Wedel. Beim Neujahrsempfang in Wedel wird Haltung gezeigt. Bürgermeister Kaser sieht finanziellen Spielraum – und irritiert auch die Politik.

Zu Beginn des Neujahrsempfangs der Stadt Wedel sang Nathan Elcox, begleitet von Vladimir Ney am Klavier, die Friedenshymne „Imagine“ von John Lennon und auch Stadtpräsident Julian Fresch (CDU) griff in seiner Ansprache vor gut 150 Wedelern die aktuellen gesellschaftlichen Geschehnisse auf.

Er positionierte sich klar: „In Wedel gibt es – es steht zu befürchten ‚noch‘, ich will aber eher sagen ‚zum Glück‘ – keine AfD-Ortsgruppe. Aber es gibt sehr wohl Menschen, die mit der AfD sympathisieren. Manche aus Frust, manche aus Verzweiflung, aus Unzufriedenheit, aber ganz bestimmt auch aus Überzeugung.“ Fresch forderte jedoch, alle zusammen müssten ihnen über den Diskurs genau das nehmen. „Wir müssen miteinander sprechen“, sagte er und machte damit deutlich, dass er von einem Verbot dieser Partei wenig hält.

Wedel: Investieren und sparen sei „Quadratur des Kreises“

Bei seinem Rückblick auf das vergangene Jahr sprach der 27 Jahre alte Stadtpräsident unter anderem die Veränderungen im Wedeler Rat nach der Kommunalwahl an, mit vielen „Powerfrauen“ an der Spitze der Ausschüsse oder den neuen kommunalpolitischen Stil im Rat, der Einzug gehalten habe. Auch die Neu- und Umbauten am Johann-Rist-Gymnasium oder der Gebrüder-Humboldt-Schule waren Aspekte.

Doch die Haushaltslage sei weiter angespannt. „Es geht 2024 um „Sparen“ und um „Investitionsstau abbauen“. Ich bin kein Mathematik-Profi, aber eigentlich ist es eine Quadratur des Kreises“, so Fresch.

Wedels Stadtpräsident: „Was können, was wollen wir uns als Stadt leisten?“

Man müsste auch mal „Nein“ sagen und Fragen beantworten wie: „Was können, was wollen wir uns als Stadt leisten?“. Dabei sollen auch die Wedeler Bürger mitgenommen werden und in Kommunikation und Austausch mit Verwaltung und Politik kommen.

Möglicherweise könnte beispielsweise auch die einmal im Jahr stattfindende Einwohnerversammlung regelmäßiger oder auch anlassbezogen bei einzelnen Projekten abgehalten werden. Dem Stadtpräsidenten sei dabei stets wichtig, dass „wir wertschätzend und fair miteinander umgehen“.

Wedels Haushalt: Bürgermeister sieht genug Sauerstoff für „kleinere Berge und Wanderungen“

Das wünscht sich auch Bürgermeister Gernot Kaser, der ebenfalls auf das vergangene Jahr zurückblickte. „Im letzten Jahr haben Verwaltung und Politik gemeinsam in vielen Workshops einen städtischen Haushalt für die Zukunft strategisch auf den Weg gebracht“, sagte er. Der eingereichte Haushaltsentwurf müsste aus Kasers Sicht abgesegnet werden.

Neujahrsempfang Wedel: Bürgermeister Gernot Kaser begrüßt das Duo Nathan Elcox (Gesang) und Vladimir Ney (Klavier). Sie präsentierten die Stücke: Imagine von John Lennon, Beyond the Sea von Bobby Darin und The Impossible Dream von Frank Sinatra. 
Neujahrsempfang Wedel: Bürgermeister Gernot Kaser begrüßt das Duo Nathan Elcox (Gesang) und Vladimir Ney (Klavier). Sie präsentierten die Stücke: Imagine von John Lennon, Beyond the Sea von Bobby Darin und The Impossible Dream von Frank Sinatra.  © Frederik Büll | Frederik Büll

„Der Sauerstoff reicht nicht, um den Mount Everest zu besteigen. Aber er reicht für kleinere Berge und Wanderungen“, so der Bürgermeister. Zudem sei beispielsweise auch die Digitalisierung der Verwaltungsstrukturen auf den Weg gebracht worden, die Verwaltung befinde sich in einem Transformationsprozess, der in zwei Jahren abgeschlossen sein dürfte.

Gernot Kaser freut sich auf Wedel als Standort des Gründerzentrums

Ein weiterer Erfolg 2023 sei etwa die Entscheidung für Wedel als Standort eines Gründungs- und Technologiezentrum (GTZ). Auch das Mobilitätskonzept, aus dem nun einige Schwerpunkte wegen der finanziellen Lage herausgezogen werden sollen oder den Ausbau der Kindergärten in der Stadt, hob Kaser hervor.

Zudem sprach er die Schulproblematik („Der Schulentwicklungsplan wird in Kürze vorliegen“), den Fachkräftemangel und die verschiedenen Arbeitszeitmodelle im Rathaus an, sowie Wedels Einsatz bei der Kälte/Wärmeplanung oder den Solarfreiflächen.

Wedels Verwaltungsstrukturen sollen moderner werden

In diesem Jahr solle es etwa um die weitere Modernisierung der Verwaltungsstrukturen gehen, ein modernes Beschwerdemanagement für Bürger sowie die Akquise von Unternehmen, die langfristig an Wedel gebunden werden sollen.

Zudem fordert Kaser ein professionelles City-Management, den Ausbau der Kommunikation über die Stadthomepage, damit „Informationen aus erster Hand“ an die Bürger kämen. Der Bürger solle noch besser einbezogen werden. Zum Beispiel auch über das eingeführte Format des Bürgerdialogs.

Kommunalaufsicht soll Stimmung zwischen Bürgermeister und Politik verbessern

Gegen Ende wies der Bürgermeister darauf hin, dass die Kommunikation mit Teilen der Politik besser sein könnte. Daher habe er die Kommunalaufsicht gebeten, einen Prozess für mehr Fairness anzuschieben, sie solle dabei eine moderierende Rolle einnehmen. Teile der Wedeler Politik hörten nach Abendblatt-Informationen von diesem Schritt auf dem Neujahrs-Empfang erstmalig und waren ob der fehlenden vorherigen Kommunikation irritiert bis erschüttert.

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Auch Kaser sprach als letzten Punkt den Hass und Hetze in der Gesellschaft an. Er zitierte aus der bekannten Ruck-Rede von Roman Herzog, die auch schon 27 Jahre her sei. „Was sehe ich dagegen in Deutschland? Hier herrscht ganz überwiegend Mutlosigkeit, Krisenszenarien werden gepflegt. Ein Gefühl der Lähmung liegt über unserer Gesellschaft.“

Wedels Bürgermeister Gernot Kaser zitiert berühmte Herzog-Rede

Die Inhalte dieser Rede seien nach wie vor aktuell. Und auch Verwaltung und Politik müssten sich in ihrer Debattenkultur „noch mehr Wertschätzung“ gegenüber entgegenbringen. „Wir müssen mehr miteinander als übereinander sprechen“, meinte der bald 62 Jahre alte Österreicher, der seit Mai 2022 im Amt ist.

Bevor mit Sekt auf Wedels Zukunft angestoßen wurde, gab es noch drei Verleihungen mit der Ehrennadel für gesellschaftlich wichtiges Engagement im Jahr 2023. Die Preisträger sind: Hisham Amer (ehrenamtlicher Sprachlehrer an der VHS Wedel für arabischsprachige Geflüchtete), Erika Müller (zehnjähriges Engagement in unterschiedlichen Senioren-Initiativen) und Bernd Schumacher (Mitglied seit 1970 im Spitzerdorf-Schulauer-Männergesangsverein, der nach 137 Jahren im Vorjahr aufgelöst worden war).