Wedel. Anstieg der Kosten bei der Straßenreinigung um mehr als 2000 Prozent. Das ist vielen Anliegern zu viel. Gericht bestätigt Klagewelle.

Seitdem die Wedeler Politik im April 2023 Änderungen an der Straßenreinungssatzung in Wedel zugestimmt hat, die deutlich höhere Gebühren für die Reinigung der Wege von ihren Bürgern verlangt, verlagert sich das Streitthema nun auf die juristische Ebene. Auf 500 Widersprüche von Bürgern folgten 30 Klagen am Verwaltungsgericht.

Im Durchschnitt steigen die Gebühren um gut 314 Prozent, teilweise sollen die darüber verärgerten Bürger jedoch auch mehr als 1000 oder sogar 2000 Prozent zahlen. Zuletzt hatte Wedel im Jahr 2014 die Reinigungsgebühren erhöht. Auch wegen der vereisten Straßen in Wedel hatte es zuletzt Ärger gegeben.

Straßenreinigungsgebühren Wedel: 500 Widersprüche und 30 Klagen

Der aktuelle Stand der Dinge bei den Straßenreinigungsgebühren macht auch das Ausmaß des Streits deutlich: Die Stadt Wedel hat etwa 500 Widersprüche gegen die von ihr versendeten Gebührenbescheide erhalten. Einige Wedeler haben gegen die neue Satzung Klage beim Verwaltungsgericht Schleswig eingereicht. Dabei handelt es sich um private Einzelklagen, weil Sammelklagen gegen Gebühren, die oft individuell erhoben werden, nicht möglich sind.

„Es sind bislang 30 Verfahren zu Straßenreinigungsgebühren in Bezug auf die Stadt Wedel eingegangen“, sagt Dr. Hauke Wiese, stellvertretender Sprecher des Gerichts in Schleswig. Die erste Klage sei Ende Oktober 2023 eingegangen. „In den Verfahren wird nun, wenn dies von den Klägerinnen und Klägern beantragt ist – wie hier überwiegend – Akteneinsicht in die vom Gericht beigezogenen Behördenakten gewährt“, erklärt der Sprecher. Eingehendere Klagebegründungen nach Akteneinsicht seien angekündigt.

„Die Verfahren befinden sich daher noch ein einem relativ frühen Stadium“

„Die Verfahren befinden sich daher noch ein einem relativ frühen Stadium, weswegen derzeit auch noch kein konkreter Entscheidungszeitpunkt benannt werden kann“, so Wiese. Die Stadt Wedel möchte das laufende Verfahren abwarten, sich öffentlich nicht detailliert äußern, kündigte aber bereits an, nach einem möglichen Gerichtsurteil zu Ungunsten der Stadt die Satzung überarbeiten zu wollen.

Aktuell werden die Begründungen der individuellen Klagen eingefordert oder bereits gesichet. Zudem soll nach Abendblatt-Informationen die Stadt Wedel dem Verwaltungsgericht nach wie vor nicht alle angeforderten Unterlagen bezüglich der neuen Satzung zukommen lassen haben – für die Kalkulationsgrundlage etwa sollen es nach Abendblatt-Informationen lediglich vier unleserliche Seiten sein.

Rechtsanwälte sollen anfechtbare Passagen entdeckt haben

Rechtsanwälte der klagenden Wedeler, die Akteneinsicht eingefordert haben, hätten bereits in den eingereichten Unterlagen der Stadt Wedel einige anfechtbarte Passagen ausgemacht und ihrerseits erste Schriftstücke beim Gericht eingereicht.

Vor allem die aus ihrer Sicht undurchsichtige Kalkulation missfällt den klagenden Wedelern. Die veranschlagten 6,37 Euro pro Straßenmeter nach zuvor noch 2,03 Euro soll ihnen unangemessen hoch erscheinen. Dies sei der unangefochtene Spitzenwert im Kreis Pinneberg. Viele andere Gemeinden in Schleswig-Holstein würden nach wie vor deutlich um einige Euro darunter liegen.

Straßenreinigung: Wedeler SPD bemerkt Fehler im Haushaltsentwurf

Auch die SPD Wedel stellte bezüglich der Einnahmen der Straßenreinigungsgebühren im Vorjahr einen Fehler fest. Im Teilergebnisplan für den Haushaltsentwurf 2024 war mit einer Summe von 660.000 Euro seitens der Stadt kalkuliert worden.

Gerrit Baars ist SPD-Ratsherr in Wedel.
Gerrit Baars ist SPD-Ratsherr in Wedel. © Catharina Peppel | Catharina Peppel

Weil die neue Satzung allerdings seit 1. Juli 2023 gilt, könne Wedel mit 915.300 Euro kalkulieren. SPD-Ratsherr Gerrit Baars hatte sich das Zahlenwerk genauer angeschaut, in der letzten Ratssitzung im Dezember 2023 ist somit in den Wedeler Haushaltsentwurf dank der Korrektur noch ein Plus von 255.300 Euro in die Planung eingeflossen.

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„Aus meiner Sicht fehlen bei dieser Kalkulation der Stadt auch die Einnahmen der Hinterliegergrundstücke, nachdem diese laut neuer Satzung anders berechnet werden als davor. Daher müssten die Einnahmen noch höher liegen“, sagt Baars.

Wedeler Politiker rechnet mit Senkung der Gebühren

Die Stadt erklärte im Juni 2023, dass nun laut neuer Satzung „bei einem Hinterlieger, als Straßenfrontlänge, die Hälfte der längsten Ausdehnung des Grundstücks parallel zur Straße“ gelte. Zuvor war in der Berechnung „höchstens die Frontlänge des schmalsten Grundstücks an der zu reinigenden Straße zu berechnen.“

Laut Baars dürfe die Stadt mit Straßenreinigungsgebühren keine Gewinne machen. In der Vergangenheit waren Defizite ausgewiesen worden. Der Sozialdemokrat geht nach jetzigem Zeitpunkt sogar davon aus, dass nach der regelmäßigen Überprüfung einer Über- oder Unterdeckung nach drei Jahren – theoretisch – die Straßenreinigungsgebühren wieder abgesenkt werden müssten.