Quickborn. Das Henri-Goldstein-Haus, in dem jüdische Kriegsgefangene eingepfercht waren, wird saniert. Was den Ort bei Quickborn besonders macht.

Großer Geldsegen für das Henri-Goldstein-Haus im Quickborner Himmelmoor. Das unscheinbar wirkende, rote Backsteinhaus aus den 30er-Jahren, in dem während des Krieges wohl 53 jüdische und französisch sprechende Kriegsgefangene untergebracht waren, kann jetzt vollständig saniert und zu einer authentischen NS-Gedenkstätte ausgebaut werden.

Insgesamt 285.000 Euro an Zuschüssen von Bund, Land und der Stiftung Denkmalschutz konnte Jens-Olaf Nuckel vom Förderverein des Goldstein-Hauses jetzt einstreichen.

NS-Gedenkstätte im Himmelmoor: Sie ist einmalig im Land

„Damit können wir das Gebäude jetzt bis zum nächsten Winter wetterfest machen“, sagte Nuckel, der selbst Architekt ist und den Anbau für die Gedenkstätte des KZ Springhirsch in Kaltenkirchen nur wenige Kilometer entfernt vom Himmelmoor konstruiert hat.

Das marode Dach soll komplett erneuert, die Fenster ausgetauscht und die Fassade saniert werden, kündigt er an. Jeweils 130.000 Euro geben Bund und Land für diese Arbeiten dazu. 25.000 Euro spendiert die Deutsche Stiftung Denkmalschutz.

Vier Vereine wollen die Industrie- und Sozialgeschichte bewahren

Zur Feier des Tages hat Nuckel alle anderen Mitstreiter für den Erhalt der Kulturgeschichte des mit 600 Hektar größten Hochmoores des Landes in das kleine, nur 100 Quadratmeter große Gebäude eingeladen. Die Kälte vom nasskalten Wetter zieht durch die Ritzen. Es ist bitterkalt. Alle stehen mit dicken Jacken und Mänteln in dem dunklen Raum, der einst 50 Männer beherbergte, die hier von morgens bis abends Torf stechen mussten.

Große Freude über die Fördergelder von Bund und Land, die Wolfgang Grandinger (von links) von der Stiftung Denkmalschutz und Bildungsstaatssekretär Guido Wendt im Henri-Goldstein-Haus an Vereinsvorsitzenden Jens-Olaf Nuckel sowie Quickborns Ersten Stadtrat Eike Kuhrcke im Beisein von Kreis-Denkmalpflegerin Antje Metzner überreichten.
Große Freude über die Fördergelder von Bund und Land, die Wolfgang Grandinger (von links) von der Stiftung Denkmalschutz und Bildungsstaatssekretär Guido Wendt im Henri-Goldstein-Haus an Vereinsvorsitzenden Jens-Olaf Nuckel sowie Quickborns Ersten Stadtrat Eike Kuhrcke im Beisein von Kreis-Denkmalpflegerin Antje Metzner überreichten. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Es sind dies die Fördervereine vom stillgelegten Torfwerk und vom Waagehaus. Die einen wollen in der großen Halle, in der früher die Maschinen und Torfballen standen, ein Museum über die 150-jährige Industriegeschichte des Torfabbaus in Quickborn einrichten. Die anderen möchten das älteste Gebäude im Himmelmoor von 1890, das den Torf vor dem Abtransport zum Bahnhof wog, erhalten wissen. Und die Arbeitsgemeinschaft Torfbahn lässt seit Ostern wieder ihre Loren über die Torfbahngleise zuckeln, die das Himmelmoor touristisch erschließen.

Kreis-Denkmalpflegerin Metzner würdigt die Einmaligkeit des Projektes

Alle Projekte zusammen bildeten eine ganz besondere Art der Erinnerungskultur in Schleswig-Holstein, sagte Nuckel. „Wir schaffen hier ein Zusammenspiel der historischen Aufarbeitung von Natur, Industrie- und Sozialgeschichte, die so wohl einmalig für Schleswig-Holstein ist.“

Kreis-Denkmalpflegerin Antje Metzner vor dem Gebäude, in dem in beiden Kriegen Hunderte russische Kriegsgefangene untergebracht waren: Das hier ist ein so tolles Gesamtprojekt und ist mit dem Erhalt der Nissenhäuser und der früheren Gefängnisse einzigartig im Kreis Pinneberg.
Kreis-Denkmalpflegerin Antje Metzner vor dem Gebäude, in dem in beiden Kriegen Hunderte russische Kriegsgefangene untergebracht waren: Das hier ist ein so tolles Gesamtprojekt und ist mit dem Erhalt der Nissenhäuser und der früheren Gefängnisse einzigartig im Kreis Pinneberg. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Eine Würdigung, die Kreis-Denkmalpflegerin Antje Metzner nur bestätigen konnte. „Das ist ein so tolles Gesamtprojekt und ist mit dem Erhalt der Nissenhäuser und der früheren Gefängnisse einzigartig im Kreis“, lobte die Fachfrau, die für etwa 850 Baudenkmäler im Kreis Pinneberg zuständig ist. Gegenüber vom Henri-Goldstein-Haus, das nach einem Kriegsgefangenen aus Belgien benannt ist, steht ein größeres Gebäude, in dem zu beiden Weltkriegszeiten viele Hundert russische Gefangene untergebracht werden, die hier auch unter Zwang Torf abzubauen hatten.

Staatssekretär Wendt: Es ist wichtig, das Geschehene nicht in Vergessenheit geraten zu lassen

Staatssekretär Guido Wendt aus dem Bildungsministerium lobte das ehrenamtliche Engagement dieser Projekte zur Erinnerungskultur. Diese jüngere deutsche Geschichte aufzuarbeiten, sei „eine große Leistung“, befand Wendt. „Das Geld ist hier hervorragend angelegt“, sagte er. „Denn es ist wichtig, das Geschehene und die Schicksale dieser Menschen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.“

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Voraussetzung für die Schaffung einer 14. Gedenkstätte in Schleswig-Holstein über die Nazi-Herrschaft sei aber, dass das noch im Originalzustand erhaltene Goldstein-Haus saniert werden würde. Das könnte nun mit den Fördergeldern von Bund und Land gut bewerkstelligt werden. Wobei Nuckel bereits ankündigte, dass nach der Grundsanierung von Dach und Fassade auch noch die Inneneinrichtung folgen müsse, wofür der Förderverein weitere 110.000 Euro beim Bund einwerben möchte.

Die Einrichtung soll spartanisch bleiben und keine Heizung erhalten

Damit sollen die Wände, Türen und elektrischen Leitungen erneuert werden. Die Einrichtung werde karg bleiben und solle auch keine Heizung erhalten, um den Besuchern der Gedenkstätte einen sinnlichen Eindruck zu vermitteln, wie hier die Gefangenen auf engstem Raum mit nur einem Ofen in der Mitte leben und wohl oft auch frieren mussten. „Wir werden das Gebäude nur konservieren und wollen es, so wie es ist, erlebbar machen“, sagte Nuckel.

Die Holzpritschen und Etagenbetten aus Metall und die abgeblätterte Wandfarbe zeugen im Henri-Goldstein-Haus noch von der Nazi-Zeit, als hier 53 jüdische Kriegsgefangenen untergebracht waren.  
Die Holzpritschen und Etagenbetten aus Metall und die abgeblätterte Wandfarbe zeugen im Henri-Goldstein-Haus noch von der Nazi-Zeit, als hier 53 jüdische Kriegsgefangenen untergebracht waren.   © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Schülerinnen und Schüler aus Quickborn und der Region, hätten sich bei ihren Besuchen vehement dafür eingesetzt, hier bloß keine Bildschirme und Beamer aufzuhängen, erklärte Nuckel. „Das wird alles analog bleiben.“

Ein Historiker wird bis Ende des Jahres eine geschichtliche Aufarbeitung vorlegen

Parallel zu den Handwerksarbeiten, die jetzt beginnen würden, wird bis zum Jahresende die gesamte Geschichte des Lagers und des Torfabbaus historisch erforscht. Dann werde ein beauftragter Historiker seine zweijährigen Forschungsergebnisse dazu öffentlich vorlegen. Für diese Arbeit hat das Land dem Goldstein-Verein bereits 70.000 Euro zugesagt. Anschließend soll die Gedenkstätte mit Lesungen, Ausstellungen und Konzerten für die nachfolgenden Generationen an diese Zeit mahnen und erinnern, kündigte Nuckel an.

Wobei die Gefangenen nicht nur großes Leid und Schikanen hätten ertragen müssen. „Sie konnten hier auch ihre jüdischen Feste feiern“, sagte Nuckel. Das sei inzwischen durch die vielen schriftlich und mündlich überlieferten Aussagen ehemaliger Gefangener wissenschaftlich belegt, die ein französischer Historiker dem Förderverein vermacht hat, der mit zahlreichen Zeitzeugen darüber gesprochen hat.