Wedel. Verwaltungsmitarbeiter in Wedel werfen ihrem Chef „Führung durch Spaltung“ vor. Gernot Kaser wehrt sich – und gibt anderen die Schuld.

Nach den Abendblatt-Enthüllungen über die mehr als angespannte Lage zwischen Wedels Bürgermeister Gernot Kaser, großen Teilen seiner Rathaus-Mitarbeiter sowie Teilen der Politik wird in Wedel angeregt diskutiert – meist öffentlich einsehbar im sozialen Netzwerk Facebook. Dort hat sich nun auch Kaser in zwei Statements am Sonnabend und Sonntag zu den Vorwürfen geäußert. Gegenüber dem Abendblatt, das ihn mehrfach um eine Stellungnahme gebeten hat, schweigt sich der Bürgermeister nach wie vor aus.

Wie berichtet, wird der Amtsinhaber, der seit Mai 2022 Chef der Wedeler Verwaltung ist, für Falschaussagen vom Innenministerium in Kiel kritisiert. Zudem machen ihn mehr als 90 Prozent seiner Belegschaft im Rathaus explizit für die Verschlechterung der Stimmung verantwortlich. An einer Personalumfrage im November hatten immerhin 52 Prozent der Stadt-Mitarbeiter teilgenommen, im Rathaus selbst waren es sogar etwa 70 Prozent.

Zoff im Rathaus: Kritisierter Bürgermeister veröffentlicht Facebook-Statements

Die erschreckenden Ergebnisse einer anschließenden, detaillierten Mitarbeiterbefragung durch den Personalrat waren dem Abendblatt Anfang Februar anonym zugespielt worden, ebenso ein Schreiben aus dem Innenministerium, in dem Kaser für falsche Behauptungen gerügt wird. Unter anderem wird dem Amtsinhaber von seinen Mitarbeitern eine „Führung durch Spaltung“ vorgeworfen.

Eine Abendblatt-Anfrage mit der Bitte um eine Stellungnahme zum Schreiben der Landesbehörde und der Mitarbeiterumfrage ist seit Tagen unbeantwortet. Am Donnerstag hatte das Abendblatt um 13 Uhr per E-Mail beim Wedeler Bürgermeister nachgefragt. Aus Rathaus-Kreisen hieß es, er würde aktuell trotz Krankheit Mails lesen und beantworten.

Kaser bei Facebook: „Es ist mir wichtig, Sie hier aus erster Hand zu informieren“

Die Bitte um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen – sofern es gesundheitlich möglich sei – ist jedoch seitdem ausgeblieben. Weitere direkte, telefonische Kontaktversuche schlugen bis Dienstag fehl. Stattdessen hat Kaser entschieden, in den sozialen Netzwerken seine Sicht der Dinge zu schildern.

Bei Facebook etwa meldete sich der Bürgermeister mit einer Medien- und Politikschelte zu Wort. Kurzfassung: Ihn treffe nach seiner Lesart keine Schuld. Dort schreibt Kaser in zwei Beiträgen am Sonnabend und Sonntag, 10. und 11. Februar: „Bei zum Teil allerdings erheblich verzerrter bzw. einseitiger Darstellung in den Zeitungen ist es mir sehr wichtig, Sie hier aus erster Hand zu informieren, sodass sich jeder sein Bild machen kann.“

Bürgermeister in Wedel nennt falsche Zahlen zur Mitarbeiterbefragung

Erst im letzten Absatz seines Facebook-Beitrags geht er dabei auch auf die desaströsen Ergebnisse der Mitarbeiter-Befragung ein. Kaser bedauert abermals die große Unzufriedenheit seiner Belegschaft: „Die im Artikel genannten Zitate aus der Umfrage haben mich schwer bewegt. Auch wenn leider nur 40 Prozent meiner Mitarbeiter an dieser Umfrage teilgenommen haben und ich mir gewünscht hätte, dass sich viel mehr beteiligen und ihre Meinung sagen, nehme ich die Antworten äußerst ernst.“

Doch schon bei der von Kaser genannten Teilnehmerzahl scheint es wieder einen Bruch mit der Wahrheit zu geben. Denn laut Personalrat sind 52 Prozent der Umfragebögen abgegeben worden, im Rathaus seien es sogar 71 Prozent gewesen. „Wir sind den Kolleginnen und Kollegen dankbar für die über unseren Erwartungen liegende hohe Beteiligung“, heißt es in einem Schreiben des Personalrats. Die Umfrage aus dem November sei kein Routinevorgang vor der jährlichen Personalversammlung, sondern eine „ergebnisbezogene, einmalige Maßnahme“.

Unzufriedene Mitarbeiter: Gernor Kaser möchte „mit vereinter Kraft die Situation erheblich verbessern“

Die ersten Schritte zu einer Verbesserung seien laut Kaser mittlerweile geplant, ebenso ein Treffen mit dem Personalrat, „über dessen offene Bereitschaft gemeinsam mit mir an diesen Themen zu arbeiten“ habe er sich gefreut. „Ich bin zuversichtlich, dass uns mit vereinter Kraft gelingen wird, die Situation erheblich zu verbessern. Ich bin bereit, meinen Teil hierfür zu tun.“ Was das konkret bedeutet, lässt Kaser offen.

In größerem Umfang geht Kaser auf das „Schreiben aus dem Innenministerium“ ein, welches auch als „Rüge an den BM“ bezeichnet worden sei. Darauf wolle er Bezug nehmen und einige Punkte klarstellen: „Eine „Rüge“ seitens der Kommunalaufsicht wurde selbstverständlich in keiner Weise ausgesprochen. Zumal es auch absurd wäre, ein Ansinnen nach moderierender Unterstützung bei der Verbesserung der Zusammenarbeit rügen zu wollen.“

Wedel: Bürgermeister Gernot Kaser sieht kommunikatives Fehlverhalten beim Stadtpräsidenten

Tatsächlich wurden in einem Schreiben der Kommunalaufsicht vom 24. Januar Kasers Aussagen vom Wedeler Neujahrsempfang am 21. Januar mit Verwunderung aufgenommen und kritisiert. Es habe - entgegen Kasers Verlautbarungen - keine Signale aus Kiel gegeben, sich in den Streit als Mediator einzuschalten.

Laut Kaser sei das Ziel eines Besuchs in Kiel mit Dr. Valerie Wilms (Vorsitzende des Haupt- und Finanzausschusses) aber gewesen, Unterstützung in moderierender Form von der Kommunalaufsicht zu bekommen, um die Zusammenarbeit zwischen Rathaus und Politik zu verbessern. Kaser behauptet: „Vor Ort wurde uns diese Unterstützung zugesichert. So hatte ich dies auch in meiner Neujahrsrede kommuniziert. Im Schreiben des Innenministeriums war jedoch dieser Darstellung widersprochen worden.“

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Verantwortlich dafür sei laut Kaser nicht er selbst, sondern Stadtpräsident Julian Fresch (CDU). Der Verwaltungschef schreibt: „Nach diesem Treffen wurde die Kommunalaufsicht von unserem Stadtpräsidenten Herrn Fresch (ohne Rücksprache mit mir) über zwei Dinge informiert: Zum einen über das Projekt „Respekt im Rat“ der Körber-Stiftung, welches in der letzten Ratssitzung öffentlich vorgestellt wurde.“ Zum anderen sei es eine „verwaltungsinterne“ Mediation der Kommunalaufsicht gewesen. „Auch diese hat absolut nichts mit der Zusammenarbeit zwischen Rathaus und Politik zu tun“, so der 62-Jährige Rathauschef.

Mediationsverfahren: Bürgermeister spricht von Missverständnissen

Dieses kommunikative Problem sei nun ursächlich für die Absage der Kommunalaufsicht. Kaser schreibt: „Offenbar sind diese beiden Punkte falsch bzw. missverständlich von Herrn Fresch kommuniziert worden, sodass die Kommunalaufsicht zum Schluss kam, hier würde bereits in zwei Projekten an dem Thema gearbeitet und ihre Unterstützung wäre nicht mehr notwendig.“ Er warte auf eine neuerliche Rückmeldung der übergeordneten Landesbehörde.

Stadtpräsident Fresch weist diese Vorwürfe Kasers weit von sich: „Die Diskussion in den sozialen Netzwerken habe ich am Rande mitbekommen. Ich nutze dieses Medium als Stadtpräsident aber nicht, weil es schnell zu Missverständnissen führt. Ebenso verhält es sich bei der Andeutung, ich hätte die Kommunalaufsicht fehlinformiert. Das habe ich nicht.“