Pinneberg. Die einordnenden Texte zu zwei nationalsozialistischen Bürgermeistern sind Dieter Borchardt zu lasch. Rat stimmt am Donnerstag ab.
Die Diskussion um die vermeintliche Nazi-Bürgermeistergalerie im Rathaus Pinneberg ist noch nicht vorbei. Die Ratsversammlung soll am Donnerstag beschließen, dass unter den beiden Porträts der ehemaligen Bürgermeister Karl Coors und Henry Glissmann im Foyer des Ratssitzungssaals einordnende Texte auf zusätzlichen Tafeln angebracht werden. Beide waren zu Zeiten des Nationalsozialisimus im Amt.
Mit diesen Texten ist Dieter Borchardt, Sprecher der Pinneberger Initiative 8. Mai, nicht einverstanden und hat seinen Unmut erneut in einem offenen Brief geäußert. Er kritisiert, dass einige Fakten nicht ausreichend berücksichtigt wurden. „Wichtige Erkenntnisse werden nicht erwähnt oder verharmlosend zitiert“, sagt er.
Nazis in der Bürgermeistergalerie in Pinneberg: Karl Coors war in NSDAP
So habe seiner Meinung nach Karl Coors zwölf Jahre lang als Mitglied der NSDAP in Friedrichstadt und Pinneberg als Bürgermeister den NS-Staat in den beiden Gemeinden mit aufgebaut und die gesetzlichen Vorlagen dieses Regimes umgesetzt. Coors hätte ein sehr gutes Verhältnis zum NSDAP-Ortsgruppenleiter Alfred Krömer gehabt.
Wer Alfred Krömer war und welche schlimmen Verfolgungen durch den strammen Nazi in Pinneberg beauftragt wurden, hat die Pinneberger Initiative 8. Mai am 22. November 2023 auf der Veranstaltung zur Erinnerungskultur öffentlich gemacht. In der Erklärung zu Krömer fehlt dieser Hinweis.
Coors Bürgermeisterzeit in Pinneberg von Verhaftungen geprägt
In Coors Bürgermeisterzeit in Pinneberg fallen auch die Verfolgungen und Verhaftungen im Rahmen der Aktion „Gewitter“ (die für die Kommunalpolitiker Boschen und Schmitt tödlich endeten) und die unmenschliche Behandlung der Zwangsarbeiter in den städtischen Lagern.
„Nach 1945 sind mir keine Aussagen von Herrn Coors bekannt, wo er sich für das unmenschliche Regime, dem er angehörte und diente, entschuldigt hat. Dies fließt in den Vorschlag der Verwaltung in den Text für Herrn Coors nicht ein“, so Borchardt.
Borchardt findet geschichtliche Einordnung fraglich
Dort gibt es zu dieser Zeit diese Zeilen seitens der Verwaltung: „1933 Eintritt in die NSDAP. Ab Oktober 1937 Bürgermeister von Pinneberg. 1942 Ernennung zum Kreisamtsleiter für Kommunalpolitik. Ab 1944 zusätzlich Bürgermeister von Elmshorn.“
Etwas umfangreicher aber wird dies dargestellt. „Ab 1949 juristische Streitigkeiten mit der Stadt Pinneberg. 1952 vollständiger Sieg von Karl Coors, Anerkennung aller Versorgungsansprüche. Gestorben 1958 in Pinneberg, beigesetzt in einem Ehrengrab der Stadt.“ Borchardt fragt sich, ob diese geschichtliche Einordnung insbesondere jungen Menschen Orientierung geben kann.
NS-Bürgermeister Henry Glissmann half in Riga Nazi-Regime
An dem Textentwurf der Verwaltung zu Glissmann äußert Borchardt ebenfalls Kritik. Darin heißt es: „Nach 1933 Meldung als politisch unzuverlässig, trotzdem fortgesetzte Beschäftigung bei der Stadt Pinneberg.“ Die Aussage sei mehr als fragwürdig, findet Borchardt. „Schon 1935 wurde Henry Glissmann ganz erheblich gefördert. So durfte er in Jahren 1935 und 1936 an der Verwaltungsakademie Hamburg studieren.“ Für ihn ein starkes Argument dafür, dass die „politische Unzuverlässigkeit“ nicht lange angehalten haben könne.
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Henry Glissmann hatte sich initiativ um eine Versetzung nach Riga beworben. „Er hat durch seine Verwaltungstätigkeit im Besatzungsregime von Riga das Terrorregime stabilisiert und ist damit mitverantwortlich“, so Borchardt. In seiner Entnazifizierungsakte finde sich keine Entschuldigung von ihm für sein Handeln und Mitwirken in der NS-Zeit.