Kreis Pinneberg. Fraktionschefs des Kreistages sind sich einig: Sie stemmen sich jetzt gegen jede Zusammenarbeit mit der „undemokratischen“ Partei.
Im ganzen Land gehen zurzeit die Menschen zu Tausenden auf die Straße, um für die Demokratie und gegen die AfD zu demonstrieren. Auch im Kreis Pinneberg sind schon Kundgebungen gegen antidemokratische und neofaschistische Bestrebungen in Elmshorn, Pinneberg, Quickborn oder Uetersen mit zahlreichen Teilnehmern aus allen Gesellschaftsschichten organisiert worden.
Jetzt melden sich die drei Fraktionschefs von CDU, SPD und Grünen im Pinneberger Kreistag zu Wort und betonen, dass es für sie keinerlei politische Zusammenarbeit mit der AfD geben wird. „Das ist für uns eine Brandmauer“, betont CDU-Fraktionsvorsitzende Heike Beukelmann. „Für uns ist die AfD eine rechtsextreme und undemokratische Partei“, sagt SPD-Fraktionschef Hans-Peter Stahl. „Die Zeit ist reif, dieses deutliche Zeichen zu setzen.“
Politik im Kreistag Pinneberg: Strategie, die AfD zu ignorieren, sei nicht aufgegangen
Die jahrelange Strategie, die AfD nicht ernst zu nehmen oder sie gar zu ignorieren, sei nicht aufgegangen, sagt Grünen-Fraktionschefin Susanne von Soden-Stahl. „Das hat nichts genützt.“ Die AfD sei trotzdem stark geworden, zumindest in den Umfragen.
Darum seien sich CDU, SPD und Grüne nun einig, „klare Kante gegen die AfD“ und ihre menschenverachtende Politik zu zeigen – erst recht auf Kreisebene, formuliert es Stahl. „Wir werden uns inhaltlich damit auseinandersetzen“ – auch wenn vieles nur substanzlose Polemik sei.
AfD sei zwar demokratisch gewählt, aber deswegen müsse man nicht zusammenarbeiten
Der oft vorgebrachte Hinweis, die AfD sei ja demokratisch gewählt und damit legitimiert, dass die demokratischen Parteien mit ihnen zusammenarbeiten müssten, sei falsch, warnt Stahl und erinnert an das letzte deutsche Parlament unmittelbar vor der Nazi-Diktatur.
So gehörten 1932 der Nationalversammlung der ersten deutschen Demokratie, der Weimarer Republik, solche Nazi-Größen, Antidemokraten und späteren Kriegsverbrecher, Judenhasser und KZ-Schergen an wie Heinrich Himmler, Hermann Göring oder Joseph Goebbels. Die haben dann mit der Machtergreifung wenige Monate später die junge Demokratie abgeschafft und Demokraten verfolgt und umgebracht. „Insofern greift das Argument nicht, nur weil sie demokratisch gewählt sind, müssen wir sie auch wählen“, sagt Stahl.
Kein Abgeordneter sei verpflichtet, einen rechtsextremen Politiker zu wählen
Die drei Fraktionschefs betonen, dass sie in keiner Weise mit der AfD im Pinneberger Kreistag zusammenarbeiten werden. Das gelte für politische Anträge ebenso wie für Ausschussbesetzungen. Auch wenn die AfD noch ein weiteres, viertes Mal, ihren Abgeordneten Burghard Schalhorn zum Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses vorschlagen sollte, würden ihre drei Fraktion dagegen stimmen.
Zumal dieser Ausschuss, in dem auch die Jugendverbände vertreten sind, wegen seiner sozialen Ausrichtung „sehr sensibel“ sei, betont Heike Beukelmann. Susanne von Soden-Stahl: „Alles, was sozial ist, und mit Frauen zu tun hat, ist der AfD suspekt.“
Dieser Ausschuss könnte auch unter der Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden Ortwin Schmidt (CDU) gut arbeiten, sind die drei Fraktionschefs überzeugt. Der schleswig-holsteinische Landtag habe mit einer entsprechenden Gesetzesänderung den Weg dafür frei gemacht. Da könnte die AfD vor dem Verwaltungsgericht dagegen klagen, wie sie möchte. Kein Abgeordneter könnte dazu verpflichtet werden, einen Politiker, den er oder sie für undemokratisch und rechtsextrem hält, wählen zu müssen.
Künftig wird alles im Kreistag protokolliert, um die angebliche Opferrolle zu entlarven
Zudem wehren sich die Fraktionschefs von CDU, SPD und Grünen gegen die „Opferrolle“, in der sich die AfD gerne darstelle, weil die anderen nicht mit ihr „spielen“ mögen. Das habe sich erst jüngst wieder auf der Sitzung des Hauptausschusses gezeigt, als AfD-Fraktionschef Volkher Steinhaus eine angeblich fehlende Informationspolitik seitens der Kreisverwaltung kritisierte, weil die Öffentlichkeit nicht vorher darüber in Kenntnis gesetzt worden wäre, was der Kreis in Sachen Flüchtlingspolitik plane.
Dabei habe sie als Vorsitzende dieses Ausschusses mehrere Bürgerinnen und Bürger dazu in der Einwohnerfragestunde zu Wort kommen lassen, betont Heike Beukelmann. Ein Beschluss dazu sei noch nicht gefasst. Und auch die Tageszeitungen wie das Hamburger Abendblatt hätten in ihren Ausgaben ausführlich darüber berichtet. „Wir lassen uns nicht mehr unterstellen, wir würden falsch informieren“, sagte da auch Kreispräsident Helmuth Ahrens (CDU) in Richtung der AfD – „es reicht!“ Künftig werde jede Äußerung genau protokolliert, um solche Legendenbildungen als haltlos und „Fake News“ entlarven zu können.
AfD hält diese Ausgrenzung der anderen Fraktionen für undemokratisch
AfD-Fraktionschef Steinhaus will selbst einmal nachgefragt haben, was er denn tun müsste, damit die anderen Fraktionen mit ihm zusammenarbeiten würden. „Aus der AfD austreten“, habe daraufhin jemand geantwortet. Weil dies auf einer nichtöffentlichen Sitzung geäußert wurde, möchte Steinhaus es öffentlich nicht wiederholen. Er hält dieses die AfD ausgrenzende Verhalten der anderen Fraktionen für „nicht demokratiefreundlich“, sagt er. Demokratie lebe von der Vielfalt „und lässt den Meinungsaustausch zu“.
- Kreistag Pinneberg: „Sie sind unwählbar!“ AfD-Kandidaten fallen bei Wahl durch
- Europapolitiker prangert in Pinneberg Nazi-Jargon der AfD an
- Kreistag Pinneberg: Keine Chance für AfD-Politiker - sie scheitern bei Wahlen
Die bundesweiten Demonstrationen gegen die AfD hält Steinhaus für gesteuert. „Da steckt Methode dahinter, den politischen Gegner aus dem Weg zu räumen und zu schädigen, weil der sich gerade im Stimmungshoch befindet“, glaubt Steinhaus. Auch wenn er den vielen Tausend Demonstranten nicht absprechen wolle, dass sie sich wirklich um die Demokratie hierzulande Sorgen machten.
AfD will ihren Ausschussvorsitz im Kreistag einklagen
Die AfD werde jedenfalls weiterhin auf ihr Recht pochen, mit Schalhorn einen aus ihren Reihen für einen Ausschussvorsitz vorzuschlagen und dies mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht letztlich auch durchzusetzen versuchen, kündigt er an.
Schalhorn selbst, mit 82 Jahren das älteste Mitglied im Kreistag, sagt, er könnte es nur verstehen, wenn einer für den Ausschussvorsitz nicht gewählt werde, weil er dafür „nicht fähig“ sei. Er aber habe vor gut 20 Jahren als noch CDU-Abgeordneter bewiesen, dass er einen Ausschuss leiten könnte. „Das ist nicht demokratisch, was die anderen machen. Das ist Diktatur.“