In Schleswig-Holstein gibt es fast so viele Arbeitssuchende wie Ausbildungsplätze. Die Chancen für einen Platz stehen daher sehr gut.

Kiel. Kurz vor Beginn eines neuen Ausbildungsjahres sind in Schleswig-Holstein noch 4600 Ausbildungsplätze frei. „Junge Menschen haben heute so gute Chancen wie fast nie zuvor auf einen Ausbildungsplatz“, sagte Schleswig-Holsteins Arbeitsminister, Reinhard Meyer (SPD), am Dienstag in Kiel. Besonders im Bereich des Einzelhandels seien die Chancen momentan sehr gut. Meyer appellierte an alle Schulabgänger, die Suche nach einem Ausbildungsplatz selbst nach einer Absage auf keinen Fall aufzugeben. Nach Angaben der Agentur für Arbeit stehen den freien Ausbildungsplätzen derzeit noch 4350 unversorgte Bewerber im Norden gegenüber.

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Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schleswig-Holstein zeigte man große Zuversicht, dass die jungen Leute fündig werden. „Es wird selbstverständlich dieses Jahr wieder gelingen, jedem geeigneten Bewerber eine Qualifizierungschance zu ermöglichen. Wir gehen sogar davon aus, dass am Jahresende etwa 2000 Ausbildungsplätze in Industrie, Handel und Dienstleistung unbesetzt bleiben, weil der Bewerbermarkt weitgehend leer gefegt ist“, sagte Hans Joachim Beckers, Federführer Ausbildung. Er lobte die „besten Chancen auf dem Lehrstellenmarkt seit Jahrzehnten“. Als Ursache dafür gelten vor allem der demografische Wandel und der zunehmende Fachkräftemangel.

Bis Ende Juli hatten die IHKs Flensburg, Kiel und Lübeck 8788 Lehrverträge für Industrie, Handel und Dienstleistungen eingetragen - eine Steigerung zum Vorjahr von 1,02 Prozent. Seit Januar warben die IHKs 585 neue Ausbildungsbetriebe mit 1012 neuen Ausbildungsplätzen. Bei der IHK-Lehrstellenbörse im Norden seien derzeit noch 1417 Ausbildungsplätze im Angebot. Und: Auf dem Lehrstellenmarkt herrscht den Angaben zufolge noch starke Bewegung. Bisher seien rund 70 Prozent der Ausbildungsverträge dieses Jahres geschlossen worden.

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2500 Verträge könnten 2012 noch dazukommen. Zahlreiche Betriebe suchten noch dringend geeignete Bewerber, in technischen wie in Dienstleistungsberufen, hieß es von der IHK.

Durch die geänderte Situation auf dem Ausbildungsmarkt haben Beckers zufolge auch Jugendliche mit nicht so guten Zeugnissen bessere Aussichten, eine Lehrstelle zu finden – vor allem in den Branchen, in denen Nachwuchs fehlt. Gerade Bewerber mit mäßigen Schulnoten gehören nach Ansicht von Margit Haupt-Koopmann, Chefin der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit, zu denen, die bisher noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Die Fachfrau forderte die Arbeitgeber gezielt auf, sich auch solche Bewerber „genau anzusehen und sich dann gegebenenfalls zu sagen ’ich mach was aus diesen Jugendlichen’.“

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Die Arbeitsagentur biete begleitende Schulungsangebote für Auszubildende – „eine Art Nachhilfeunterricht“ – um Defizite auszugleichen. Außerdem bietet das Land nach Angaben des Arbeitsministeriums Unternehmen finanzielle Unterstützung, wenn sie für Jugendliche mit schwierigen Startvoraussetzungen Ausbildungsplätze schaffen. Die Investitionsbank Schleswig-Holstein habe dafür ein spezielles Programm. Unternehmen könnten sich so die Fachkräfte heranziehen, die sie künftig brauchen, meinte Haupt-Koopmann. Auch Beckers betonte, eine eigene Ausbildung der Betriebe sei „der wirksamste Weg der Personalgewinnung.“ Es gelte den „zukünftigen Personalbedarf frühzeitig zu sichern.“

Haupt-Koopmann forderte aber auch junge Bewerber zu Beweglichkeit auf. Sie sollten für einen Ausbildungsplatz gegebenenfalls umziehen oder den Berufswunsch noch einmal überdenken. „Wenn ich in meinem Traumberuf keine Ausbildung bekomme, muss ich vielleicht überlegen, was mir noch Spaß machen könnte und wo meine Stärken liegen, damit ich kein Jahr verliere“, sagte sie. „Wenn auf beiden Seiten – bei Arbeitgebern und Bewerbern – Flexibilität da ist, werden noch sehr viele Ausbildungsverträge zustande kommen“, meinte sie.

(dpa)