Pinneberg. Termin an der Nazi-Stele des Bahnhofs: Künstler F. Jörg Haberland erklärt, warum sein Gegenmahnmal nötig ist und wann es steht.
Eine Agora soll es werden, ein Ort der Kommunikation, ein Toleranzring, unaufdringlich und auf Augenhöhe, beschreibt Künstler F. Jörg Haberland seinen Entwurf. „Ich würde nicht von einem Steinkreis sprechen.“ Das assoziiere er mit Stonehenge in Südengland. Haberland ist aus München nach Pinneberg angereist. Bei einem Ortstermin am Bahnhof erklärt er, was er an dem umstrittenen Gefallenendenkmal aus Nazi-Zeiten als Ergänzung vorhat.
Der Bestandsbau ist monumental und geschichtlich belastet: Zehn Meter hoch ist die Säule, allein das Schwert misst fünfeinhalb Meter. Darüber die Kombination aus Reichsadler, der nach rechts blickt, mit dem Eichenkranz, das früher das Hakenkreuz enthielt. „Die Nazis haben das Gefallenendenkmal aus dem Ersten Weltkrieg instrumentalisiert“, sagt Haberland.
Mahnmal am Bahnhof Pinneberg stammt aus NS-Zeit
Das Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges wurde 1934 nach einem Entwurf des Stadtbaumeisters Theodor Hansen eingeweiht. Ein symbolhaftes Bauwerk, das durch seine schiere Größe ein Zeichen von Hierarchie sei und nonverbal ausdrücke: Oben stehe das Reich über allem. Seit 2016 befindet es sich unter Denkmalschutz und darf deswegen baulich nicht verändert werden. Seitdem wird auch intensiv darüber diskutiert, wie man mit dem Mahnmal umgehen soll.
Diese Hinterlassenschaft aus der NS-Zeit muss laut dem Kulturausschuss des Deutschen Städtetages zwingend begleitet werden von weiterführenden Aktivitäten, beispielsweise Geschichtsprojekten in Schulen und künstlerischer Kommentierung. „Ein belastendes Denkmal wie das Pinneberger erklärt sich nicht von selbst“, sagt Haberland.
Worte Frieden, Freiheit und Toleranz in 26 Sprachen übersetzt
„Dem muss auf gleicher Ebene begegnet werden“, ist er überzeugt. Dem vertikalen, strengen Machtkonstellation verkörpernden Kriegsdenkmal stellt er kreisförmig angeordnete Granitsegmente als erfahrbare Symbole für Demokratie und Gleichberechtigung gegenüber. „Jede Person ist gleichermaßen willkommen, sich in diesem Kreis auf Augenhöhe zu begegnen, sich auf den drei Graniten niederzulassen, zu verweilen.“
Haberland möchte, dass es im Alltag funktioniert, nutzbar ist, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben. Gleichzeitig ist ihm die Internationalität wichtig. Die Worte Frieden, Freiheit und Toleranz werden in 26 Weltsprachen zu lesen sein. So will Haberland verdeutlichen, dass die ethische Vielfalt zu einer aufgeklärten Gesellschaft gehört.
Glasstele mit Text von Schülern ergänzt Mahnmal
Eine Glasstele soll das Ensemble ergänzen. In einem Schülerwettbewerb hatten Schüler Texte verfasst, die das vorhandene Denkmal einordnen. Der prämierte Text von Geschichtsschülern werde unverändert übernommen, weil den Schülern eine einwandfreie faktische und sachliche Ausarbeitung gelungen sei, die die Problematik - unpathetisch formuliert - sehr gut auf den Punkt bringe. „Er entspricht der Aufklärung ganz im Sinne des mit dem Denkmalschutz verbundenen Bildungsauftrages“, sagt Haberland.
Die Realisierung der Mahnmalerweiterung am Pinneberger Bahnhof ist einen großen Schritt weiter: Die Stadt Pinneberg und der Künstler F. Jörg Haberland haben nun, wie von der Politik im Dezember 2023 beauftragt, einen Vertrag geschlossen. Sobald der Pinneberger Haushalt in Kiel freigegeben ist, kann Haberland mit der Umsetzung beginnen.
Mahnmal am Bahnhof Pinneberg wurde lange geplant
Das Projekt wurde mehrere Jahre geplant. Es wurde viel diskutiert und die Mahnmal-Initiative hat Spenden gesammelt. „Ich freue mich, dass nach der Vertragsunterzeichnung nun die konkrete und handwerkliche Arbeit zum Bau des Mahnmals beginnen kann“, sagte Bürgermeister Thomas Voerste während des Ortstermins am Dienstag.
„Dafür wünsche ich Jörg Haberland alles Gute und bin schon jetzt gespannt auf das Kunstwerk.“ Er dankte allen Beteiligten und insbesondere der Arbeitsgruppe Denkmal sowie der Mahnmal-Initiative zur Umsetzung der Erweiterung für ihr Engagement.
Mahnmal Pinneberg: Spendenziel wurde erreicht
Die Stadt Pinneberg wird während der Umgestaltung der Nordseite des Bahnhofs durch die Deutsche Bahn (DB) weitere Flächen von der DB erwerben. Auf diesen Flächen wird auch das Kunstwerk errichtet. Das Projekt mit anvisierten Kosten in Höhe von 70.000 Euro wird überwiegend aus Spendengeldern finanziert. Jüngst wurde dabei die 60.000-Euro-Marke geknackt. Die Differenz-Summe trägt die Stadt Pinneberg.
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Das neue Mahnmal soll aufgestellt werden, sobald die Deutsche Bahn die Arbeiten am Pinneberger Bahnhof abschließt, also frühestens 2025. Bis dahin wird Haberland das Denkmal fachgerecht lagern.