Quickborn/Ellerau. Kritik der Politik am Ministerium, weil es die Gerichtsurteile zum strittigen Megaprojekt abwarten will. Aber es gibt auch Fürsprecher.
Jetzt steht fest: Über die Ansiedlung des Logistikzentrums des US-Investors Hillwood in Ellerau entscheiden die Gerichte. Das Innenministerium in Kiel hat der Stadt Quickborn jetzt mitgeteilt, dass es vorab nicht über die Fachaufsichtsbeschwerde gegen die Baugenehmigung des Kreises Segeberg entscheiden werde.
Zunächst solle die Beschwerde Quickborns vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Schleswig abgewartet werden, die die Stadt Quickborn eingereicht hat, weil ihr das Verwaltungsgericht keine aufschiebende Wirkung einräumen wollte. Solange kann Hillwood fleißig weiter bauen.
US-Megaprojekt von Hillwood in Ellerau: Kiel entscheidet nicht über Gericht hinweg
„Es war vorher klar, dass es herausfordernd wird“, sagt dazu Quickborns Bürgermeister Thomas Beckmann. In einem persönlichen Brief an Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack hatte er sie – wie berichtet - Ende März darum gebeten, aus Gründen der Verkehrssicherheit die erteilte Baugenehmigung der unteren Fachbehörde zu kassieren.
Insbesondere für Kinder, die auf dem Weg zur Schule die Bahnstraße ohne Ampel und Fußgängerüberweg überqueren müssten, um zum Bahnhof Tanneneck zu gelangen, würde es hier künftig zu gefährlich werden.
Täglich bis zu 1100 Lkw-Fahrten würden den Schulweg äußerst gefährlich machen
Diese wären in höchster Gefahr, wenn hier zusätzlich zu den etwa 7200 Fahrzeugen am Tag fast jede Minute ein Lkw entlangführe. Denn Hillwood plant den Bau von fünf jeweils 10.000 Quadratmeter großen Lagerhallen, die nach Hillwoods Angaben täglich 1080 Lkw-Fahrten verursachen werden. „Ich hoffe, dass es keine Unfälle geben wird“, sagt Beckmann und kündigt an, dem OVG noch ein eigenes Gutachten zum fehlenden Sicherheitsaspekt der Verkehrssituation vorzulegen.
Schwer enttäuscht von dieser Nicht-Entscheidung der Landesregierung ist die Quickborner Bürgervorsteherin und FDP-Landtagsabgeordnete Annabell Krämer. Sie spricht von einem „Versagen“ des Innenministeriums. „Es erschreckt mich, wenn die einzige Reaktion der Landesregierung - nach zahlreichen Terminen zum Bauvorhaben Hillwood - auf die Folgen der Hillwood-Ansiedlung ist, die Entscheidung möglichst zu verzögern, wichtige Zeit zu verschwenden und die Menschen hier vor Ort und Gemeinden im Stich zu lassen.“
Krämer: Die Landesregierung hält ihr Versprechen der Ampelanlage nicht ein
Damit würde die Landesregierung die von ihr „versprochene BÜSTRA-Ampelanlage“ torpedieren. So sollte nach mehrjähriger Planung in diesem Jahr endlich eine Ampelanlage für Fußgänger mit Steuerung der Bahnschranken an der Bahnkreuzung Bahnstraße/Buchenweg am AKN-Bahnhof Tanneneck errichtet werden. Doch der fertige 2,5 Millionen Euro teure Plan, den die AKN erarbeitet hat, würde durch das Hillwood-Projekt hinfällig und müsste wiederum neu überplant werden.
Krämer: „Mich macht es fassungslos, dass sich die Landesregierung offensichtlich immer noch nicht im Klaren über die fatalen Folgen der Hillwood-Ansiedlung ist.“ Die zur Verkehrssicherung notwendige Errichtung der Ampelanlage am Bahnhof Tanneneck sei nun „in weite Ferne gerückt“, kritisiert sie. „Eine sichere Querung der Bahnstraße für Schulkinder bleibt dadurch unmöglich. Ich fordere die Landesregierung deshalb auf, die sofortige Umsetzung der BÜSTRA-Maßnahme zur Schulwegsicherung zu starten.“
SPD Ellerau hat noch keine Antwort auf ihre Fachaufsichtsbeschwerde
Auch die SPD in Ellerau hatte sich dieser Fachaufsichtsbeschwerde angeschlossen (das Abendblatt berichtete). Eine Antwort habe sie noch nicht erhalten, sagt Parteichef Bernd Tietjen. Lediglich eine Bestätigung, dass diese Beschwerde in Kiel eingegangen sei, liege vor. Aber auch diese dürfte ähnlich beschieden werden wie die aus Quickborn. Auch wenn nach Angaben von Bürgermeister Beckmann und der SPD Ellerau zahlreiche Bürgerinnen und Bürger aus beiden Orten ebenfalls offiziell das Innenministerium angerufen haben sollen.
Unterdessen haben die anderen Ratsfraktionen in Ellerau nochmal ausführlich begründet, warum sie sich der SPD-Initiative nicht angeschlossen haben, Beschwerde beim Innenministerium einzulegen. „Wir sind der Ansicht, dass jede weitere Fachaufsichtsbeschwerde die Bearbeitung der Widersprüche nur weiter verzögert“, begründet BVE-Vorsitzende Tanja Eich dieses Vorgehen ihrer Wählergemeinschaft, die den Bürgermeister in der Gemeinde stellt. Der Sachverhalt ändere sich nicht durch die Anzahl der Fachaufsichtsbeschwerden, argumentiert sie.
Die BVE Ellerau ist als größte Ratsfraktion nicht grundsätzlich gegen Hillwood
Auch der Kreis Segeberg habe angekündigt, erst das Ergebnis des Klagverfahrens der Stadt Quickborn gegen den Kreis Segeberg auf einstweiligen Rechtsschutz abzuwarten, das sich nun vor dem OVG in der zweiten Instanz befinde, bevor über die Widersprüche der Gemeinde Ellerau und der Stadt Quickborn gegen die erteilte Baugenehmigung entschieden wird.
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Grundsätzlich aber befürworte die BVE die Entwicklung des zehn Hektar großen, lange brachliegenden Industriegeländes an der Werner-von-Siemens-Straße/Buchenweg/Bahnstraße – „nur mit weniger Verkehr und gesicherten Wegen für alle Verkehrsteilnehmer“, so Tanja Eich. Denn die BVE verspreche sich von dem Hillwood-Projekt, dass „zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, das Steueraufkommen erhöht und die bisherige Industriebrache optisch aufgewertet wird.“
Auch die Ellerauer CDU verspricht sich Arbeitsplätze und Steuereinnahmen
Ähnlich äußert sich Elleraus CDU-Fraktionschef Peter Groth. Von der neuen Nutzung erhoffe sich die CDU-Ellerau „zusätzliche Arbeitsplätze, den Zuzug neuer Bürgerinnen und Bürger, ein höheres Steueraufkommen und eine optische Verbesserung der bisherigen Industriebrache“, betont Groth. „Der Standort Ellerau wird dadurch sowohl in gewerblicher Hinsicht wie auch als Wohnort im Speckgürtel von Hamburg aufgewertet.“
Darum habe die CDU wie auch BVE und SPD bereits vor fast zwei Jahren ihr gemeindliches Einvernehmen zu diesem Bauvorhaben Hillwoods erteilt, weil sie eben nicht dem Bauantrag widersprochen hätten, was die Gemeinde innerhalb von zwei Monaten hätte tun können. So steht es auch in einem Schreiben des Kreises Segeberg vom April 2022, zitiert Groth
Ellerau hat aber genauso wie Quickborn Widerspruch gegen Baugenehmigung eingelegt
Da aber in der erteilten Baugenehmigung des Kreises Segeberg trotz der ursprünglich angekündigten 1600 Lkw-Fahrten am Tag, die nun vom Investor auf 1080 Lkw-Fahrten reduziert worden sind, „kein Verkehrsentwicklungskonzept zugrunde lag, hat der Bürgermeister der Gemeinde Ellerau im Einvernehmen mit allen Fraktionen der Gemeindevertretung Widerspruch gegen die Baugenehmigung eingelegt“, erklärt Groth.
Inzwischen hat die Gemeindevertretung Elleraus auch eine Veränderungssperre und eine Herabstufung des Hillwood-Geländes von einem Industrie- in ein Gewerbegebiet beschlossen. Das würde aber erst gelten, sobald die Baugenehmigung Hillwoods vom Verwaltungsgericht oder den Behörden für unrechtmäßig erklärt werden sollte.