Im Falle eines verwahrlosten Dreijährigen in Bad Segeberg erhält der Hauptausschuss nun wie gefordert vollen Einblick in das Gutachten.

Bad Segeberg. Ein Schritt zur Aufarbeitung der Segeberger „Kellerkind“-Affäre: Landrätin Jutta Hartwieg wird ein Gutachten nun doch ungeschwärzt dem Hauptausschuss des Kreises zur Verfügung stellen. Entsprechende Medienberichte bestätigte am Mittwoch Gernot Schramm von der Pressestelle des Kreises. Der Hauptausschuss, der die Arbeit der Landrätin politisch kontrolliere, könne nun das Gutachten des Soziologen Reinhart Wolff auswerten.

„Dies bedeutet aber nicht, dass es jetzt am Schwarzen Brett hängt“, betonte Schramm. Der Hauptausschuss dürfe das Gutachten nicht veröffentlichen. Das Gremium habe am Dienstagabend den Kreis beauftragt, Strafanzeige gegen unbekannt zu stellen, da Medien bereits über den Inhalt geschwärzter und weggelassener Passagen aus dem Gutachten berichtet hatten. Schramm betonte, die Landrätin sei weiterhin entsetzt darüber, dass dies passiert sei. Es gelte Betroffene zu schützen und den Datenschutz zu beachten.

Den Sinneswandel der Landrätin begründete Schramm damit, dass der oberste Datenschützer Schleswig-Holsteins, Thilo Weichert, und dann auch das Innenministerium als Rechtsaufsicht grünes Licht dafür gegeben habe. Ein Sprecher des Innenministeriums bestätigte dies am Mittwoch in Kiel.

Im Juni 2012 hatten Polizisten einen dreijährigen Jungen eingesperrt in einer verdreckten, unbewohnten Kellerwohnung in Bad Segeberg entdeckt. Ein Handwerker hatte Wimmern gehört und die Polizei gerufen. Die Eltern lebten im Erdgeschoss des Einfamilienhauses über der Wohnung.

Die Familie ist den Sozialbehörden seit vielen Jahren bekannt. Sie wurde betreut und regelmäßig besucht. Dennoch fiel nicht auf, dass es den Keller gab und der Junge dort sich zumindest zeitweise aufhielt. Ob das Kind oft in dem Kellerraum eingesperrt wurde und wie lange es dort sein musste, ist bis heute unklar. Die Familie hat sechs Kinder. Alle Kinder sind inzwischen den nach Ansicht des Jugendamtes völlig überforderten Eltern entzogen worden. Es hatte Gerichtsprozesse um das Sorgerecht gegeben.

Verschiedene Medien berichteten über den Inhalt geschwärzter und weggelassener Passagen aus dem Gutachten des Kinderschutzexperten Wolff. So soll es bereits seit 2005 Berichte über körperliche und psychische Gewalt in der Familie gegeben haben.

In einer Presseerklärung hatte Hartwieg (SPD) betont, die Verwaltung haben nichts zu verbergen: „Wir müssen Menschen schützen, denen wir helfen wollen. Den Vorwurf einer Zensur weisen wir entschieden zurück.“ Die sozialpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Katja Rathje-Hoffmann, hatte den Begriff der Zensur verwendet und der Landrätin eine Salamitaktik vorgehalten. Rathje-Hoffmann, die auch Kreistagsabgeordnete ist, monierte, dass selbst der Hauptausschuss des Kreistages als Auftraggeber des Gutachtens nicht die komplette Version erhalten habe.