Wedel. Nachdem die Verwaltung der Bürgerinitiative ein Verbot auferlegte, gerät Gernot Kaser in die Kritik. Denn er warb für das Projekt.
Wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Weil die Wedeler Verwaltung der Bürgerinitiative „Nein zu Wedel Nord“ kürzlich untersagt hat, zwei Stunden lang in der Stadtbücherei Unterschriften gegen das Bauprojekt sammeln zu dürfen, kommt es nun zu Ungereimtheiten wegen dieser Entscheidung. Die Stadt argumentierte beim Verbot mit einem „Neutralitätsgebot“ in städtischen Gebäuden. Doch wie neutral war der Bürgermeister selbst in Bezug auf Wedel Nord?
Die Bücherei ist ein öffentliches Gebäude der Stadt Wedel. In Wedel Nord sollen bis zu 1000 Wohnungen entstehen. Begründet wurde die kurzfristige Absage mit dem Neutralitätsgebot.
Wedel Nord: Streit um Baugebiet – Wie neutral ist Bürgermeister Gernot Kaser?
Die Stadt wolle sich im Verlauf eines demokratischen Prozesses neutral verhalten. Bürgermeister Kaser schrieb auf seiner Facebook-Seite: „Um als Stadt Wedel sich während des Bürgerentscheides neutral zu verhalten, wurde entschieden, keine Stimmsammlung und -abgabe in öffentlichen Gebäuden der Stadt durchzuführen.“
Dieser Prozess werde „als solches ein Für oder Wider zum Ergebnis haben“ und solle „somit ausschließlich von „Gegnern“ oder „Befürwortern“ entschieden werden“, so Kaser. Die Bürgerinitiative akzeptierte die Entscheidung der Verwaltung.
Für das Bürgerbegehren werden mehr als 2000 gültige Stimmen benötigt, um einen darauffolgenden Bürgerentscheid in die Wege zu leiten. Im Erfolgsfall werde aus Sicht der Initiative die richtige Entscheidung erreicht – ein zweijähriger Stopp für das Projekt.
Wedel Nord: Statement von Gernot Kaser stand zehn Tage auf der Projekthomepage
Ein Statement von Bürgermeister Kaser war jedoch – trotz der gebotenen Neutralität – einige Tage zuvor auf der Projekt-Homepage der Investoren Rehder- und Semmelhaack unter www.wedel-nord.info zu lesen. Doch nach dem vorgebrachten Argument des Neutralitätsgebots waren Statement und Foto Kasers von der Website plötzlich wieder entfernt worden.
Stadtsprecher Sven Kamin sagt dazu „Es besteht aufgrund eines Ratsbeschlusses der Auftrag für die Verwaltung der Stadt Wedel, das Wohngebiet „Wedel Nord“ zu entwickeln. In diesem Zuge war das Statement im Herbst von den Bauherren angefragt und am 12. Dezember von der Stadt Wedel für die Homepage autorisiert worden.“
Zu diesem Zeitpunkt seien noch keine Unterschriften für das Bürgerbegehren gesammelt worden. Das Statement des Bürgermeisters, „welches schließlich vom 18. Januar bis 28. Januar auf der Internetseite zu sehen war“, so Kamin weiter, „ist zudem inhaltlich neutral.“
Stadtsprecher erklärt, warum das Kaser-Zitat gelöscht wurde
Im Wortlaut ließ sich Kaser wie folgt zitieren: „Bei der Entwicklung von Wedel Nord wird es darauf ankommen, wichtige Entwicklungspotenziale für unsere Stadt zu schaffen, ohne gleichzeitig die gewachsene als auch die neu zu schaffende Infrastruktur (Verkehr, Haushalt der Stadt Wedel z.B. Infrastrukturfolgekosten, Bau von sozialen Einrichtungen) zu überlasten.“
Weiter hieß es: „Dafür braucht es zukunftsweisende Ansätze, die für die notwendige Balance sorgen. Damit nicht nur die Menschen, die neu zu uns kommen, von dem Projekt profitieren, sondern auch ganz ausdrücklich die Wedelerinnen und Wedeler, die bereits hier leben.“
Das Löschen des Statements erklärt Sven Kamin mit dem Start der Unterschriftensammlung: „Nachdem die Unterschriftensammlung begonnen hat, hat sich die Stadt Wedel gleichwohl dazu entschieden, das Statement durch den Betreiber von der Homepage nehmen zu lassen, um den demokratischen Prozess offen zu gestalten. In diesem Sinn kann die Unterschriftensammlung für das Bürgerbegehren auch nicht in städtischen Einrichtungen oder Räumen stattfinden.“
Wedel Nord: Bürgerinitative platziert sich auf Marktplatz
Aus den Reihen der Stadtbibliothek hatte es zuvor wegen der Unterschriftensammlung in einer ersten Rückmeldung keine Bedenken gegeben, Andere Organisationen wie Amnesty International oder die Umwelthilfe könnten laut Meinung der „BI“ dort ebenfalls regelmäßig problemlos für ihre Arbeit werben.
„Wir nehmen die Entscheidung hin, dass wir nicht in öffentlichen Gebäuden informieren dürfen, halten uns daran und sind weiterhin nur im öffentlichen Raum unterwegs“, so Sprecher Steffen Haubner. „Und wir begrüßen, dass sich der Bürgermeister neutral verhält.“ Dazu gehöre auch die Entfernung des Zitats von der Projekt-Homepage der Unternehmen Rehder und Semmelhaack.
Die Bürgerinitiative werde weiterhin an den Wochenenden auf den Wedeler Marktplätzen sein – meist sonnabends zwischen 10.30 Uhr und 12.30 Uhr in der Mitte des Spitzerdorfer Marktplatzes – oder aber Mitglieder und Unterstützer kommen nach Hinweisen mit den Unterschriftenlisten direkt an die Haustür.
Keine Wasserstandsmeldungen zur Unterschriftensammlung
Wie läuft die Unterschriftensammlung? „Wir möchten keine Wasserstandsmeldungen abgeben. Aber wir erfahren eine tolle Resonanz. Und selbst die Leute, die prinzipiell für Wedel Nord sind, sagen uns, dass zum Beispiel beim Thema Verkehr zwingend in der Planung nachgebessert werden muss“, so Haubner.
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Die Stimmung, die ihm und seinen Mitstreitern entgegen schlage, sei „aus unserer Sicht überwiegend oder sogar überwältigend“ positiv. An diesem Meinungsbild habe auch die „massive Marketing-Kampagne der beiden Baufirmen“, die unter anderem auf eine Fokussierung auf den ersten Bauabschnitt mit etwa 560 Wohnungen abziele, nicht viel geändert.
Wedel Nord: Bürgerinitiative pocht auf demokratischen Prozess
Eines sei den Gegnern von Wedel Nord wichtig zu betonen: „Wir sind nicht gegen Wohnungsbau generell und lehnen das Projekt auch nicht grundsätzlich ab. Nur in der Form, wie es aktuell geplant ist.“ Aus Sicht der BI gebe es nach wie vor kein schlüssiges und detailliertes Verkehrskonzept, wie genau zum Beispiel die Velorouten für Radfahrer dort verlaufen sollen oder die Auswirkungen auf die soziale Infrastruktur in der Stadt, sagt der Sprecher.
Der Plan der Bürgerinitiative ist es, den „Bürgern in einem demokratischen Prozess die Entscheidungshoheit zu geben, um dann den zweijährigen Zeitraum auch für Änderungen und Abstimmungen in der Planung“ nutzen zu können.