Tornesch. In Tornesch wurde eine Straße nach einem Bürgermeister der NS-Zeit benannt. Wie die Stadt mit ihrer Vergangenheit umgeht.
Darf eine Straße den Namen eines Bürgermeisters aus der Zeit der Nazi-Diktatur tragen? Hilft es, mit einer Informationstafel auf das zweifelhafte Wirken des NSDAP-Mitglieds hinzuweisen? Gab es auch im Ort eine Hitler-Eiche? Was bringt uns heute die Spurensuche in alten Zeiten? Und: Wie geht Tornesch mit diesen Fragen um?
Antworten auf all diese Fragestellungen gibt es bei einem öffentlichen Informationsabend am Donnerstag, 23. November, ab 19 Uhr in der Begegnungsstätte Pomm 91, Pommernstraße 91, in Tornesch. Die Historikerin Annette Schlapkohl, Leiterin des Archivs der Stadt Tornesch, wird zusammen mit Vertretern des Fördervereins „Gegen das Vergessen – Spurensuche im Kreis Pinneberg und Umgebung 1933-1945“ durch diese Veranstaltung führen.
Kulturausschuss regt öffentliche Debatte über NS-Zeit an
Die Stadt Tornesch will damit Bürgerinnen und Bürgern Gelegenheit geben, sich einen Überblick über das Thema Nationalsozialismus und dessen Auswirkungen in Tornesch zu verschaffen. Die Mitglieder des Kulturausschusses hatten die öffentliche Veranstaltung eingefordert.
Die aktuelle Debatte über die NS-Zeit in Tornesch hatten zwei Anwohnerinnen der „von-Helms-Straße“ ausgelöst. Sie hatten infrage gestellt, warum ein Bürgermeister aus der NS-Zeit unkommentiert auf einem Straßenschild verewigt werde, während in Tornesch nur einem Opfer aus dieser Zeit mit einem einzigen „Stolperstein“ gedacht werde.
Name des NS-Bürgermeisters erst 1973 auf Straßenschild verewigt
Tatsächlich war der Name des Bürgermeisters Johannes von Helms erst 1973 für einen Teil der Norderstraße gewählt worden. Eine Mehrheit der damaligen Gemeindevertretung entschied sich für ihn, weil er ausgleichend zwischen Kirche und Staat gewirkt habe.
Nach dem Protest der Anliegerinnen versuchte die Historikerin Annette Schlapkohl, mehr Licht ins Dunkel der Geschichte des umstrittenen Bürgermeisters zu bringen. Sie fand unter anderem heraus: „Der NSDAP-Ortsgruppenleiter Otto Lausmann, der in der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 das Anzünden eines jüdischen Wochenendhäuschens im Pastorendamm veranlasste, war von Helms unmittelbar beigeordnet. Von Helms soll nach Aussage der Inhaberin Anna Jacoby 1939 den drohenden Zwangsverkauf des Grundstückes begünstigt haben.“
13 Tornescher Spuren auf kreisweiter Homepage über NS-Geschichte
Diese und zwölf andere Tornescher Spuren aus der Zeit der Nazi-Diktatur sind im Internet auf der Seite „Spurensuche im Kreis Pinneberg und Umgebung“ dokumentiert. Annette Schlapkohl und andere werden anhand dieser Präsentation berichten. Im Anschluss besteht die Möglichkeit zu einem Erinnerungs- und Meinungsaustausch. Folgetermine sind je nach Bedarf möglich.
- Was machte der Bürgermeister in der Nazi-Zeit?
- Erinnerung an Widerstandskämpfer der ersten Stunde
- Pinneberg: Eklat um Nazis in Bürgermeistergalerie - Rathaus nimmt Stellung
Tornesch ist selbstverständlich nicht die einzige Stadt im Kreis Pinneberg, in der aktuell um einen angemessenen Umgang mit Tätern und Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland diskutiert wird. Pinneberg beschäftigt sich beispielsweise mit seiner Ahnengalerie im Rathaus, in der unkommentiert die Porträts von zwei Bürgermeistern hängen, deren Wirken während der NS-Diktatur mindestens umstritten ist.