Elmshorn. Ausstellung in Paderborn und Denkort in Itzehoe widmen sich dem Leben des NS-Malers und Zeichners Wilhelm Petersen aus Elmshorn.
Vom Malergesellen zum Professor der Kunsthochschule, vom SS-Kriegszeichner für die Kriegspropaganda der Waffen-SS zum Zeichner der Mecki-Comics in der Hörzu, Seefahrer, Rassist. Liebevoller Vater und Ehemann. Humorvoll, witzig, herzlich, geistreich, präsent, so hat er seinen Vater erlebt.
„Ich hatte eine tolle Kindheit“, sagt Anders Petersen. Umso schwerer fällt es dem Elmshorner Künstler, über die dunkle Seite seines Vaters zu sprechen. „Man beschädigt auch seine eigene Erinnerung damit.“ Das Wohnhaus der Eltern in Klostersande ist heute sein Atelier und Ausstellungsraum. Hier arbeitet Anders Petersen an seinen Bildern - Kunst, die im Dritten Reich vermutlich als entartet gegolten hätte.
Anders Petersen: Mosaik bei Teppichhaus Kibek erinnert an ihn
Die einzigen künstlerischen Spuren Wilhelm Petersens in Elmshorn sind das Mosaik am Eingang zum Teppichhaus Kibek und die Flora am Hauptgebäude der Volksbank. Dabei hatte er es zu Lebzeiten zu zweifelhaftem Ruhm geschafft. Bilder wie „Die Friesin“ oder „Der Walfisch in der Krückau“ befinden sich im Archiv der Kunsthalle zu Kiel, der Öffentlichkeit verborgen. Der Umgang mit Nazi-Kunst ist heikel.
Nun nähert sich eine Ausstellung im Kreismuseum Wewelsburg in Paderborn dem Thema. Im ehemaligen SS-Wachgebäude am Burgvorplatz befindet sich die Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg 1933–1945 mit der Dauerausstellung „Ideologie und Terror der SS“. Hier eröffnet am 20. Juni die Sonderausstellung zu Wilhelm Petersen, der als Maler nationalsozialistische Ideologien ins Bild gesetzt hat und so große Bekanntheit erlangte.
„Jetzt trauen wir uns das zu, weil wir als historisches Museum auch einordnen und auch die Geschichte der Opfer zeigen“, sagt Museumsleiterin Kirsten John-Stucke. „Wir werden seine Bilder zeigen, ohne sie in Szene zu setzen.“ Gezeigt werde die gesamte Bandbreite dieses Mannes, ohne zu verharmlosen.
In Itzehoe setzt man sich mit Wilhelm Petersen auseinander
Wie berühmt der Elmshorner war, verdeutlicht eine Einordnung der Kunsthistorikerin Bärbel Manitz in ihrem Buch „KuNSt ohne Museum“. Sie sieht in Wilhelm Petersen den prominentesten in der NS-Zeit zu Ruhm gekommenen Schleswig-Holsteiner, „der den Platz einnimmt, der einem Emil Nolde – trotz NSDAP-Parteibuch – verwehrt wurde.“ Während Nolde sich in die innere Migration flüchtete, ließ sich Petersen von der Nazi-Ideologie mitreißen.
Auch in Itzehoe ist man an einer historischen Einordnung interessiert. Dort soll ein Denkort, der „Geschichtenberg Itzehoe“, aufgebaut werden, an der Stelle, wo die Nationalsozialisten 1937 mehrere bronzezeitliche Gräber ausgruben und sie fälschlicherweise zu Germanengräbern erklärten.
Wilhelm Petersen sollte einen 50 Meter langen Fries erstellen, der das angebliche Leben der Germanen zeigt. Fertiggestellt wurde er jedoch nie. „Petersen bietet viele Möglichkeiten für die Auseinandersetzung und die Urteilsbildung“, sagt Sönke Zankel, Kreisfachberater für Kulturelle Bildung im Kreis Pinneberg. Er sucht Zeitzeugenberichte, Artikel, Briefe, Fotografien und alles, was Petersen betrifft. Nach der Recherche sollen die Ergebnisse auch für Schulklassen aufgearbeitet werden.
Anders Petersen unterstützt das Rechercheprojekt. „Ich finde es gut, dass die Geschichte aufgearbeitet wird. Alles, was mit dem Nationalsozialismus zu tun hat, muss offengelegt werden“, sagt er.
Größter Förderer seines Vaters war Alfred Rosenberg, NS-Partei-Philosoph und fanatischer Rassist. Er erwarb eine Fassung der „Die Friesin“ von Petersen, ein Bild, das wie „Die Dänin“ den ideal-arischen Typus einer Frau verkörperte. Rosenberg beauftragte Petersen zwischen 1933 und 1937, in Berlin Illustrationen für Schulbücher zu malen.
Sie zeigen Wikingerschiffe, Brunhilds Abschied von Isenstein, pflügende Bauern, den Schimmelreiter. Hermann Göring, Heinrich Himmler und Adolf Hitler besaßen Bilder von Petersen. Am 30. Januar 1938 ernannte Hitler ihn zum Professor für bildende Künste, obwohl Petersen kein Studium absolviert und keinen akademischen Grad erworben hatte. Dann kam der Krieg, und Petersen wurde Kriegsberichtmaler.
Zeichnungen zeigen deutsche Soldaten und zerstörte Dörfer
Blätter, die er während des Angriffs auf Polen zeichnete, zeigen heroische Darstellungen deutscher Soldaten, aber auch zerstörte Dörfer, das Elend von Flüchtenden, Gefallene. Einige Zeichnungen erschienen 1980 in Petersens Buch „Er ging an meiner Seite, Zeichnungen 1939–1945“. 35 Jahre nach Kriegsende fanden sie noch Bewunderer, fand sein Buch Käufer, vor allem in der rechten Szene. „Mein Vater war überzeugter Rassist und Antisemit“, sagt Anders Petersen. Er wählt seine Worte mit Bedacht. Es fällt ihm schwer, das über seinen Vater zu sagen. Auch nach dem Tod des Vaters – er starb 1987 erblindet in Elmshorn – wurde eine öffentliche kritische Auseinandersetzung nicht geführt.
In den 50er- und 60er-Jahren gestaltete Wilhelm Petersen die Mecki-Zeichnungen in der Hörzu. Als Kind blieb Anders die dunkle Seite seines Vaters verborgen. „Er war für mich der Mecki-Maler“, sagt Petersen. Er sei stolz auf ihn gewesen. „Zeichnerisch war mein Vater ein Naturtalent. Aber man kann die Kunst nicht vom Menschen trennen.“
In der Jugend erwachte sein politisches Bewusstsein. In einem Alter, in dem sich sein Vater freiwillig als Soldat im Ersten Weltkrieg meldete, begann er zu begreifen, welche Rolle sein Vater im Dritten Reich gespielt hatte. In der Schule war Anders plötzlich das Täterkind, aber als Nesthäkchen der Familie in der Generation der Täterenkel verortet. „Ich habe mich viel mit seiner Geschichte beschäftigt“, sagt Anders Petersen, unter anderem als Mitglied in der Geschichtswerkstatt Klostersande. Als Parkaträger auf Anti-Atom-Demos und Willy-Brandt-Fan wurde er dem Vater fremd. Es gab viel Streit.
„Nach Kriegsende wurde Wilhelm Petersen von den Briten im ehemaligen KZ-Neuengamme inhaftiert“, sagt Anders Petersen. Weil er dem persönlichen Stab Himmlers angehört hatte und am Überfall auf Polen beteiligt war, drohte die Hinrichtung in Polen. Ironie des Schicksals: Ein Jude rettet ihm das Leben. „Mein Vater hatte ihm als Student bei einer Arbeit geholfen“, sagt Anders Petersen. „Die Briten hatten ihm zwei Gnadengesuche geschenkt. Eines setzte er für die Begnadigung meines Vaters ein.“ Gelernt hatte Wilhelm Petersen daraus nicht. Als die NPD 1964 gegründet wurde, trat er ihr sofort bei.
Ausstellung zu Wilhelm Petersen: 20. Juni bis 26. September im Kreismuseum Wewelsburg in Paderborn, Infos: www.wewelsburg.de.
Zum Projekt in Itzehoe: info@geschichtenberg-itzehoe.de, www.geschichtenberg-itzehoe.de