Zensur oder Datenschutz? Landespolitiker werfen der Segeberger Landrätin Jutta Hartwieg mangelnden Aufklärungswillen vor.

Kiel. In der sogenannten Kellerkind-Affäre haben Landespolitiker der Segeberger Landrätin Jutta Hartwieg (SPD) Zensur und mangelnden Aufklärungswillen vorgeworfen. Aus einem teilweise geschwärzten Gutachten seien „keinerlei Schlüsse möglich, ob beim Jugendamt irgendetwas falsch gelaufen ist“, sagte die CDU-Landtags- und Kreistagsabgeordnete Katja Rathje-Hoffmann am Donnerstag im Sozialausschuss. Es sei nicht möglich, Lehren aus dem Fall zu ziehen für eine Verbesserung des Jugendschutzes. „Ich halte das für Zensur.“ Die FDP-Landtagsabgeordnete Anita Klahn äußerte den Verdacht, „dass es – trotz gegensätzlicher Beteuerungen – kein echtes Interesse an einer umfassenden Aufarbeitung des Falls gibt“.

Landrätin Hartwieg wies vor dem Ausschuss die Vorwürfe energisch zurück. Das Schwärzen von Passagen mit sensiblen Sozialdaten in Gutachten sei eine übliche Verwaltungsmethode. „Eine Gesellschaft ohne Vertrauensschutz wäre eine totalitäre.“ Die Justiziarin des Kreises Segeberg, Karin Grandt, machte deutlich, dass sie nach Rücksprache mit dem Unabhängigen Landeszentrum Datenschutz das Gutachten eingeschwärzt habe. Konkrete Daten über ein Familie dürften nicht weitergegeben werden.

Dem Sozialausschuss liegt bislang noch nicht einmal das geschwärzte Gutachten vor – aus Zeitgründen. Rathje-Hoffmann hatte es als Kreisabgeordnete bekommen. Ungeschwärzt liegt es dem Jugendhilfe-Fachausschuss und dem Hauptausschuss des Kreises als politischer Aufsicht der Landrätin sowie dem Kieler Innenministerium vor. Es hat die Rechtsaufsicht und lässt vom Sozialhilfeministerium prüfen, ob Rechtsverstöße vorliegen. Der Erkenntnisgewinn der Beratung im Sozialausschuss sei gleich Null, resümierte Klahn.

Im Juni 2012 hatten Polizisten einen dreijährigen Jungen eingesperrt in einer verdreckten, unbewohnten Kellerwohnung in Bad Segeberg entdeckt. Die überforderte Familie, die im Erdgeschoss darüber wohnte, wird seit Jahren von den Behörden betreut. Der Keller war dennoch nicht aufgefallen.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Baasch warnte vor einer Skandalisierung des Falls, wie das die Opposition schon seit Wochen versuche. „Fest steht, dass aufseiten der Behörden Fehler gemacht wurden.“ Diese müssten von den zuständigen Stellen und allen, die mit diesem Fall befasst waren und sind, aufgearbeitet werden. Eine Schwachstellenanalyse sei bereits gemacht worden. „Daraus sind Schlüsse für die fachliche Weiterentwicklung der Jugendhilfe zu ziehen und umzusetzen.“

Landrätin Hartwieg sagte zu dem Gutachten des Kinderschutzexperten und Soziologen Reinhart Wolff, dass es schmerzliche Kritik für das Jugendamt enthalte, aber auch viel Entlastendes.

Auch die Grünen-Landtagsabgeordnete Marret Bohn forderte eine lückenlose Aufklärung des Segeberger Jugendhilfefalls. Gemeinsam mit Kreisen und kreisfreien Städten müsse über Qualitätsstandards, Qualitätssicherung und abgestimmte Verfahren nachgedacht und der Kinderschutz weiter verbessert werden. Die Mitarbeiter in Ämtern und Diensten leisteten einen schwierigen und verantwortungsvollen Job. „Sie brauchen Unterstützung in Form von ausreichenden Stellen, bestmöglicher Qualifikation, Fortbildung und Supervision.“ Notwendig sei eine noch bessere Vernetzung. „Dies gilt für alle Hilfen rund um die Familien. Auch die Möglichkeiten einer besseren Vernetzung mit den Familiengerichten muss überprüft werden.“