Wedel. Jetzt wird es persönlich: Die Investoren nehmen Stellung zur Kritik der Wählergemeinschaft. Die WSI-Vorsitzende schießt zurück.
Die Entscheidung über bis zu 1000 Wohnungen im Baugebiet Wedel Nord naht. Entweder die Planung ruht für zwei Jahre oder Investoren und Politik gehen in die weitere Ausarbeitung. Bevor die Wedeler darüber am Sonntag, 8. Oktober, in einem Bürgerentscheid ihre Stimmen verteilen dürfen, ist es nun zu einem offenen Schlagabtausch gekommen.
Die Investoren des Vorhabens, die beiden Wohnungsbauunternehmen Semmelhaack und Rehder kritisieren eine Stellungnahme von Angela Drewes, Fraktionsvorsitzende und planungspolitische Sprecherin der Wählergemeinschaft Wedeler Soziale Initiative (WSI). Anlass ist unter anderem die Ankündigung der Investoren, ihre Versprechen auch in einem städtebaulichen Vertrag festhalten zu wollen.
Mega-Projekt Wedel Nord: Zoff zwischen Investor und Gegnern eskaliert
Die WSI, als einzige politische Gruppierung von Anfang an gegen das Bauprojekt, schreibt auf ihrer Homepage: „Versprechen sind ja etwas Schönes, wenn der Vertragspartner, in diesem Fall die Stadt Wedel, allerdings noch nicht einmal darüber informiert wird, dass ein solcher Vertrag geplant ist, ist das schon mehr als bedenklich.“
In einer an Drewes gerichteten E-Mail, die unter anderem an alle Wedeler Fraktionen und Bürgermeister Gernot Kaser adressiert ist, melden sich Hartmut Thede (Projektleiter bei Semmelhaack) und Stephan Rehder (Geschäftsführer der Firma Rehder) zu Wort: „Was Sie schreiben, ist schlicht falsch. Die Stadt Wedel ist nicht nur über einen solchen Vertrag informiert, es ist sogar die Stadt Wedel und der Rat, die vorgeben, dass ein sogenannter „Städtebaulicher Vertrag“ zwischen Vorhabenträger und der Stadt geschlossen wird.“
Wedel Nord: Ratsbeschluss über den ersten Abschnitt
Laut WSI soll „angeblich nur der erste Bauabschnitt gebaut werden.“ Die Investoren erwidern: „Warum angeblich? Sie kennen doch die Beschlusslage. Im März 2021 hat der Rat der Stadt Wedel die Empfehlung des Planungsausschusses vom 1.12.2020 beschlossen, zunächst NUR den 1. Bauabschnitt umzusetzen.“
Das Angebot der Investoren stehe, die 560 im Rahmenplan festgehaltenen Wohneinheiten für den ersten Bauabschnitt auf 500 zu reduzieren.
In Abhängigkeit des künftigen Wohnraumbedarfs soll erst nach der Umsetzung entschieden werden, ob und wenn ja, wann der zweite Bauabschnitt folge. Es gehe nicht „angeblich“, sondern faktisch um den ersten Bauabschnitt.
Investoren von Wedel Nord kritisieren WSI-Vorsitzende Angela Drewes
Auch auf das angesprochene Thema Glaubwürdigkeit – die Investoren mögen dann laut WSI den Schulstandort auch in den ersten Bauabschnitt verlegen –, gehen Thede und Semmelhaack ein. Das sei nicht möglich.
Denn: „Im Dezember 2022 wurde der Beginn eines Bebauungsplanverfahrens für eine Schule im Gebiet des 2. Bauabschnittes durch die Wedeler Politik und Verwaltung im Planungsausschuss beschlossen.“ Nur die WSI – also in Person von Angela Drewes - habe dagegen gestimmt.
Drei Teilplanungen für Wohngebiet Wedel Nord
Seitdem teile sich Wedel Nord laut Investoren im Rahmenplan auf drei Bereiche – erster und zweiter Bauabschnitt, sowie den Schulstandort – auf. „Da es einen Aufstellungsbeschluss für den Schulstandort gibt, kann die Stadt ab sofort auch planungsrechtlich an diesem Schulstandort arbeiten. Mit Abschluss des Bebauungsplanverfahrens kann die Schule auch direkt gebaut werden“, so die beiden Investoren.
Für den ersten Bauabschnitt von Wedel Nord wird es ein eigenes Bebauungsplanverfahren geben, das noch nicht gestartet ist. Aus Sicht der Investoren könnten Entwicklung und Bau – inklusive Schule – parallel erfolgen.
Verkehrsgutachten über Wedel Nord ist öffentlich einsehbar
Auch das Verkehrsgutachten über Wedel Nord ist „seit 2021 auf den Seiten der Stadt Wedel“ einsehbar. Die CDU-Fraktion habe damals, etwa die die Untersuchung weiterer Verkehrsknotenpunkte (u.a. Gärtnerstraße/B431) eingefordert.
„Dieser Forderung sind wir Ende 2022 in der AG Wedel Nord nachgekommen. Frau Drewes, Sie waren bei dem Termin anwesend. Die Fraktionen, die sich mit dem Verkehrsgutachten auseinandergesetzt haben, haben damals die Untersuchung eines weiteren Knotenpunktes gefordert. Auch dieser Anfrage wird der Verkehrsplaner nachkommen“, heißt es in dem Schriftstück.
Solarpark: Austausch zwischen Stadtwerke Wedel und Investoren
Das Thema Solarpark, dessen Bau die Investoren zuletzt angekündigt hatten, ohne die Politik darüber vorab zu informieren, wird wegen des Überraschungsmoments von der WSI kritisiert.
Rehder und Theder können das nicht nachvollziehen: „Sie setzen aktuell alles daran, Wedel Nord zu verhindern. Wir als Vorhabenträger setzen uns dagegen noch bevor überhaupt ein Bebauungsplanverfahren begonnen hat damit auseinander, wie man aus Wedel Nord ein Wohnungsbauprojekt machen kann, das die Herausforderungen unserer Zeit meistert.“
Wenn also mit den Stadtwerken Wedel auch an Optionen für einen Solarpark gearbeitet werde, „dann halten wir das für etwas Positives. In jedem Fall positiver, als pauschal dagegen zu sein.“
Bau von Schulen und Kitas ohne Wohnungen nicht möglich
Auch mit einem weiteren Vorwurf der Wedel-Nord-Gegner möchten die Investoren aufräumen: „Die Vorhabenträger haben nie behauptet, es gäbe ohne Wedel Nord keine neue Schule und Kitas. Außer Frage steht, dass wir in eine Kita, eine Wohnanlage für Senioren, Radwege, Grünanlagen und dergleichen auf unseren Flächen nur investieren können und werden, wenn wir auch Wohnungen bauen dürfen. Alles andere ist illusorisch und wäre nicht umsetzbar.“ Selbiges gelte für die Fläche für eine mögliche Schule.
Wedel habe bereits ohne das Baugebiet Wedel Nord einen Bedarf an zusätzlichen Schulplätzen „Die Container an den bestehenden Schulen werden doch durch die Verhinderung von Wedel Nord nicht über Nacht verschwinden“, merken die Investoren an.
Wohnungen im Norden Wedels: Erste Bewohner frühestens 2027
In dem Schreiben gibt es einen möglichen Zeitplan, sofern der Planungsstopp nicht käme: Das Bebauungsplanverfahren starte vermutlich erst zu Beginn 2024 starten. Das Verfahren dauere etwa 24 Monate.
Baurecht bestünde im besten Falle erst Anfang 2026. Die ersten Bezüge wären frühestens 2027, 2029 die letzten. Sofern die Bedarfssituation für einen zweiten Bauabschnitt mit dann insgesamt circa 1000 Wohnungen in Wedel Nord bestehe, könnte jener 2033 fertig sein.
„Es ist unbenommen, dass die Stadt Wedel andere Probleme in den Griff bekommen muss. Die 1.000 Wohneinheiten, die die Stadt Wedel durch Wedel Nord hinzubekommen würde, wenn beide Bauabschnitte umgesetzt werden, kommen aber auch nicht über Nacht.“ Sie kämen aber mit Kita und Pflegeheim. Die Stadt habe es in der Hand, dass auch eine Schule entstehe.
Wedel Nord: WSI-Vorsitzende nimmt Stellung
Eine Antwort von Angela Drewes, die sich süffisant über das Interesse der Investoren an einem Beitrag auf der WSI-Homepage und den ausführlichen Kommentar freute, ließ nicht lang auf sich warten: „Ich möchte jetzt gar nicht auf jeden einzelnen Punkt eingehen.“
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Doch die Kommentierung der Vorhabenträger zeige genau das, was zu erwarten war, und was von einem Wirtschaftsunternehmen auch zu erwarten sei. „Nachvollziehbarerweise geht es Ihnen um die Rettung Ihres „Auftrages“, Wedel Nord zu realisieren, nicht zuletzt, weil Sie bereits viel Geld in dieses Projekt und diverse Imagekampagnen investiert haben.“
WSI-Fraktion sieht Entlastung durch neue Kitas in der Stadt
Die WSI trage nicht die unternehmerische Verantwortung, die Fraktion sei für die Stadt als Ganzes verantwortlich. „Unser Auftrag als gewählte Volksvertreter ist es, dafür zu sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt mit einer zukunftsfähigen Infrastruktur versorgt werden. So müssen wir uns aktuell darum bemühen, dass ausreichend Grundschulplätze in fußläufiger Erreichbarkeit entstehen und auch ausreichend Kitaplätze vorhanden sind“, so die Vorsitzende der insgesamt fünfköpfigen Fraktion.
Bei den Kita-Plätzen gebe es durch die drei aktuell in Bau befindlichen Kindertagesstätten eine deutliche Entlastung. „Auch an einer schnelleren Lösung für einen vierten Grundschulstandort in Zentrumsnähe wird zurzeit gearbeitet“, so Drewes. Die WSI habe es sich zur Aufgabe gemacht, die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt ernst zu nehmen.
WSI-Fraktion ist dafür zuständig, für „zukunftsfähige Infrastruktur“ zu sorgen
Drewes wettert: „Jeder, der in der Altstadt oder an der B431 wohnt, braucht keine teuren Verkehrsgutachten, um zu wissen, dass bereits heute die verkehrliche Belastung viel zu groß ist. Alle Versprechungen, hier vor der Realisierung von Wedel Nord Abhilfe zu schaffen, wurden nicht erfüllt – vielleicht, weil sie gar nicht erfüllbar sind?“
Die Bürgerinnen und Bürger aber seien der leeren Versprechen müde. Sie hätten das Vertrauen verloren, dass ihre Sorgen ernst genommen werden. Drewes: „Auch deshalb gibt es eine Bürgerinitiative, die sich für einen Planungsstopp ausspricht.“
Kritik an Investoren und Befürwortern von Wedel Nord
Auch das Thema „Bauabschnitte“ greift die Wedelerin auf. „Die Fraktionen CDU, SPD und FDP werben zurzeit für eine Weiterplanung von Wedel Nord mit einem Flyer, in dem von zwei Bauabschnitten die Rede ist. Vor dem Hintergrund, dass Sie als Investoren von der Unterstützung durch diese Fraktionsmehrheit profitieren, ist es für uns – und auch für die Bürger – wenig glaubwürdig, dass der zweite Bauabschnitt tatsächlich vom Tisch ist.“
Ohne ein tragfähiges Verkehrskonzept einfach ein Wohngebiet dieser Dimension zu planen, sei darüber hinaus stadtplanerisch hochgradig unseriös. „Ja, wir sind offen dafür, das Gebiet für die Gewinnung erneuerbarer Energien für die gesamte Stadt zu nutzen. Auch deshalb wäre es zum jetzigen Zeitpunkt ein Fehler, dort Baurecht für eine Wohnbebauung zu schaffen.
Wedel Nord: Haushaltslage lasse Bevölkerungszuwachs nicht zu
Für die städtischen Finanzen, trage die Politik die Verantwortung und nicht die Investoren. „Die jetzige Haushaltslage lässt einen Zuwachs an Wohnbevölkerung im geplanten Umfang von Wedel Nord nicht zu“, schreibt Drewes.
Sollte Wedel „zu einem Zeitpunkt X wieder Wachstumskapazitäten haben, sind neue, zentrumsnahe Wohngebiete, wie sie beispielsweise auf dem Möllergelände geplant sind, sicher sinnvoller und klimaverträglicher als die Überplanung einer noch nicht versiegelten Fläche in Stadtrandlage.“
Diese fungiere zudem als eine grüne Lunge der Stadt und werde von vielen Bürgerinnen und Bürgern regelmäßig zur „Rekreation“, also Erholung, genutzt. „Vielleicht können Sie akzeptieren, dass wir als Ratsfraktion andere Interessen zu vertreten haben als Sie als Unternehmer“, endet die Mail.