Wedel. Mit der Abwahl von Wedels Bürgermeister gab auch seine letzte politische Unterstützerin ihr Ratsmandat auf - nicht ohne Rundum-Schelte.

In der denkwürdigen Ratsversammlung vom Gründonnerstag gab es neben dem – bis zum Bürgerentscheid im Juni vorläufigen – Abschied von Wedels Bürgermeister Gernot Kaser (62) auch einen überraschenden Rücktritt während der Sitzung. Politisch durchaus ein Paukenschlag.

Denn Ratspolitikerin Valerie Wilms, ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, verkündete ihren Abschied. Zuletzt hatte sie in Wedels Politiklandschaft für Irritationen gesorgt, nachdem sie mit Video-Interviews aufgefallen war, in denen sie mit Sektenvergleichen zu ihrer Ex-Partei Bündnis 90/Die Grünen oder aber zur AfD aneckte.

Früher Bundestag, jetzt „Freigeist“: Acht Jahre vertrat Wilms die Grünen

Sie werde ihr Ratsmandat zum 31. März abgeben. Nun gehört die 70 Jahre alte ehemalige Bundestagspolitikerin, die von 2009 bis 2017 für die Grünen im Bundestag gearbeitet hatte, nicht mehr der Ratsfraktion Wedeler Soziale Initiative (WSI) an, für die sie 2023 nach der Kommunalwahl im Rat saß.

Die Diplom-Ingenieurin zählte dabei stets zu den rar gesäten, politischen Unterstützern des Wedeler Bürgermeisters Gernot Kaser. Bei der Abstimmung zur Einleitung dessen Abwahlverfahrens war Wilms das einzige von 39 Ratsmitgliedern, das mit „Nein“ gestimmt hatte. Fraktionsübergreifend hatte es 38 „Ja“-Stimmen gegeben. Noch während der Rücktrittserklärung von Valerie Wilms verließ der enttäuschte Bürgermeister den Ratssaal.

Wedel: Wilms wollte im Interesse der Stadt fünf Jahre mitwirken

Sie sagte, dass sie sich Anfang 2023 überzeugen ließ, „aus dem politischen Ruhestand noch einmal zurückzukehren und aktiv im Interesse der Stadt Wedel für fünf Jahre Kommunalpolitik mitzugestalten“. Ihr Zeil sei es gewesen, „aufzuzeigen, wie im Zusammenspiel zwischen dem Ehrenamt und dem Bürgermeister die notwendigen Bedingungen geschaffen werden können, um Wedel aus dem Schuldenloch der letzten Jahrzehnte heraus und auf einen zukunftsfähigen Kurs zu bringen.“

Ratsfrau Valerie Wilms legte am Gründonnerstag ihr Mandat zum 31. März nieder. 
Ratsfrau Valerie Wilms legte am Gründonnerstag ihr Mandat zum 31. März nieder.  © Frederik Büll | Frederik Büll

Die politischen Querelen der vergangenen Jahre habe sie dabei ausgeblendet und sei nach der Kommunalwahl im Mai gespannt und hoffnungsfroh wegen der vielen neuen – unvoreingenommenen – Politiker gewesen. „Denn Kommunalpolitik funktioniert nur, wenn Ehrenamt und Hauptamt vertrauensvoll zusammenarbeiten. So sieht es auch die Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein vor“, so Wilms.

Trugschluss „in Sachen Haushalt nach vorne zu denken“

Mit dem ersten Workshop der Ratsmitglieder und der Verwaltung nach den Sommerferien des Vorjahres „hatte ich bei den Anwesenden die Bereitschaft gesehen, in Sachen Haushalt wirklich nach vorne zu denken. In den sich dann anschließenden Beratungen zum Haushalt 2024 zeigte sich aber, dass dieser Elan nicht mehr zu halten war“, erklärte Wilms.

Ihre Kritikpunkte: Nur mit viel Mühe und externer Hilfe durch den Kreis Pinneberg sei ein ausgeglichener Haushalt für 2024 zustande gekommen. Die Kreisumlage war damals gesenkt worden, dadurch musste Wedel dem Kreis Pinneberg weniger Geld als gedacht bezahlen.

Beim Abwahlverfahren gegen Bürgermeister Gernot Kaser stimmten 38 von 39 Ratspolitiker für dessen Weggang. Ratsmitglied Valerie Wilms war dagegen – als einzige. Nun entscheiden die Wedeler am 9. Juni über Kasers Verbleib im Amt.
Beim Abwahlverfahren gegen Bürgermeister Gernot Kaser stimmten 38 von 39 Ratspolitiker für dessen Weggang. Ratsmitglied Valerie Wilms war dagegen – als einzige. Nun entscheiden die Wedeler am 9. Juni über Kasers Verbleib im Amt. © Frederik Büll | Frederik Büll

„Leider kippte die Kommunalpolitik immer weiter ab in Richtung eines Kampfes der Mehrheit des Rates gegen einen Bürgermeister, der sicherlich kein Verwaltungsfachmann ist. Der auch durchaus, wie jeder andere, nicht immer fehlerfrei gehandelt hat“, sagte die Politikerin im Ratssaal.

Gernot Kaser: Wilms sieht „menschlich fragwürdigen Umgang“ mit Wedels Bürgermeister

Diese Fehler rechtfertigten aus ihrer Sicht aber nicht, „mit einem letztlich von den Bürgern legitimierten Bürgermeister so menschlich fragwürdig umzugehen“. Schließlich sei er, ebenso wie das politische Ehrenamt, angetreten, um Wedel voranzubringen.

Kaser habe aufgrund seiner beruflichen Vergangenheit in der freien Wirtschaft „viele gute Ideen für die Stadt mitgebracht. Deren Umsetzung setzt aber bei allen Beteiligten voraus, nicht nur im alten System zu verharren, sondern Veränderungsbereitschaft zu zeigen. Diese Bereitschaft vermisse ich sowohl bei der Mehrheit der Ratsmitglieder als auch in Teilen der Verwaltung und bei den Leistungsempfängern der Stadt“, so Wilms.

„Anklageschrift“ und „Stimmungsmache“ – Wilms verteidigt Kaser

Als Beispiele nannte sie die im Januar von der „Mehrheit durchgepeitschte Mitgliedschaft der Stadt im privaten Verein Wedel Marketing e. V. für einen Jahresbeitrag von 95.000 Euro ohne klar vereinbarte Gegenleistung“. Die offenkundige Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung war vom Bürgermeister deutlich aufgezeigt worden.

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Zudem mahnte sie „die Verlesung einer fünfseitigen Anklageschrift gegen den Bürgermeister“ auf der Ratssitzung im Februar an. Diese habe laut Wilms „bis auf einige wenige Tatsachenbehauptungen geschickterweise nur Meinungsäußerungen enthalten. Die sind nicht justiziabel, dienen aber der Stimmungsmache“.

Auch an den Wedeler Ratskollegen lässt Wilms kein gutes Haar

In ihrem knappen Jahr als Mitglied der Ratsversammlung habe sie von der Mehrheit kaum Bereitschaft und Kompromissfähigkeit bei notwendigen Entscheidungen für die Weiterentwicklung Wedels erlebt. Stattdessen sei es nur darum gegangen, „dem Bürgermeister alle erdenklichen Vorwürfe zu machen“. Darunter werde das Image der Stadt auf lange Sicht leiden. Auch in Hinblick auf beispielsweise die Attraktivität Wedels als Wirtschaftsstandort oder als Arbeitgeber für neue Verwaltungsmitarbeiter.

„Scheinbar ist der Kampf gegen den von den Bürgern mit klarer Mehrheit vor zwei Jahren gewählten Bürgermeister die einzige Richtschnur für das politische Handeln der Mehrheit im Rat. Ich bin nicht mehr gewillt, dabei auch nur ansatzweise mitzumachen“, so Wilms. Sie wünsche Kaser weiterhin viel Erfolg und eine glückliche Hand. Nachdem die Worte ihres Rücktritts ausgesprochen waren, brandete unter Politikern und auch Zuschauern des prall gefüllten Ratssaals Jubel auf.

Ratsmehrheit sollte über „Schadensminderung für meine Heimatstadt Wedel“ nachdenken

Der Ratsmehrheit lege Wilms ein Nachdenken „im Hinblick auf die dringend notwendige Schadensminderung für meine Heimatstadt Wedel nahe“. Zuvor war bereits WSI-Ratsmitglied Manfred Schlund aus persönlichen Gründen ebenfalls aus der Fraktion zurückgetreten, bereits seit Beginn der Gründonnerstagssitzung ist Ingrid Paradies Teil der fünfköpfigen WSI-Delegation.

Welches Ratsmitglied nun für Wilms nachrückt, ist noch nicht bekannt. Die Vereidigung erfolgt auf der kommenden Ratssondersitzung am Donnerstag, 11. April, im Rathaus (19 Uhr).