Wedel. Beim Streit um bis zu 1000 Wohnungen entscheiden jetzt die Bürger. Von Planungsstopp bis „weiter so“ ist alles möglich. Ein Überblick.

In knapp einer Woche wird in Wedel über die „Bebauung des Entwicklungsgebietes Wedel Nord“ entschieden, so der offizielle Titel des Bürgerentscheids über das Bauprojekt mit bis zu 1000 neuen Wohnungen im Norden Wedels.

Nachdem die Wedeler Politik im November 2021 den Rahmenplan verabschiedet hatte, geht es am Sonntag, 8. Oktober, nun um die Frage, ob die Planungen für Wedel Nord zwei Jahre ruhen sollten oder weiter vorangetrieben werden. Das Abendblatt beantwortet davor die drängenden Fragen.

1. Worum geht es beim Projekt Wedel Nord?

In einem ersten Bauabschnitt sollen bei diesem Großprojekt gut 500 Wohnungen entstehen, in einem zweiten Abschnitt könnten es dann insgesamt 1000 Wohnungen auf einer 53 Hektar großen Fläche werden. Bebaut werden soll ein Areal im Norden Wedels an den Straßen Steinberg und Voßhörntwiete. Als Bauherren fungieren die Immobilienfirmen Semmelhaack aus Elmshorn und Rehder aus Wedel.

Gegen das Bauvorhaben in diesen Dimensionen hat sich Widerstand geregt: Die Bürgerinitiative „Nein zu Wedel Nord“ hat mit mehr als 2000 gültigen Unterschriften von Wedeler Bürgern im Frühjahr dieses Jahres den Bürgerentscheid erwirkt, mit der ein politischer Beschluss des Stadtrates aufgehoben werden kann. Immer wieder streiten Befürworter und Gegner über das Wedeler Dauerthema. Die Argumente sind ausgetauscht, aber vielleicht noch nicht allen bekannt. Für einen besseren Überblick hier das Wichtigste in zusammengefasster Form.

2. Was sind die Argumente der Befürworter?

Das Hauptargument für das Bauvorhaben Wedel Nord ist aus Sicht der Investoren der knappe Wohnraum in Wedel. Wedel Nord bedeute Wohnraum für alle. Zudem soll das Wohnen in diesem Baugebiet, etwa für junge Familien, auch bezahlbar sein. Jede zweite Wohnung in den Mehrfamilienhäusern solle zum Beispiel öffentlich gefördert sein. Die ersten Bewohner könnten 2027 ihr neues Zuhause beziehen. Es gehe den Investoren auch darum, ein nachhaltiges Quartier mit ökologisch sinnvollen Komponenten zu schaffen. Auch der angespannten Schul- und Kita-Situation in Wedel soll durch Neubauten entgegengewirkt werden.

3. Was wollen die Gegner?

Die Gegner befürchten einen Kollaps für die Stadt Wedel, sowohl in puncto Verkehr, als auch in der sozialen Infrastruktur. An den Schulen stünden aktuell zum Beispiel ganze Container-Dörfer. Schon jetzt ächze Wedel – durch Nachverdichtung und neue Baugebiete seien weit mehr als 1000 neue Wohnungen gebaut worden – unter diesen Folgen. Günstiger Wohnraum sei trotzdem nicht entstanden. Die hoch verschuldete Stadt könne sich einen derartigen Bevölkerungszuwachs einfach nicht leisten. Die zwei Jahre des Planungsstopps müssten genutzt werden, um tragfähige Konzepte, etwa für den Verkehr zu erstellen.

4. Wie steht die Politik zu Wedel Nord?

Als einzige politische Gruppierung im Wedeler Rat war die Wedeler Soziale Initiative (WSI) von Anfang an gegen das Bauprojekt. Die Grünen sind für Wedel Nord, favorisieren jedoch einen Planungsstopp, um das Vorhaben in Ruhe in allen Details neu überdenken zu können. Die anderen Fraktionen aus CDU, SPD, FDP sowie die Linke, die keinen Fraktionsstatus mehr hat, möchten an die bisherigen Planungen anknüpfen und monieren den unnötigen Zeitverlust, da Wedel dringend neuen Wohnraum benötige.

5. Wie läuft die Abstimmung für den Bürgerentscheid ab?

Die Abstimmung im Rahmen des Bürgerentscheids zur Bebauung des Entwicklungsgebietes Wedel Nord ähnelt laut Wedeler Verwaltung einer normalen Wahl. Am 8. Oktober 2023 sind alle wahlberechtigten Wedelerinnen und Wedeler (in diesem Fall „Abstimmungsberechtigte“) zur Stimmabgabe aufgerufen.

Baugebiet Wedel Nord Luftaufnahme: Blick über die B431.
Baugebiet Wedel Nord Luftaufnahme: Blick über die B431. © Reimer Wulf | Reimer Wulf

Abstimmungsberechtigt sind alle Bürgerinnen und Bürger ab 16 Jahren, die zum Stichtag (8. Oktober 2023) seit mehr als sechs Wochen in Wedel wohnen. Seit Anfang September sind Benachrichtigungen an die Wedeler Haushalte verschickt worden.

Abgestimmt werde laut Verwaltung wie üblich zwischen 8 und 18 Uhr – allerdings nur in sieben statt den gewohnten 16 Stadtbezirken. Gewählt wird an der Altstadt Schule, im Johann-Rist-Gymnasium, in der Moorwegschule, VHS, Albert-Schweitzer- und Gebrüder-Humboldt-Schule, sowie in der Ernst-Barlach-Gemeinschaftsschule. Das jeweilige Abstimmungslokal ist auf der Abstimmungsbenachrichtigung angegeben.

6. Ist eine Briefwahl möglich?

Die Abgabe der Stimme ist auch vorab per Brief möglich. Die Online Beantragung eines postalisch zugestellten Abstimmungsscheins ist bis Freitag, 6. Oktober, 12 Uhr möglich. Selbstabholer können am Wahltag bis 15 Uhr im Wahlamt im Rathaus erscheinen.

7. Ist die Stimmabgabe verpflichtend?

Nein, da die Abstimmung nach dem Grundsatz der freien Stimmabgabe erfolgt. Dazu gehört auch, dass es keinen Abstimmungszwang gibt und dass alle Bürgerinnen und Bürger frei darin sind, an einer Abstimmung teilzunehmen. Allerdings stelle ein Bürgerentscheid aus Sicht der Stadt Wedel die Chance dar, mit der eigenen Stimme direkt Einfluss auf die Entwicklung der Stadt zu nehmen, heißt es in dem Schreiben.

8. Wo wird das Abstimmungsergebnis veröffentlicht?

Das Abstimmungsergebnis wird nach Auszählung aller Stimmen auf abendblatt.de sowie der Homepage der Stadt www.wedel.de veröffentlicht.

Wedel Nord: Am Steinberg, Voßhörntwiete und Bündtwiete sollen 500 Wohnungen gebaut werden. Ein zweiter Bauabschnitt verliefe in westlich davon in Richtung Holm. Insgesamt könnten 53 Hektar Fläche bebaut werden.
Wedel Nord: Am Steinberg, Voßhörntwiete und Bündtwiete sollen 500 Wohnungen gebaut werden. Ein zweiter Bauabschnitt verliefe in westlich davon in Richtung Holm. Insgesamt könnten 53 Hektar Fläche bebaut werden. © Stadt Wedel | Stadt Wedel

9. Wann ist der Bürgerentscheid erfolgreich?

Dies sei laut Verwaltung der Fall, wenn die Frage des Bürgerbegehrens von der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen beantwortet wurde, sofern diese Mehrheit 16 Prozent der Stimmberechtigten beträgt. Das ist gesetzlich so vorgeschrieben.

Die Anzahl der Stimmberechtigten wird erst endgültig am Abstimmungstag festgelegt. Ende August hatte die Stadt Wedel insgesamt 27.417 Wahlberechtigte ausgemacht, es müssten also mindestens 4387 Personen dieser Gruppe ihr Kreuz gesetzt haben. Bei Stimmengleichheit gilt die Frage als mit Nein beantwortet.

10. Warum muss mit „Ja“ gestimmt werden, wenn Bürger gegen die Weiterplanung ist?

Das liegt an der Fragestellung. Die Formulierung der Fragestellung hat die für das Verfahren zuständige Kommunalaufsicht des Landes Schleswig-Holstein – unabhängig von den Wünschen des Rates der Stadt Wedel und der Vertretungsberechtigten des Bürgerentscheids – festgelegt. Die konkrete Frage beim Bürgerentscheid lautet: „Sind Sie dafür, dass im Entwicklungsgebiet Wedel Nord mit der Ausnahme von Schulen und Kitas und bereits geltender Baurechte keine Planung und Bebauung stattfindet?“ Wer gegen die bisherige Planung des Projektes ist, muss auf die Abstimmungsfrage folglich mit „Ja“ antworten – Befürworter der bisherigen Ausarbeitungen kreuzen dementsprechend „Nein“ an.

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11. Was bedeutet in der Fragestellung „mit der Ausnahme von Schulen und Kitas und bereits geltender Baurechte“?

Der Passus meine laut Verwaltung, dass auch, wenn die Frage des Bürgerentscheides im notwendigen Maße mit „Ja“ beantwortet wird, Planungen für Schulen und Kitas in dem Areal weiter betrieben werden dürfen. Auch bereits bestehende oder der Bau von genehmigungsfreien Gebäude sind nicht von der Abstimmung betroffen.

12. Was passiert, wenn der Bürgerentscheid erfolgreich ist?

Wenn die Bürgerinnen und Bürger in erforderlicher Anzahl „Ja“ ankreuzen, wird jegliche Bebauung des Entwicklungsgebiets für die nächsten zwei Jahre gestoppt, erklärt die Verwaltung. Sämtliche Arbeiten an diesem Projekt werden ausgesetzt. Es darf keine für die Weiterplanung nötigen politischen Beschlüsse des Rats geben. Theoretisch sollte nach ursprünglichem Zeitplan in diesem Jahr ein Bebauungsplan entstehen.

13. Wo gibt es weitere Informationen?

Eine Skizzierung des bisherigen Verlaufs gibt es von der Stadt Wedel und den Ratsmitgliedern. Auf ihrer Projektseite informieren die Investoren Semmelhaack und Rehder. Standpunkte der Bürgerinitiative „Nein zu Wedel Nord“ gibt es auf dieser Homepage.