Pinneberg. Nach Farbanschlägen, Eierwürfen und demolierten Autos setzen die Fraktionen des Rates ein Zeichen. Warum Gewalt nun geächtet wird.
Es sei ein sehr unpolitisches Motiv gewesen, das unbekannte Täter an seiner Haustür hinterlassen hatten, sagt der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Stephan Schmidt. Der oder die Täter hatten in der Nacht zum Sonnabend ein Phallussymbol mit schwarzer Farbe auf die Haustür geschmiert. Schmidt vermutet eine politisch motivierte Straftat und einen Zusammenhang mit der hitzig diskutierten Debatte um die Suche nach einem Standort für den Neubau einer Feuerwehrwache.
Es ist nicht der erste Anschlag auf einen Kommunalpolitiker in Pinneberg. Für die ehrenamtlichen Mandatsträger ist deshalb jetzt eine Grenze überschritten, die sie nicht länger tolerieren wollen. Am Montagabend setzten die Pinneberger Politiker im Rathaus geschlossen ein Zeichen und sprachen sich öffentlich gegen Gewalt aus.
Hass in Pinneberg: Nach Farbanschlag auf CDU-Politiker wird politisches Motiv vermutet
Bereits im Herbst vergangenen Jahres hatten sich derartige Vorfälle gegen Grünen-Politiker gehäuft. „Es tut mir leid, dass wir nicht sofort reagiert haben“, entschuldigte sich Bürgervorsteherin Natalina di Racca-Boenigk in Richtung der Grünen. Für sie liegt es auf der Hand, dass die Taten politisch motiviert seien.
In den vergangenen 25 Jahren, in denen sie sich politisch engagiere, sei sowas noch nicht passiert. „Gewalt gegen Politiker ist ein absolutes No-Go“, sagt sie. Kommunalpolitiker machten ihren Job ehrenamtlich. „Querschüsse dieser Art schaden der Demokratie. Wir werden das nicht akzeptieren.“
Sandra Hollm, Ortsvorsitzende der Fraktion Buntes Pinneberg, erinnert angesichts der zunehmenden Gewalt in der Gesellschaft auch an die Jahrestage der Anschläge in Hanau und Rostock. „Wir stehen dafür ein, respektvoll miteinander umzugehen“, sagt sie.
SPD-Vorsitzender Kai Vogel: „Wir erwarten Respekt“
Der SPD-Vorsitzende Kai Vogel zeigte sich schockiert, angesichts der jüngsten Ereignisse in Pinneberg: „Das ist nicht das erste Mal, dass Politiker angegriffen werden. Wir erwarten Respekt uns gegenüber“, sagt er. Und die SPD-Fraktionsvorsitzende Angela Traboldt ergänzt: „Alle Parteien suchen Mitstreiter und durch solche Fälle ist das gefährdet.“ Niemand wolle sich solchen Angriffen ausgesetzt sehen.
„Kommunalpolitik ist der Kern der Demokratie“, ist Andrea Dreffein-Hahn, Fraktionschefin von Bündnis 90/Die Grünen, überzeugt. Wenn die Leute sich aus Angst zurückziehen würden, sei bald niemand mehr da, der an der Basis etwas bewirken wolle. „Wir sind immer bereit, in den Dialog zu treten.“ Sie selbst war Opfer eines Anschlags geworden. Unbekannte hatten am 30. Oktober Eier an die Scheibe des Kinderzimmers geworfen.
Schikanen gegen Politiker: Auto demoliert und Eierwurf
Auch andere Mandatsträger in Pinneberg sind von Schikanen betroffen, die zeitlich in die emotional geführte Debatte um den Standort der Feuerwache fallen. Ein Mitglied der Grünen war die Autotür demoliert worden, ein anderer fand hinter seiner Windschutzscheibe ein ausgepacktes Kondom. Bei einem weiteren Grünen-Politiker sei bei einer Inspektion in der Werkstatt ein Inbusschlüssel im Reifen gefunden worden.
Und auch bei Grünen-Politiker Tafin Ahsbahs wurden Eier ans Haus geworfen. Außerdem wurde Baumaterial auf dem Grundstück beschädigt, und auf dem Rasen vor dem Haus lagen Zettel mit Drohungen. Alle haben Strafanzeige gestellt.
Debatte um Standort Feuerwache in Pinneberg spaltet
Die Diskussion um den Standort der Feuerwache sei verbal aus dem Ruder gelaufen, räumt Natalina di Racca-Boenigk als CDU-Ortsvorsitzende ein. „Uns ist die Diskussion um die neue Wache entglitten“, sagt sie. Sie sei zu emotional geführt worden. Dabei gehe es um die Fakten. „Wir wissen von links- und rechtsextremen Taten, dass sich Täter durch solch aufgeladenen Diskussionen aufgefordert fühlen. Daher sollten wir Emotionen außen vor lassen.“
Angela Traboldt betonte, dass die Parteien grundsätzlich fair miteinander umgingen und bislang gemeinsam sehr gute Dinge für Pinneberg bewirkt hätten, oftmals sogar einstimmig.
Grüne und CDU für Feuerwache an Datumer Chaussee
FDP-Fraktionschef Lukas-Alexander Ellgoth gibt zu bedenken, dass es viele Themen gebe, zu denen man unterschiedlicher Meinung sein darf, um dann mit demokratischen Mitteln zu einer Lösung zu finden. „Wir sind auch anders zu erreichen, als Nachbarn, bei denen man klingeln kann.“
Grüne und CDU hatten als Mehrheit bei der Standortsuche für die neue Feuerwehrhauptwache für die Datumer Chaussee gestimmt, während FDP, SPD und Buntes Pinneberg für den in einem Gutachten favorisierten Standort auf einem stadteigenen Grundstück am Eggerstedter Weg ausgesprochen hatten. Die SPD hatte daraufhin an die Innenbehörde des Landes gewandt, weil sie in Bezug auf den Kauf der Fläche an der Datumer Chaussee für den Bau der neuen Feuerwache Bedenken hat.
Standort Datumer Chaussee: Kommunalaufsicht hat keine Bedenken
„Die Antwort der Kommunalaufsicht ist so ausgefallen, wie sie hätte auch nur ausfallen können: nämlich, dass der demokratisch gefasste Beschluss der Ratsversammlung völlig rechtens ist“, sagt der Fraktionsvorsitzende der CDU Pinneberg, Florian Kirsch. Hieran habe es für die CDU nie Zweifel gegeben und „daher wurde ohnehin die Anrufung der Kommunalaufsicht durch die SPD in dieser Angelegenheit eher nur mit mäßiger Verwunderung, aber in jedem Fall ohne Sorge zur Kenntnis genommen.“
Die CDU möchte die Fläche am Eggerstedter Weg für Gewerbeansiedlungen freihalten. „Pinneberg muss darauf achten, dass auf den raren Gewerbeflächen der Stadt auch Gewerbe angesiedelt wird, um die Einnahmesituation der Stadt zu verbessern“, sagt Natalina di Racca-Boenigk als CDU-Stadtverbandsvorsitzende. Es gehe auch um die Schaffung von Arbeitsplätzen. „Letztendlich müssen die neue Hauptfeuerwache und der Neubau als Nebenwache am jetzigen Standort in der Friedrich-Ebert-Straße auch finanziert werden.“
Anwohner gegen Bau einer Hauptfeuerwache
Ebenso weist die CDU noch einmal darauf hin, dass der Standort Datumer Chaussee in allen Gutachten auch immer als geeignet klassifiziert worden ist, teilweise dem Eggerstedter Weg sogar überlegen sei. Verkehrssicherheitsbedenken, wie sie zuletzt von Anwohnern vorgetragen worden sind, seien natürlich bei der Realisierung der Hauptwache zur berücksichtigen, egal an welchem Standort.
„Ich kann verstehen, dass die Anwohner über die Errichtung einer Hauptfeuerwache in ihrer Nachbarschaft nicht glücklich sind. Das wäre aber auch am Eggerstedter Weg und jedem anderen Ort in Pinneberg genauso“, sagt di Racca-Boenigk.
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Anwohner Datumer Chaussee kündigen Protest an
Louise Beukelmann (CDU), Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung drängt darauf, dass es mit dem Neubau der Hauptwache schnellstmöglich losgehe: „Um so mehr freut es mich, dass die Stadt alle notwendigen Schritte zur Schaffung des Baurechts zügig angeht und – wie auch von der Kommunalaufsicht zitiert – davon ausgeht, dass das Baurecht für die Hauptwache in Kürze auch bestehen wird.“
Währenddessen haben Anwohner an der Datumer Chaussee, allen voran Gärtnermeister Thomas Rust, Protest gegen die Pläne des Neubaus angekündigt. Am 19. März soll es einen gemeinsamen Termin mit Bürgermeister Thomas Voerste (parteilos) geben. Auch er hatte am Montagabend Respekt für die ehrenamtlich tätigen Kommunalpolitiker gefordert.