Wacken. Bei der Explosion einer Gaskartusche hat sich ein 22 Jahre alter Besucher des Heavy-Metal-Festivals in Wacken bei Itzehoe schwere Verbrennungen zugezogen. Nach Angaben der Sanitäter hatte er am Freitag versucht, einen Gaskocher anzumachen. Dabei sei die Kartusche explodiert, es habe eine Stichflamme gegeben. „Der Grund kann eine defekte Dichtung, aber auch die Hitze sein“, sagte ein Sprecher. Der Mann sei mit dem Hubschrauber in ein Unfallkrankenhaus nach Hamburg geflogen worden. Die Verbrennungen seien nicht akut lebensgefährlich gewesen.
Die Konzerte am vorletzten Tag laufen derweil weiter. Doch nicht alle laufen planmäßig: Hardrock-Musiker Lemmy Kilmister (67) hat mit seiner Band Motörhead nur ein verkürztes Konzert gespielt. Nach 30 Minuten ging die Gruppe am Freitagabend von der Bühne – angekündigt waren 75 Minuten. „Das ist alles, was er momentan tun kann“, erklärte Festival-Chef Thomas Jensen anschließend auf der Bühne. Vor dem Wacken Open Air hatte die Band als Wackelkandidat gegolten. Grund war Kilmisters angeschlagene Gesundheit mit Herzproblemen. Kurz vor dem Start des Festivals hatten die Veranstalter dann erklärt: Motörhead kommen.
Trotz des Todesfalles am Freitag geht das Festival weiter: Ein 52 Jahre alter Besucher wurde nach Angaben der Rettungskräfte am Freitagmorgen tot in seinem Zelt gefunden. Die Helfer seien zwar schnell bei ihm gewesen, hätten jedoch nichts mehr tun können. „Es gibt bislang keine Anzeichen auf Drogen- oder Alkoholmissbrauch“, sagte ein Sprecher am Nachmittag. Da die Polizei auch einen Unfall oder ein Verbrechen ausschließe, könnte der Mann auf natürliche Weise gestorben sein. Der polnische Staatsbürger soll nun in der Pathologie in Itzehoe untersucht werden.
Auch im vergangenen Jahr hatte es einen Toten bei dem wohl weltgrößten Heavy-Metal-Festival gegeben: Er war auf einem Auto-Anhänger eingeschlafen und starb an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Solange keine weiteren Details zu dem neuen Fall bekannt seien, werde das Festival wie geplant weiterlaufen, erklärten die Veranstalter. Für den Abend standen unter anderem die heiß erwarteten Shows von Motörhead und Doro Pesch auf dem Programm. Die „Metal-Queen“ wollte in Wacken ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum feiern.
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) meldete mehr als 1900 Menschen, die während des Festivals medizinisch hätten versorgt werden müssen. Die Zahl der Kreislaufzusammenbrüche werde wohl noch zunehmen, sagte eine Sprecherin. Die Polizei zählte seit Donnerstag rund 80 Diebstähle, vor allem aus Zelten. Zwei mutmaßliche Diebe seien festgenommen worden. Zudem mussten zwei Männer das Gelände verlassen, weil sie mit einer Motorsäge hantiert hatten.
Die „Metalheads“ arrangierten sich so gut es ging mit den hohen Temperaturen. Allein am Morgen strömten knapp 2000 von ihnen in das örtliche Schwimmbad – und selbst eine Autowaschanlage war vor den Metal-Fans nicht sicher. Das 24. Wacken Open Air (W:O:A) endet in der Nacht zum Sonntag.
Wirbel um Auftritt von Heino
Schlagerstar beim Heavy-Metal-Festival: Der Neu-Rocker Heino (74) ist als Überraschungsgast beim Open Air im schleswig-holsteinischen Wacken aufgetreten. Gemeinsam mit der Band Rammstein stand der blonde Sänger am späten Donnerstagabend auf der Bühne. „Begrüßen Sie mit mir einen speziellen Gast: Heino“, hatte Rammstein-Sänger Till Lindemann (50) zuvor kurz und knapp angekündigt. Anschließend sangen beide im Duett „Sonne“ - ursprünglich ein Rammstein-Hit, den Heino aber für sein Rock-Album „Mit freundlichen Grüßen“ gecovert hatte.
Zehntausende Metal-Fans applaudierten dem Urgestein der Schlagerszene. Mit seinem roten Mantel war Heino („„Blau blüht der Enzian“) ein kleiner Farbfleck zwischen den dunkel gekleideten Musikern von Rammstein auf der riesigen Wacken-Bühne.
In der Musikszene hatte Heinos Cover-Album in den vergangenen Monaten für Wirbel gesorgt – die Bands hätten sich boshaft über die Songs geäußert, hieß es. Lindemann selbst hatte Heino bei einem Konzert mit Perücke und Sonnenbrille imitiert. Falls es Streit gegeben haben sollte, wurde er nun in Wacken beigelegt.
„Wacken ist groß genug für alle“
Ein bisschen wie ein Fremdkörper wirkt Heino dann doch, als er plötzlich lächelnd zwischen den grimmig dreinblickenden Rockern von Rammstein steht. Der Schlagersänger hat sich für einen auffallend roten Mantel entschieden. Zur Garderobe von Rammstein-Sänger Till Lindemann gehören eher die dunklen Töne. Rot wird es bei der Rammstein-Show vor allem, wenn Lindemann wieder mit Kunstblut hantiert. Aber: Wacken vereint. Hier die Band, die Lieder wie „Bück dich“ im Repertoire hat. Dort der 74-jährige Heino, der für Schunkler à la „Blau blüht der Enzian“ bekannt ist – selbst wenn er kürzlich ein Rock-Album aufgenommen hat. Gemeinsam stehen sie vor Zehntausenden „Metalheads“ auf der Bühne.
Einige hartgesottene Rammstein-Fans schütteln erkennbar den Kopf, als der Überraschungsauftritt vorüber ist. Insgesamt sind die Reaktionen aber freundlich, wenn auch eher verhalten. Heino bekommt artig Applaus. Das hat auch den Grund, dass in Wacken lockere Spaßmusik keine Seltenheit ist. Das Wacken Open Air (W:O:A) gilt zwar als größtes Heavy-Metal-Festival der Welt, eine Prise Klamauk hat aber Tradition. Im Fall der Wackener Feuerwehrkapelle wird sie sogar regelrecht verehrt.
„Wacken, Wacken, Feuerwehr!“ schallt es über das Festivalgelände, als die „Firefighters“ den letzten Ton geblasen haben. „Wahnsinn. Normalerweise sind für uns 500 Leute schon viel. Hier auf dem Festival sind es gefühlt 100 000“, sagt Hans-Otto Kählert, noch ein wenig aufgekratzt von der Show. Der 46-Jährige hilft in diesem Jahr am Altsaxophon aus. Während Rammstein in New York und Madrid auftreten, ist Kählerts musikalische Heimat eigentlich der Feuerwehrmusikzug in Hanerau-Hademarschen. Bei Wacken treffen sie aufeinander. Die Dorfkapelle gehört seit 2003 zur festen Tradition.
„Wacken ist doch groß genug für alle“, sagt der Mambo Kurt. Er spielt in Wacken seit 2004 Konzerte an einer Heimorgel mit einem, nun ja, sehr speziellen Sound. Als der 46-Jährige anfing, war seine Bühne für etwa 150 Leute ausgelegt. Es kamen dann aber über 2500. „Ich bin in Wacken derjenige, der Songs spielen darf, die sich sonst keiner traut, öffentlich zu spielen“, sagt er nach der ersten Show. Sprich: Mit dem Mambo Kurt, der seinen wahren Namen nicht verraten will, findet auch Eurodance von Dr. Alban in Wacken statt.
„Wenn ich 60 Kapellen mit einem langhaarigen Gitarristen gesehen habe, ist es für den einen oder anderen Fan spannend, etwas Nonsens zu sehen“, erklärt Festivalgründer Thomas Jensen die Mischung. So lange immer irgendwo eine Metal-Band zu hören sei, werde das Konzept des Festivals nicht verwässert. Der Vorwurf, Wacken sei fast Ballermann, prallt an Jensen ab. Spaßkapellen habe es in Wacken immer gegeben und im Grunde entscheide doch das Publikum. „Wenn eine Band wie Blechblos’n gut ankommt, dann werden die wieder eingeladen. So läuft das“, erklärt Jensen.
Eben jene Blechblos’n – Untertitel „Die bayrische Band“ – spielen seit 20 Jahren in München auf dem Oktoberfest. Und zum dritten Mal in Wacken. „Wir bauen zum Beispiel mal einen Walzertakt in eine Rammstein-Nummer ein. Das würden die wohl nie machen“, erklärt Reinhard Unsin das Prinzip seiner Blaskapelle. Die Männer treten angemessen zünftig auf und sprechen breiten Dialekt. „Wir würden gerne irgendwann mal auf der Hauptbühne spielen, egal wie“, sagt Unsin. Heino hat ja vorgemacht, wie es geht.