Pinneberg. Noch immer hängen im Rathaus die Gemälde von Amtsinhabern mit NSDAP-Parteibuch. Jetzt soll es eine Änderung bei den Bildern geben.

Wie soll eine Stadt mit den Porträts der Bürgermeister umgehen, die während der Nazi-Herrschaft regierten? Dieser Frage stellen sich in Pinneberg Politik und Verwaltung seit geraumer Zeit. Anlass dafür sind die beiden Porträts der ehemaligen Bürgermeister der Stadt Pinneberg Karl Coors und Henry Glissmann. Die Bilder hängen öffentlich in der Bildergalerie im Foyer des Rathauses, und zwar ohne einen einordnenden Kommentar.

Das sorgte bereits im vergangenen Jahr für einen Eklat. Die Ratsversammlung hatte daraufhin beschlossen, dass die beiden Porträts dort bleiben werden und unter den Bildern jeweils eine zusätzliche Tafel mit weiteren Informationen zu deren Wirken angebracht wird. Doch auch mit den nun angedachten einordnenden Texten sind noch nicht alle zufrieden. Dieter Borchardt etwa stellte abermals kritische Nachfragen.

Karl Coors und Henry Glissmann überzeugte Nazis?

Nun befasst sich der Ausschuss für Kultur, Sport und Jugend an diesem Mittwoch, 13. März, von 18.30 Uhr erneut mit dem Thema. Nach dem Kulturausschuss müssen sich noch der Hauptausschuss am 2. Mai sowie Ratsversammlung am 23. Mai der Sache annehmen und eine Entscheidung fällen.

Waren Karl Coors und Henry Glissmann überzeugte Nationalsozialisten? In den Vorschlägen für die zusätzlichen Tafeln ist folgendes zusammengetragen worden: Karl Coors, geboren 1865 in Seelenfeld (Kreis Minden), war von 1925 bis 1937 Bürgermeister von Friedrichstadt. 1933 trat er der NSDAP bei. Ab Oktober 1937 wurde er dann Bürgermeister von Pinneberg und 1942 zum Kreisamtsleiter für Kommunalpolitik ernannt und ab 1944 zusätzlich zum Bürgermeister von Elmshorn.

Coors als „weitgehend unbelastet“ aus Internierung entlassen

Im Juni 1945 wurde er in seiner Funktion in Elmshorn durch die britische Militärregierung bestätigt. Nur wenige Monate später, im September 1945, musste er in „Automatic Arrest“ wegen der Ernennung zum Kreisamtsleiter für Kommunalpolitik. Anschließend kam er in ein Internierungslagern bis zum Urteil „weitgehend unbelastet“ im Januar 1948.

Ab 1949 gab es juristische Streitigkeiten mit der Stadt Pinneberg über die Anerkennung aller Versorgungsansprüche, den Karl Coors 1952 gewann. Er starb 1958 in Pinneberg, beigesetzt in einem Ehrengrab der Stadt.

Glissmann galt 1933 als „politisch unzuverlässig“

Henry Glissmann, geboren 1898 in Pinneberg, begann 1916 als Anwalts- und Notariatsgehilfe bei der Pinneberger Stadtverwaltung, wurde 1926 Obersekretär und Büroleitender Beamter. Er engagierte sich in Vereinen und Verbänden. Nach 1933 gab es eine Meldung, Glissmann sei politisch unzuverlässig, er wurde aber weiterhin bei der Stadt Pinneberg beschäftigt.

Der ehemalige Bürgermeister Richard Köhn (l.) hängt neben dem Porträt von Henry Glissmann.
Der ehemalige Bürgermeister Richard Köhn (l.) hängt neben dem Porträt von Henry Glissmann. © Anne Dewitz | Anne Dewitz

Im September 1942 wurde er von der Abteilung Verwaltung des Generalkommissars in Riga angefordert, wo er in der Hauptabteilung Verwaltung / Zentral- und Personalabteilung tätig war. Mit dem Vorrücken der Roten Armee wurde er in den Regierungsbezirk Kattowitz beordert. Eine Krankheit brachte ihn zurück nach Pinneberg.

Glissmann war von 1950 bis 1963 Bürgermeister in Pinneberg

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er unter der britischen Militärregierung entlassen und musste bei der Torfgewinnung im Himmelmoor arbeiten. 1945 trat Glissmann in die SPD ein. 1946 wurde er wieder im Pinneberger Rathaus angestellt und drei Jahre später zum Stadtdirektor ernannt. 1950 bis 1963 wurde er zum Bürgermeister gewählt. Glissmann starb 1966 in Pinneberg.

Die Verwaltung hatte diese Fakten mithilfe der Geschichtswerkstatt Pinneberg zusammengetragen. Bevor die Tafeln angebracht werden, wird der Inhalt noch einmal der Politik zur Entscheidung vorgelegt. In der Einwohnerfragestunde der Ratsversammlung hatte Dieter Borchardt zudem weitere Fragen gestellt.

Geschichtswerkstatt Pinneberg half bei Aufarbeitung

So fehlten ihm zur geschichtlichen Einordnung der beiden Bürgermeister Fakten. „Warum wird die gute Verbindung von Coors zu dem Ortsgruppenleiter der NSDAP Krömer nicht mehr erwähnt?“, wollte er wissen.

Die Verwaltung verweist darauf, dass die Publikation der Geschichtswerkstatt über den Nationalsozialismus in Pinneberg viele bis dahin unbekannte Quellen, insbesondere auch zum Handeln der Bürgermeister Coors und Glissmann, herangezogen hat. „Es wurden dort sowohl Akten des Bundesarchivs zur genauen Tätigkeit Henry Glissmanns in Riga 1942 bis 1944 als auch zahlreiche Akten zur Tätigkeit von Karl Coors in Pinneberg und Elmshorn 1937 bis 1945 ausgewertet. Dies war Grundlage der abgegebenen Darstellung“, heißt es in den Ausschuss-Unterlagen.

Bürgermeister Heinrich Backhaus taucht in Galerie im Rathaus nicht auf

Borchardt moniert zudem, dass die Verwaltung zu der Besetzung Lettlands schreibt: „Das Generalkommissariat Riga war die deutsche Regierung für Lettland und umfasste 281 Mitarbeiter in den drei Abteilungen Politik, Verwaltung und Wirtschaft“. Die Verwaltung weist darauf hin, dass es sich hierbei um ein Zitat aus der deutschen Verwaltung des Generalkommissariats Riga von 1942 handle, das so gekennzeichnet vom Bundesarchiv in der erwähnten Publikation der Geschichtswerkstatt von 2000 wiedergegeben wurde.

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Warum der Bürgermeister Heinrich Backhaus nicht in der Galerie aufgenommen wurde, ist der Verwaltung nicht bekannt. Er war Mitglied der NSDAP und wurde 1933 zum Bürgermeister von Pinneberg ernannt. Als Schulungsleiter der Kreisleitung der NSDAP dürfte er überzeugter Nazi gewesen sein. Backhaus soll mit entsprechendem Begleittext in die Liste der Bürgermeister aufgenommen werden.