Wedel. Im Oktober soll in Wedel über einen zweijährigen Planungsstopp entschieden werden. Doch nun könnte es noch ganz anders laufen.
Die Bürger der Stadt Wedel sind nach derzeitigem Stand aufgerufen, im Herbst über einen zweijährigen Planungsstopp für das Bauprojekt Wedel Nord zu entscheiden. Die Bürgerinitiative Nein zu Wedel Nord hatte 2182 von der Kommunalaufsicht genehmigte Stimmen für einen Bürgerentscheid einsammeln können.
Oder kommt es durch das Entgegenkommen der Bau-Investoren, die Immobilienfirmen Semmelhaack und Rehder, doch noch überraschend ganz anders? Auch die Wedeler Politik ringt um einen Ratsbeschluss, der einen Entscheid der Bürger überflüssig machen würde.
Immobilien: Baugebiet Wedel Nord – Kippt der Investor den Bürgerentscheid?
Zuletzt hatten sich Stadt und Bürgerinitiative auf Sonntag, 8. Oktober, als Termin für den Bürgerentscheid geeinigt. Bekanntlich geht es beim Bauvorhaben Wedel Nord um 1000 neue Wohnungen, die in zwei Bauabschnitten auf einer 53 Hektar großen Fläche zwischen Steinberg und entlang der Aschhooptwiete in Richtung Holm entstehen sollen.
Bahnt sich nun etwa doch noch ein Vermittlungsversuch an? Auf Abendblatt-Anfrage teilt Hartmut Thede, Leiter des Elmshorner Wohnungsunternehmen Semmelhaack, mit: „Wir haben die Entwicklung und den Diskurs zu den Planungen der vergangenen Monate aufmerksam verfolgt.“
Baugebiet Wedel Nord: „Planung beschränkt sich auf ersten Bauabschnitt“
Der 2021 beschlossene Rahmenplan zeige zwar nur ein theoretisches Potenzial für bis zu 1000 Wohneinheiten in Wedel Nord auf. „Dies erscheint den Menschen, die für das Bürgerbegehren unterschrieben haben, aber offenbar deutlich zu viel.“
Thede meint: „Unsere konkreten Planungen der vergangenen zwei Jahre beschränken sich auf den ersten Bauabschnitt, der nicht 1.000 Wohnungen, sondern nur gut die Hälfte umfasst.“ Semmelhaack gehören die ehemaligen Baumschulgebiete auf dem Areal, die vornehmlich im ersten Bauabschnitt liegen. Zudem ist bei Wedel Nord auch die Wedeler Firma Rehder involviert.
Baugebiet: Wedeler Ratsversammlung stimmte dem Rahmenplan 2021 zu
Im November 2021 war der Rahmenplan für Wedel Nord auf einer Ratsversammlung final beschlossen worden. „Dahinter stand und steht eine sehr große politische Mehrheit im Rat. Wir möchten aber möglichst viele Menschen mitnehmen und sind bereit, dem Diskurs über die Frage, wie viel Wohnungsbau für die Stadt auf unseren Flächen verträglich ist, die erforderliche Zeit zu geben“, sagt Thede.
Einen Austausch zwischen Wohnungsbauunternehmen und der Bürgerinitiative hat es nach Abendblatt-Informationen nie gegeben. Das sollen die Kritiker des Bauvorhabens abgelehnt haben.
Wedel Nord: WSI ist von Anfang an gegen das Bauprojekt
Größter Gegner auf politischer Ebene ist die Wählergemeinschaft Wedeler Soziale Initiative (WSI). Doch es könnte eine politische Lösung geben: Während der kommenden Ratsversammlung am Donnerstag, 13. Juli, gibt es einige Tagesordnungspunkte zum Thema Wedel Nord. Darunter auch einen „Beschluss über die verlangte Maßnahme (Abhilfebeschluss)“.
Die Fraktionen könnten – am Montagabend, 10. Juli, im Anschluss an eine Sitzung mit Verantwortlichen der Stadt – auch interne politische Beratungen folgen lassen und das Bürgerbegehren über eine einfache Mehrheit im Rat verhindern.
Bürgerentscheid zu Wedel Nord könnte gekippt werden
Ein entsprechender Beschlussvorschlag ist bereits öffentlich im Bürgerinformationssystem zu finden: „Der Rat der Stadt Wedel beschließt, dass in dem Entwicklungsgebiet Wedel Nord mit der Ausnahme von Schulen, von Kindertagesstätten und von bereits geltenden Baurechten keine Planungen und Bebauungen stattfinden.“
Die Initiatoren des Bürgerbegehrens gegen das Baugebiet hatten stets in Aussicht gestellt, dass mit solch einem Ratsbeschluss ihr Anliegen obsolet sei und der Bürgerentscheid ausfiele. Die zulässige Abstimmungsfrage für den 8. Oktober lautet: „Sind Sie dafür, dass in dem Entwicklungsgebiet Wedel Nord mit der Ausnahme von Schulen und Kitas und bereits geltender Baurechte keine Planung und Bebauung stattfindet?“
Wedel Nord: Politiker aller Fraktionen beraten sich am Montagabend
Die meisten Fraktionen – mit Ausnahme der WSI – wollen sich möglicherweise erst nach den Terminen am Montag final entscheiden. Die Grünen wagen sich schon vorab aus der Deckung: „Es ist richtig, wir Grüne planen im Rat dem Abhilfeantrag zuzustimmen. Hintergrund ist nicht, dass wir plötzlich gegen das Neubaugebiet Wedel Nord sind“, sagt die Fraktionsvorsitzende Dagmar Süß.
Sondern: „Eine Bürgerbefragung kostet Geld, das Wedel nicht hat - und Zeit, die Arbeitskraft in der Verwaltung bindet. Wird dem Bürgerbegehren stattgegeben, so darf ohnehin das Thema zwei Jahre nicht in den politischen Gremien diskutiert und Entscheidungen dazu gefällt werden“, erklärt Süß.
Dagmar Süß: „Im ersten Bauabschnitt sind ohnehin nur 500 Wohnungen geplant“
Diese Zeit „wollen wir nutzen, das bestehende Konzept zu überarbeiten“. Das beginne schon mit der Anzahl der geplanten Wohnungen: „Im ersten Bauabschnitt sind ohnehin nur rund 500 geplant und nur auf diese wollen wir uns zunächst konzentrieren.“
Gleichzeitig sollten aus Sicht der Grünen bei der Überplanung nachhaltige Bauweisen und zukunftsweisende Energie- und Verkehrskonzepte stärker in den Fokus genommen werden. „Wenn nicht das Auto als vorrangiges Verkehrsmittel geplant wird, geben wir den Menschen zusätzlichen Lebensraum, wo sonst Autos parken“, meint Süß.
Wedel Nord: Grüne hoffen, „junge Familien“ anzusprechen
Dann müsste in Wedel auch niemand mehr Angst vor einem zusätzlichen Verkehrschaos haben. Denn das Ziel sollte sein, „auch junge Familien anzusprechen, denen bereits heute eine klimaneutrale Bauweise wichtiger als ihr eigenes Auto vor der Haustür ist.“
Doch bevor überhaupt gebaut wird, wird noch reichlich geplant und diskutiert: Überlegungen der Wedel Nord-Gegner, dass Schule und Kita gebaut werden – ohne inkludierten Wohnungsbau, erteilen die Investoren eine klare Absage.
„Außer Frage steht, dass wir in eine Kita, eine Wohnanlage für Senioren, Radwege, Grünanlagen und dergleichen auf unseren Flächen nur investieren können und werden, wenn wir auch Wohnungen bauen dürfen. Alle andere ist illusorisch und wäre nicht umsetzbar“, so Thede.
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Von der Firma Semmelhaack gibt es zudem ein Angebot: „Grundsätzlich sind wir auch bereit, über eine Unterstützung beim Bau der benötigten neuen Schule zu sprechen. Semmelhaack hat bereits in Elmshorn den Neubau der privaten Leibniz-Schule ermöglicht.“
Wedel Nord: Investoren bieten Unterstützung bei Schulbau an
Diese habe nach seiner Ansicht in freier Trägerschaft mit hoher pädagogischer Qualität vom Kindergarten bis zur gymnasialen Oberstufe eine riesige Nachfrage von Familien aus der ganzen Region verzeichnet.
Thede: „Wir werden keinen zeitlichen Druck auf die Stadt ausüben. Wenn es Bedarf gibt, sich die Planungen noch einmal ganz in Ruhe anzusehen, neue Ideen und Wünsche der Politik zu diskutieren und die Bevölkerung noch enger einzubinden, dann werden wir uns dem nicht verschließen.“
Die Investoren würden nicht „darauf pochen, in den nächsten Jahren 500 oder gar 1000 Wohnungen bauen zu dürfen. Vielmehr würden wir gern mit allen Beteiligten ein verträgliches Maß ermitteln, das Wedel nicht überfordert und uns die Chance gibt, unsere Verantwortung und Qualität bei der Entwicklung eines zukunftsfähigen Wohnquartiers unter Beweis zu stellen“, erklärt Thede. Er ist auch Mitglied der Semmelhaack-Geschäftsführung.