Auf dem Parteitag grenzen sich Bundesvorsitzender Özdemir und Spitzenkandidat Habeck von der SPD ab und betonen Eigenständigkeit.
Kiel. Zum Auftakt des schleswig-holsteinischen Grünen-Landesparteitags haben der Bundesvorsitzende Cem Özdemir und der Kieler Spitzenkandidat Robert Habeck eine Koalitionsaussage für die SPD abgelehnt. In vielen Fragen stehe die SPD den Grünen zwar näher als alle anderen Parteien, aber das bedeute nicht, das wir unser eigenständiges grünes Profil aufgeben, betonten beide am Freitagabend in Kiel in ihren Reden. Habeck versprach, dass es eine Koalition – ob mit SPD oder CDU – nur geben werde, wenn eine solide Finanzpolitik und die Energiewende gesichert seien.
„Und wir wollen eine neue demokratische Kultur, ob beim Netzausbau wie der Bildung“, sagte Habeck. „Wir meinen das bitterernst! Wenn wir das durchsetzen können, regieren wir, wenn nicht, dann macht euren Kram eben allein“, rief Habeck unter großem Applaus der 102 anwesenden Delegierten an die Adresse der beiden großen Parteien und fügte hinzu: „Wir sind nicht der Kitt, mit dem sie ihre Risse dicht schmieren könnten.“
Habeck erhielt bei der Wahl für die Landesliste für die schleswig-holsteinische Landtagswahl am 6. Mai 93 Prozent der Delegierten-Stimmen. Er kandidierte für den Listenplatz zwei der Landesliste, weil nach der Parteisatzung Platz eins einer Frau vorbehalten ist. Habeck erhielt 95 Stimmen bei 6 Gegenstimmen und 1 Enthaltung. Die Finanzexpertin der Landtagsfraktion, Monika Heinold, setzte sich ebenfalls ohne Gegenkandidatin für Platz eins der Landesliste noch etwas besser durch. Sie bekam 96 von 102 abgegeben Stimmen und damit 94 Prozent. Vier Delegierte stimmten gegen Heinold, zwei enthielten sich.
Der Parteitag wählt bis Sonntag die weiteren Grünen-Kandidaten für die Landesliste mit insgesamt 40 Plätzen. Auf den weiteren Top-Plätzen der Liste sind Kampfkandidaturen zu erwarten. Es bewerben sich rund 60 Kandidaten, darunter etwa 20 Frauen. Bei der vergangenen Landtagswahl im September 2009 hatten die Grünen 12,4 Prozent erreicht. Diesmal können die Grünen nach Wahlumfragen auf ein noch besseres Ergebnis hoffen.
+++Cem Özdemir geht auf Distanz zur SPD+++
„Es könne nicht sein, dass die SPD in Berlin oder jetzt im Saarland große Koalitionen mache oder anstrebe und wir aus Sicht der SPD nur mit ihnen könnten – „so haben wir nicht gewettet“, sagte Özdemir in der Halle 400, einem Veranstaltungszentrum im Kieler Hafen. „Wir müssen unangepasst sein.“
Die Energiewende bezeichnete er als große Chance gerade für Schleswig-Holstein. Dazu müsse der massive Ausbau der Stromnetze vorangetrieben werden. Dies gelinge nur mit Bürgerbeteiligung zu Beginn solcher Projekte. Dass die Energiewende gelinge, sei aber nicht sicher. Der schwarzgelben Bundesregierung fehle die Kompetenz, und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) wolle nicht einmal die Energiewende.
Kurz vor Beginn trugen Grüne ein Plakat mit der Aufschrift „Bürger für Gauck“ durch den Saal – eine Anspielung auf die Affäre um Bundespräsident Christian Wulff. Özdemir eröffnete seine Rede mit den Worten, er wolle nichts „zum Fall unseres Bundespräsidenten“ sagen. Ironisch fügte er hinzu, er habe auch nicht vor, „etwas zum unglaublich heldenhaften deutschen Boulevard zu sagen, der für Pressefreiheit, Transparenz und Ethik kämpft“.
Die Delegierten verabschiedeten Anträge zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und für die Aufstockung der Frauenhausplätze in Schleswig-Holstein. Außerdem wurde der Text für eine bereits beschlossene Mitgliederbefragung für einen Nordstaat auf den Weg gebracht. Die Urabstimmung soll nach der Sommerpause beginnen.
(dpa/dapd)