Tornesch. In Tornesch wurde eine Straße nach einem Bürgermeister der NS-Zeit benannt. Wie die Stadt mit ihrer Vergangenheit umgeht.

Darf eine Straße den Namen eines Bürgermeisters aus der Zeit der Nazi-Diktatur tragen? Hilft es, mit einer Informationstafel auf das zweifelhafte Wirken des NSDAP-Mitglieds hinzuweisen? Gab es auch im Ort eine Hitler-Eiche? Was bringt uns heute die Spurensuche in alten Zeiten? Und: Wie geht Tornesch mit diesen Fragen um?

Antworten auf all diese Fragestellungen gibt es bei einem öffentlichen Informationsabend am Donnerstag, 23. November, ab 19 Uhr in der Begegnungsstätte Pomm 91, Pommernstraße 91, in Tornesch. Die Historikerin Annette Schlapkohl, Leiterin des Archivs der Stadt Tornesch, wird zusammen mit Vertretern des Fördervereins „Gegen das Vergessen – Spurensuche im Kreis Pinneberg und Umgebung 1933-1945“ durch diese Veranstaltung führen.

Kulturausschuss regt öffentliche Debatte über NS-Zeit an

Die Stadt Tornesch will damit Bürgerinnen und Bürgern Gelegenheit geben, sich einen Überblick über das Thema Nationalsozialismus und dessen Auswirkungen in Tornesch zu verschaffen. Die Mitglieder des Kulturausschusses hatten die öffentliche Veranstaltung eingefordert.

Das Foto zeigt den einzigen Stolperstein in Tornesch, der am 19. April 2010 von Gunter Demnig verlegt wurde. Er erinnert an Anna Billian, die mit einem Sozialdemokraten verheiratet war und verleumdet wurde. Sie nahm sich nach ihrer Verhaftung am 15. Dezember 1942 im Gefängnis in Neumünster das Leben.
Das Foto zeigt den einzigen Stolperstein in Tornesch, der am 19. April 2010 von Gunter Demnig verlegt wurde. Er erinnert an Anna Billian, die mit einem Sozialdemokraten verheiratet war und verleumdet wurde. Sie nahm sich nach ihrer Verhaftung am 15. Dezember 1942 im Gefängnis in Neumünster das Leben. © Annette Schlapkohl/Stadtarchiv Tornesch | Annette Schlapkohl

Die aktuelle Debatte über die NS-Zeit in Tornesch hatten zwei Anwohnerinnen der „von-Helms-Straße“ ausgelöst. Sie hatten infrage gestellt, warum ein Bürgermeister aus der NS-Zeit unkommentiert auf einem Straßenschild verewigt werde, während in Tornesch nur einem Opfer aus dieser Zeit mit einem einzigen „Stolperstein“ gedacht werde.

Name des NS-Bürgermeisters erst 1973 auf Straßenschild verewigt

Tatsächlich war der Name des Bürgermeisters Johannes von Helms erst 1973 für einen Teil der Norderstraße gewählt worden. Eine Mehrheit der damaligen Gemeindevertretung entschied sich für ihn, weil er ausgleichend zwischen Kirche und Staat gewirkt habe.

Nach dem Protest der Anliegerinnen versuchte die Historikerin Annette Schlapkohl, mehr Licht ins Dunkel der Geschichte des umstrittenen Bürgermeisters zu bringen. Sie fand unter anderem heraus: „Der NS­DAP-Orts­grup­pen­lei­ter Otto Laus­mann, der in der Reichs­po­grom­nacht vom 9. No­vem­ber 1938 das An­zün­den ei­nes jü­di­schen Wo­chen­end­häus­chens im Pas­to­ren­damm ver­an­lass­te, war von Helms un­mit­tel­bar bei­ge­ord­net. Von Helms soll nach Aus­sa­ge der In­ha­be­rin Anna Ja­co­by 1939 den dro­hen­den Zwangs­ver­kauf des Grund­stü­ckes be­güns­tigt ha­ben.“

Eine von bislang 13 Spuren der NS-Geschichte in Tornesch: das Wochenendhaus der Familie Ruhmann in Tornesch. Hier versteckten die Eigentümer im Herbst 1944 über mehrere Wochen eine jüdische Familie auf der Flucht.
Eine von bislang 13 Spuren der NS-Geschichte in Tornesch: das Wochenendhaus der Familie Ruhmann in Tornesch. Hier versteckten die Eigentümer im Herbst 1944 über mehrere Wochen eine jüdische Familie auf der Flucht. © Stadtarchiv Tornesch | Stadtarchiv Tornesch

13 Tornescher Spuren auf kreisweiter Homepage über NS-Geschichte

Diese und zwölf andere Tornescher Spuren aus der Zeit der Nazi-Diktatur sind im Internet auf der Seite „Spurensuche im Kreis Pinneberg und Umgebung“ dokumentiert. Annette Schlapkohl und andere werden anhand dieser Präsentation berichten. Im Anschluss besteht die Möglichkeit zu einem Erinnerungs- und Meinungsaustausch. Folgetermine sind je nach Bedarf möglich.

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Tornesch ist selbstverständlich nicht die einzige Stadt im Kreis Pinneberg, in der aktuell um einen angemessenen Umgang mit Tätern und Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland diskutiert wird. Pinneberg beschäftigt sich beispielsweise mit seiner Ahnengalerie im Rathaus, in der unkommentiert die Porträts von zwei Bürgermeistern hängen, deren Wirken während der NS-Diktatur mindestens umstritten ist.