Elmshorn/Itzehoe. Markus E. soll einen Angler in Elmshorn in den Kopf gestochen und ausgeraubt haben. Acht Jugendliche nahmen die Verfolgung auf.
Das nennt man wohl Zivilcourage: Denn wie jetzt vor Gericht deutlich wurde, waren es acht Jugendliche, die am 21. Juli in Elmshorn einen brutalen Messerstecher überwältigt haben. Drei von ihnen standen Dienstag der Schwurgerichtskammer am Landgericht Itzehoe Rede und Antwort. Dort muss sich der mutmaßliche Täter Markus E. (27) unter anderem wegen versuchten Mordes verantworten. Er ist der Mann, der zuvor einen Anger brutal niedergestochen haben soll – und derjenige, dessen Flucht die Jugendgruppe verhinderte.
„Wir kamen aus Hamburg, wollten bei Rewe noch etwas einkaufen“, berichtet Zeuge Diego P. (17). Die acht Heranwachsenden liefen das Südufer der Krückau entlang und hatten gerade die Hafenstraße erreicht, als sie durch laute Hilferufe aufgeschreckt wurden. „Wir haben dann einen Mann gesehen, dessen Kopf war voller Blut. Eine zweite, ganz in schwarz gekleidete Person ist davongerannt“, so der Zeuge.
Elmshorn: Angler mit Messer attackiert - Jugendgruppe umzingelt den Angreifer
Die gesamte Gruppe habe zunächst die Verfolgung des Flüchtenden aufgenommen, ehe einer aus der Gruppe zum Verletzten zurückgelaufen sei. Der Rest der Jugendlichen sei an dem Mann drangeblieben, der die Hafenstraße bis zur Westerstraße durchlief und sich dann im Sprint entlang der Westerstraße bewegte.
„Er hat sich dann vor einem Wohnblock hinter einem Gebüsch versteckt“, berichtet der 17-Jährige. Der schnellste aus seiner Gruppe sei dem Mann jedoch dicht auf den Fersen gewesen und habe dessen Manöver bemerkt. „Wir haben ihm dann gesagt, er soll rauskommen. Das hat er auch getan und ist weggegangen, wir hinterher.“
Ein jugendlicher zieht dem flüchtenden Täter die Beine weg
Schließlich habe einer aus der Gruppe dem Mann von hinten die Beine weggezogen. Der sei hingefallen, habe sich anschließend wieder aufgerappelt. „Er saß da, wir alle haben ihn umzingelt. Er wollte mehrmals die Hand in die Tasche stecken, wir haben ihn angeschrien, er soll das lassen. Das hat er dann auch getan.“
Der am Boden sitzende Mann habe behauptet, aus der Tasche nur eine Zigarette holen zu wollen. „Die Polizei kam sehr schnell. Als sie ihn durchsucht haben, befand sich in der Tasche ein Klappmesser“, so der Zeuge weiter.
Mit dem Messer, das eine Klingenlänge von zehn Zentimetern hat, soll Markus E. laut Anklage mehrmals brutal von hinten auf Wolfgang P. (36) eingestochen haben, der in einer Grünanlage an der Krückau saß und angelte. Allein fünf der Stiche trafen den Hinterkopf des Anglers, bei einer dieser Attacken brach die Klinge des Messers ab und blieb im Hinterkopf des Opfers stecken. Anschließend griff sich der 27-Jährige laut Anklage das Portemonnaie seines Opfers, das 20 Euro enthielt.
„Wir waren uns sicher, dass er der Angreifer sein muss und hatten schon Angst, dass er ein Messer zieht“, berichtet Diego P.. Er beschreibt den Mann, den die Jugendlichen in Schach hielten, als ungepflegt. „Er sah aus wie ein Obdachloser, wirkte total überfordert mit der Situation.“ Ihm sei schnell in den Sinn gekommen, es mit einem Junkie zu tun zu haben.
Zeuge vermutete, dass der Angreifer „etwas mit Drogen zu tun gehabt haben könnte“
Das bestätigt auch Zeuge Ali A. (18). „Er machte einen hektischen Eindruck, ich dachte mir, dass er irgendwas mit Drogen zu tun gehabt haben muss.“ Als Markus E. auf dem Boden saß und von den Jugendlichen umringt wurde, habe er noch versucht, die Schuld von sich zu weisen. „Er sagte, dass er das nicht gewesen ist. Der andere habe ihn angegriffen.“ Das hätten die Jugendlichen ihm jedoch nicht geglaubt.
„Beide Hände des Mannes waren blutig“, erinnert sich Kletisio B. (18). Er sprach von mehreren Schnitten an den Händen des Mannes. „Er wollte uns einreden, dass der andere auf ihn eingestochen hat.“ Ihm sei jedoch klar gewesen, den echten Angreifer vor sich zu haben. Dieser sei hochnervös und unruhig gewesen. „Als die Polizei kam und ihm Handschellen angelegt hat, hat er noch die Beamten beschimpft.“
Markus E., der bisher im Prozess geschwiegen hat, hörte die Aussagen der Zeugen ohne sichtbare Regung an. Das war schon beim zweiten Prozesstag so, als Opfer Wolfgang P. die brutale Attacke aus seiner Sicht geschildert hat.
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Auch zu einem zweiten, ebenfalls angeklagten Vorfall hat der 27-Jährige keine Aussage gemacht. Er soll 13 Tage vor der Attacke auf den Angler einen Bekannten in dessen Wohnung in Elmshorn mit einem Messer bedroht und ausgeraubt haben. Auf seiner Flucht soll er die Mutter des Mannes, die sich ihm in den Weg stellte, geschlagen haben.
Es ist nicht der erste gravierende Vorfall, der dem Elmshorner zur Last gelegt wird. Vor knapp sechs Jahren stand der damals 22-Jährige schon einmal vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe, die ihn am 17. Mai 2018 wegen gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Nötigung und Sachbeschädigung zu vier Jahren Gefängnis verurteilte.
Der seinerzeit 22-Jährige war in der Nacht zum 1. November 2017 offenbar grundlos auf seinen Bekannten Frank N. losgegangen, hatte auf ihn eingeschlagen und eingetreten, ihm in den Mund uriniert und das Opfer im Kofferraum seines Wagens eingesperrt. Dann fuhr er mit dem Bekannten auf den Parkplatz der Liether Kalkgrube, wo er ihn bis zur Luftnot würgte.
Markus E. wurde bereits 2018 wegen eines Gewaltdelikts zu einer Haftstrafe verurteilt
Auch damals musste sich der Elmshorner wegen versuchten Mordes verantworten, diesen Vorwurf ließen die Richter im Urteil jedoch fallen. In diesem Prozess hatte Markus E. ein Geständnis abgelegt. Aufgrund der einschlägigen Vorstrafe dürfte das Strafmaß nun deutlich höher ausfallen.
Im Fall einer Verurteilung wegen versuchten Mordes kommt grundsätzlich auch lebenslänglich in Betracht. Doch auch eine Milderung wäre denkbar, dann läge der Strafrahmen bei 3 bis 15 Jahren Haft. Theoretisch könnte gegen den Angeklagten auch eine Sicherungsverwahrung verhängt werden.
Psychiater wird über die Gefährlichkeit des Angeklagten urteilen
Vieles wird von der forensisch-psychiatrischen Begutachtung des Angeklagten abhängen, die der ehemalige Chefarzt der Klinik für Psychiatrie in Itzehoe, Professor Arno Deister, im Laufe des Prozesses abliefern wird. Es wird um die Schuldfähigkeit des 27-Jährigen zur Tatzeit gehen – und auch um die Frage, wie gefährlich der Elmshorner ist. Ein Urteil könnte frühestens Ende April fallen.